Fulbert Steffensky, Theologe am Vierwaldstättersee in Luzern fotografiert.Sophie Stieger
20.10.2010
Kantate
Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?" Sie sprachen: "Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!
Apostelgeschichte 16,30

Eine erfolgreiche Missionsgeschichte wird hier erzählt: Paulus und Silas gelangen durch ein Wunder aus dem Gefängnis. Und der Gefängnisaufseher fragt den Apostel und seinen Gefährten, was er tun müsse, dass er gerettet werde ­ eine Einladung zur Mission.

Was ist Mission? "Glauben leben. Horizonte öffnen" lautet der Wahlspruch vom Missionszentrum meiner Landeskirche. "Horizonte öffnen" ist die Aufgabe, den Blick der Kirche zu weiten. "Glauben leben" ist die Bewegung der Kirche nach außen: Mission als gewaltlose und ressentimentlose Werbung für die Schönheit eines Lebenskonzepts. Ich werbe für den Glauben, indem ich ihn lebe und indem ich ihn erkläre. Eine andere Werbung gibt es nicht. Wenn ich etwas liebe, wenn ich an etwas glaube, dann liegt es im Wesen dieser Liebe und dieses Glaubens, dass ich sie öffentlich zeige. Man gibt sich ein Gesicht, man identifiziert sich und erfährt, wer man ist, indem man zeigt, wer man ist, zu welchen Texten und Traditionen man sich bekennt.

Mission heißt nicht, darauf aus sein, dass alle anderen unseren Glaubensweg gehen. Es gibt andere Wege des Geistes und andere Dialekte der Hoffnung als unsere eigenen. Wir Christen haben es nötig, dass wir öffentlich werden; dass dieses Christentum nicht in seinem Winkel bleibt, weil wir uns nur wirklich aneignen, was wir öffentlich machen und zeigen. Die anderen Religionen haben es nötig, dass wir uns zeigen; denn sie werden sich selber deutlich und gewinnen Kontur an der fremden Kontur, wie wir Kontur gewinnen an der Wahrnehmung der anderen. Die alte Gefahr des Christentums war die Arroganz der Einzigartigkeit: Ohne uns gibt es kein Heil und keine Rettung. Die neue Gefahr der Kirche könnte die Undeutlichkeit sein, die Selbstverbergung, der Unwillen, sich zu zeigen. Ich wünsche uns den Stolz auf unsere eigenen Schätze und Traditionen. Ich wünsche uns die Gewissheit des Glaubens. Und ich wünsche uns, dass wir charmant finden, woran wir glauben. Dann werden wir heil, und dann werden andere an uns heil. Vielleicht brauchen gerade junge Menschen in unserem Land nichts dringender als dies: Dass sich Menschen und Institutionen ihnen zeigen; dass ihr Gesicht und ihre Lebenskontur erkennbar werden. Lehren heißt, zeigen, was man liebt. Missionieren heißt, zeigen, was man liebt und woran man glaubt.

Die andere Absichtserklärung im Motto des Missionswerkes: Horizonte öffnen! Wer keine Heimat hat, verzweifelt. Wer nicht mehr als seine Heimat hat, verblödet. Wer nur sich selber kennt, verdummt. Darum die Läden aufgestoßen, die Fenster geöffnet zu anderen Welten! Horizonte öffnen heißt nicht nur andere Lebensauffassungen und Glaubenswege wahrnehmen und kennen lernen. Es heißt auch andere nicht im Stich lassen. Toleranz heißt lassen und nicht im Stich lassen. Mission ist die Stelle, wo die Fenster aufgestoßen und Horizonte der Kirche geöffnet werden. So nehmen wir mehr wahr als uns selber: El Salvador, Namibia und die Philippinen. Schön, eine Kirche, die nicht nur in den eigenen Horizonten gefangen ist! Das nimmt ihr die provinzielle Enge, und es lässt sie in mehr beheimatet sein als in der Dumpfheit des eigenen Ortes. Wir wollen die Welt nicht mit unserem Christentum besetzen, wir wollen sie umspielen. Gelegentlich treten Fremde in unser Spiel ein und fangen an, unsere Sprache zu sprechen. Wir können nicht verhehlen, dass uns das klammheimlich freut.