Fulbert Steffensky, Theologe am Vierwaldstättersee in Luzern fotografiert.Sophie Stieger
29.04.2011
Jubilate
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
1. Johannes 5,1-4

Wenn ich einen Gottesdienst besuche, habe ich es mit dem Glauben relativ leicht. Ich bette mich in die großen alten Versprechen der Psalmen, der Lieder und des Evangeliums und erlaube mir, keine Zeit auf die Frage zu verschwenden, wie wahr die Wahrheiten sind, die dort gebetet, gesungen und gepredigt werden. Es singen, beten und hören so viele mit; es haben diese Psalmen vor mir so viele meiner Toten gesungen und gebetet.

Die Stimme der Lebenden und der Toten sind Zeugen der Wahrheit der alten Versprechen. Vielleicht geben sie den Versprechen gelegentlich mehr Wahrheit, als sie haben. Nein, ich bin nicht unkritisch ihnen gegenüber, und wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, ist der Zweifel an ihnen nicht ganz zu vertreiben.

Er ist der Schatten meines Glaubens, ohne den dieser mir zu bedenkenlos wäre. Wer, der sich in der Welt umsieht, die nach dem Johannesevangelium durch den Glauben schon besiegt ist, zögert nicht und sieht sich so oft vergeblich nach diesen Siegen
um? Wer spricht den Satz vom Sieg des Glaubens nicht manchmal mit grimmigem Humor angesichts der so wenig überwundenen Welt um uns und in uns?

Prediger sind kleine Leute in viel zu großen Schuhen

Aber, wie gesagt, wenn ich in den Gottesdienst gehe, halte ich mich nicht gerne mit meiner Skepsis auf. Ich schütte das Fragment meines Glaubens in den Strom der Glaubensfragmente meiner lebenden und toten Geschwister und bekomme mehr
Stimme, als ich allein haben könnte. Meine Ohren glauben die alten Versprechen deutlicher, als das Herz sie glauben kann. Das macht nichts. Wir sind zum Glück ja nicht nur mit unseren Herzen fromm, sondern auch mit unseren Ohren, die den alten Texten
ein Gastrecht einräumen. Wir sind fromm mit unserem Mund, wenn wir, wie für diesen Jubilate-Sonntag vorgeschlagen, singen: „Er ist der Erst, der stark und fest all unsre Feind hat bezwungen.“

Man muss nicht authentisch sein, wenn man glaubt. Die Kirche ist auch eine Glaubensverleihanstalt, man schmuggelt sich dort in den Glauben der lebenden und toten Geschwister ein. Viel schwieriger finde ich es, auf der Kanzel zu stehen und den
Glauben zu predigen.

Die Predigenden sind kleine Leute, die in zu großen Schuhen gehen. Sie haben ihren kleinen Glauben und gelegentlich auch ihre großen Zweifel und sollen von der Ganzheit des Lebens erzählen. Sie sollen sagen, dass die Glaubenden
von Gott geboren sind, wie es in diesem Johannestext heißt – welche ungeheure Aussagen! Sie sollen sagen, dass der Glaube der Sieg über die Welt ist – welch großes Wort im kleinen Mund!

Das dauernde Reden macht die Worte geläufig

Ich habe immer Mitleid mit den Predigenden, die Lieder singen, für die ihre eigene Stimme zu schwach ist. Kein Mitleid habe ich da, wo die Predigenden nicht mehr erschrecken vor dem, was sie sagen, oder wo sie die Demut verlieren vor der nicht zu lösenden und nicht aufzugebenden Aufgabe, den Armen das Evangelium zu verkünden. Die Gefahr dieses Berufes ist, dass man gar nicht mehr merkt, dass man nicht glaubt oder dass der eigene Glaube karg ist. Das dauernde Reden der hehren Worte hat diese geläufig gemacht. Es könnte eine Redewelt entstehen, in der die Worte ihre Gültigkeit haben, weil sie dauernd gesprochen werden, weniger darin, dass sie geglaubt werden. Es besteht die Gefahr, dass man eher an die Worte glaubt als an Gott. Auch das ist ja eine Form des Unglaubens. Die Wirklichkeit hat es gelegentlich schwer, erkennbar zu werden unter dem Horizont der immer schon beredeten Welt.

Vielleicht sollte man erst predigen, wenn man sich seines Unglaubens so sicher ist wie seines Glaubens.

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