Gesten, Ausflüchte, Telefonate: Wenn Politiker sich entschuldigen
"Es tut mir leid": Diese Worte kommen Politikern nur schwer über die Lippen. Dabei machen sie Fehler wie jeder andere Mensch auch. Manche Schuldbekenntnissen haben Schlagzeilen gemacht - allen voran Willy Brandts Kniefall im Warschauer Ghetto. Es war ein Bekenntnis, das ohne Worte auskam. Der Kniefall und andere politische Entschuldigungen hier in einer Übersicht.
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
10.12.2015

Willy Brandts Kniefall im Warschauer Ghetto

Am 7. Dezember 1970 ging der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt vor dem Ehrenmal der Helden des Warschauer Ghettos unerwartet in die Knie. Es war unmittelbar vor der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages. Diese Demutsbekundung überraschte seine Delegation, sogar die engsten Mitarbeiter, ebenso die Gastgeber und die Öffentlichkeit. Diese Geste wurde weltweit als Bitte um Vergebung für die Kriegsverbrechen der Deutschen verstanden.

 

 

Colin Powell bedauert, dass er durch Fehlinformationen den Krieg in den Irak getragen hat

Der frühere amerikanische Außenminister Collin Powell hat im September 2005 seine Rede vor dem UN-Sicherheitsrat bedauert, in dem er im Februar 2003 dem Irak Massenvernichtungswaffen andichtete und so den Krieg wenige Wochen später möglich machte. Der Irak verfüge über mobile Biowaffenlabor, hatte er behauptet, und berief sich auf fragwürdige Dokumente des amerikanischen Geheimdienstes. Geheimdienstler wussten, dass die Quellen unbrauchbar waren. Auch viele andere Geheimdienstberichte waren falsch. Sie genutzt zu haben sei ein Schandfleck in seiner Karriere, sagte Powell im Fernsehsender ABC. Die Formulierungen seines Interviews lassen allerdings eher Selbstmitleid als echte Reue erkennen.  Auch der britische Ex-Premier Tony Blair hat sich wiederholt dafür entschuldigt, dass er Fehlinformationen zur Rechtfertigung des Krieges benutzt hat. Zuletzt tat er es im „Guardian“ Oktober 2015. Eine Formulierung wie „Es tut mir leid“ benutzte er dabei nicht, wohl aber äußerte Blair, es habe „Fehler in der Planung“ für die Zeit nach dem Saddam-Regime gegeben.

 

Die Grünen entschuldigen sich für ihre Pädophilie-Beschlüsse

In den 80er Jahre gab es mehrere Parteitagsbeschlüsse der Grünen, die Straffreiheit für „einvernehmlichen“ Sex zwischen Erwachsenen und Kindern forderten. Im November 2014 entschuldigte sich die Grünen-Chefin Simone Peter bei „allen Opfern sexuellen Missbrauchs“. Zuvor hatte der Göttinger Politologe Franz Walter die Pädophilie-Debatte der Grünen wissenschaftlich ausgewertet. Peter betonte in einer Pressekonferenz, die Grünen trügen „eine historische und moralische Verantwortung“ für diese Fehlentwicklung.

 

Hillary Clinton bittet wegen der E-Mail-Affaire um Entschuldigung

Die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat im September 2015 Fehler im Umgang mit dienstlichen E-Mails eingeräumt. „Es war ein Fehler. Es tut mir leid. Ich trage die Verantwortung dafür“, sagte sie in einem ABC-Interview. Insgesamt geht es um tausende dienstliche Nachrichten, die sie in ihrer Zeit als Außenministerin von 2009 bis 2013 über ihr privates E-Mail-Konto abwickelte. Darunter befanden sich etliche als geheim eingestufte Informationen. Inzwischen hat sie ihren Server und Kopien von Tausenden E-Mails an die Bundespolizei FBI und das Justizministerium übergeben.

 

Papst entschuldigt sich für die Mordbefehle an den Waldenser im 12. Jahrhundert

Papst Franziskus entschuldigte sich im Juni 2015 für die Aufforderung der Inquisition, Petrus Valdes und seine Anhänger und Gemeinden „auszutilgen“. Das hatte der damalige Papst im Jahr 1184 angeordnet. Valdes war ein reicher Kaufmann aus Lyon, der während einer Hungersnot viel für die Armen tat und die Bibel aus diesem Blickwinkel ganz neu las. Die Waldenser propagierten die Laienpredigt und lehnten Ablasshandel und Prunk ebenso ab wie Ämterkauf und Korruption. Auch Kaiser Friedrich Barbarossa hatte das Dekret unterschrieben. Regelrechte Kreuzzüge wurden gegen die Waldenser unternommen. Die Verfolgung wurde durch die päpstliche Bulle „Ad Extirpanda – zur Ausrottung“ 1252 vekräftigt.

 

Japans Premier Abe entschuldigt sich für die Kriegsverbrechen Japans

Japans rechtskonservativer Ministerpräsident Shinzo Abe hat sich im August 2015 zum 70. Jahrestages des Kriegsendes für die Aggressionen seines Landes entschuldigt. In dem gewundenen Text fallen Worte wie „tiefe Reue“ und „aufrichtige Entschuldigung“, allerdings als Zitate auf Erklärungen früherer Regierungen. Südkoreanische Politiker kritisierten den Ton und die Wortwahl der Erklärung. Abe habe es versäumt, sich direkt und klar zu entschuldigen. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur kommentierte die Rede als „verwässert“. Was in der Rede nicht direkt zum Ausdruck kommt: Im Krieg wurden vor allem Koreanerinnen zur Prostitution in japanischen Soldatenbordellen gezwungen. Hingegen fiel die Bemerkung Abes auf, dass die jungen und zukünftigen Generationen sich nicht ewig entschuldigen sollten.

 

US-Präsident Obama entschuldigt sich für Bombardierung einer Klinik in Kunduz

22 Menschen starben bei einem amerikanischen Luftangriff auf eine Klinik im nordafghanischen Kundus. Das Krankenhaus wurde von „Ärzte ohne Grenzen“ betrieben. US-Präsident Barack Obama rief Anfang August 2015 die Präsidentin der Ärzteorganisation an, um sich bei ihr zu entschuldigen und ihr sein Beileid ausgedrückt. So teilte es jedenfalls ein SDprecher des Weißen Hauses mit. Die Organisation bezeichnet das Bombardement als Kriegsverbrechen und fordert eine unabhängige Untersuchung, eine interne militärische komme nicht in Frage. Die Klinik bestand vier Jahre und war spezialisiert auf schwere Kriegsverletzungen. Nun ist sie nicht mehr funktionsfähig. Ärzte ohne Grenzen hat sich deshalb aus Kunduz zurückgezogen.
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...feststellen zu müssen, dass dieses "es tut mir leid" inzwischen inflationär gebraucht wird. Ich erinnere mich an TV-Filme, in denen das innert 45min mehrfach gebraucht wird und meist direkt nach der "Untat". Es wäre besser, vorher nachzudenken, ob man das tun/sagen soll, anstatt ggf. gleich ein "tut mir leid" hinterherzuwerfen.

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