Foto: Sophie Stieger
18.09.2013
21. Sonntag nach Trinitatis
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20. Oktober
...Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Das sagte ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde...
Johannes 15,9-17

An einem Vers dieses Abschnittes bleibe ich hängen, weil ich ihn am wenigsten ­verstehe: „Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde“, eine Freude, „die ­niemand von euch nehmen soll“ (Johannes 16,22). Was ist diese vollkommene Freude, von der die Autoren des Alten und des Neuen Testaments sprechen und die die Mystiker kennen?

„Mein Leib und meine Seele freuen sich in Gott“, singt der Psalmist (84,3). Als Frucht des Geistes beschreibt Paulus im Galaterbrief diese Freude. Meister Eckart spricht davon, dass Gott selber „erfreuet, ja durchfreuet“ werde, „denn da bleibt nichts in seinem Grunde das nicht durchkützelt wird von Freude“. Es ist offensichtlich nicht die Freude an diesem und jenem; an Erfolgen oder an Gewinn. Es ist nicht die Freude an, sondern die Freude in, eben „in Gott“, wie der Psalmist sagt. Diese Freude wird weder gestört noch gefördert durch die Ereignisse des Lebens. In einem ­meiner liebsten Lieder heißt es: „In dir ist Freude in allem Leide, o du süsser Jesu Christ.“ Das Leid verringert diese Freude nicht, und das äussere Glück erhöht sie nicht.

Im Leid ist die Freude und in der Freude das Leid

Kann man sich so in Gott verlieren, dass die Freude vollkommen ist und nicht beeinträchtigt wird durch den normalen Gang des Lebens? Soll man das überhaupt? Werden damit nicht das Leid und das weltliche Glück unwichtig? Was sagt der Gedanke von der vollkommenen Freude der Frau, die gerade ihr einziges Kind begraben musste? Wenn mit diesem Gedanken das Leiden entwichtigt wird, landet man im Zynismus. Das Kirchenlied behauptet aber nicht, dass Leiden nichts mehr bedeutet. Es heißt: „In dir ist Freude in allem Leide.“  Ich muss es ja nicht verstehen, aber ich kann mich sehnen nach einer Geborgenheit in Gott; nach einer Ungestörtheit der Seele, die „in allem Leide“ nicht aus der Freude in Gott fällt.

Ich weiß nicht, ob ich sie je erlebt habe, ich glaube es nicht. Aber ich kann schon ­einen Reichtum ahnen, der noch nicht ­meiner ist. Man kann dieses Erbe der Tradition schätzen, auch wenn man selbst nicht genau weiß, wie man damit umgehen soll.

"Wahre Freude: Wenn ich gedemütigt werde", sagt Franz von Assisi

Eine Figur, in der Freude und Leid nicht mehr getrennt sind, ist Franz von Assisi. Dies wird von ihm erzählt: Eines Tages rief Franziskus Bruder Leo und sprach: „Bruder Leo, schreibe . . . was die wahre Freude ist! Es kommt ein Bote und sagt, dass alle Magister von Paris zum Orden gekommen sind. Schreibe: das ist nicht die wahre Freude. Ebenso alle Prälaten jenseits der Alpen, die Erzbischöfe und ­Bischöfe; ebenso der König von Frankreich und der König von England. Das ist nicht die wahre Freude. Ebenso, dass meine Brüder zu Ungläubigen gegangen sind und sie zum Glauben bekehrt haben; ebenso, dass ich von Gott solche große Gnade erhalten habe, dass ich Kranke heile und viele Wunder wirke. Ich sage dir, dass in dem allen nicht die wahre Freude ist.“

Was ist die wahre Freude? Franz gibt ein Beispiel: Wenn er gedemütigt würde; wenn man ihn ins eigene Kloster nicht mehr aufnähme; wenn er als einfältiger Dummkopf beschimpft würde; wenn er in diesem allen die Geduld behielte, dann hätte er darin die wahre Freude gefunden. Franziskus empfiehlt nicht, sich demütigen zu lassen, um die wahre Freude zu finden. Aber sein Beispiel sagt: Keine Erfolge ­haben etwas mit der wahren Freude zu tun, und keine Kränkungen des Lebens zerstören diese Freude. Er sagt es wie das Lied: „In dir ist Freude in allem Leide.“

Verstehe ich diesen großen Heiligen? Nein! Wage ich deswegen, seine Geschichte abzulehnen? Nein, denn es gibt mehr, als mein karges Herz versteht.

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