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Zwei Bibelverse seien für ihn wie ein Kompass, sagt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Ministerpräsident Reiner HaseloffViktoria Kuehne
10.02.2021
"Seit Erschaffung der Welt wird nämlich seine ­unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit" (Römer 1,20)

Nicht selten wird das Leben mit einer Schiffsreise verglichen. Es gibt Herkunft und Ziel, raue und schöne Tage. Besonders wichtig ist nicht nur bei Nacht oder im Sturm der Kompass. Er führt in Momenten der Un­sicherheit wieder in die richtige Richtung.

Für mich ist es faszinierend, dass Bibelworte genau diese Funktion eines Kompasses erfüllen können. Im wahrsten Sinne des Wortes geben sie dem Menschen ­Orientierung. Das ist immer dann wichtiger als in anderen Zeiten, wenn ganze Gesellschaften in falsche Richtungen drängen und immer noch weiter gedrängt werden. 

Ministerpräsident Reiner HaseloffViktoria Kuehne

Ministerpräsident Reiner Haseloff

Reiner Haseloff, 66, geboren in Bülzig, ist seit 2011 Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Seit 2016 ist er Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Zwei Verse aus dem Neuen Testament haben mich ein Leben lang geprägt. Der erste: "Jesus sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!" (Markus 1, 15).

Der sozialistische Staat, in dem ich bis 1989 gelebt habe, hat versucht, den christlichen Glauben als etwas Vergangenes darzustellen. Die Zeit der Kirche sei abgelaufen, hieß es. Man glaubte, die Welt umgestalten und dadurch dem vermeintlich Guten zum Durchbruch verhelfen zu können – im Sinne der elften Feuerbach-These von Karl Marx: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern!" 

Vernunft und Glaube gehören zusammen

Die Botschaft Jesu fordert jedoch den verantwortlichen, zum Sinneswandel bereiten Menschen und verkündet die Nähe von Gottes Reich. Sie macht zu jeder Zeit Hoffnung, dass man von Irrwegen auch wieder umkehren kann. Die Feuerbach-These besagt: Durch Veränderung des Gesellschaftssystems entsteht ein neuer Mensch, der das Paradies auf Erden schafft. Jesus lehrt: Wenn du nicht bei dir anfängst umzukehren, wird sich die Welt nicht ändern.

Es gehört zu den großen Verführungen unserer Zeit, Vernunft und Glaube voneinander zu trennen. Im Handumdrehen wird der vernünftige Mensch zu einem glaubenslosen Menschen erklärt. Der Glaube soll in eine Welt abgedrängt werden, die erst jenseits der Vernunft beginnt.

Dem hat aber bereits Paulus in seinem Römerbrief klar widersprochen – mit dem zweiten Vers, der mich geprägt hat: "Seit Erschaffung der Welt wird nämlich seine ­unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit" (Römer 1,20, Einheitsübersetzung). In den ­Werken der Schöpfung sei die unsichtbare Wirklichkeit Gottes mittels der Vernunft wahrnehmbar. Das war mir als Naturwissenschaftler immer wichtig: Vernunft und Glaube sind keine Gegensätze, sondern die beiden Widerlager der Brücke, über die sich unsere menschliche Erkenntnis tastet. 

Unsere Ziele müssen der Wirklichkeit standhalten

Auch für die Politik ist dieser Gedanke von Bedeutung. Auch hier ist am Ende entscheidend, ob unsere Ziele, Vorstellungen und Programme der Wirklichkeit und vor dem Wesen der Schöpfung standhalten. Die Wirklichkeit ihres Ursprungs und die Schöpfung ihres Schöpfers zu berauben, führt zu Fehlurteilen. Davor wohl hat Papst Benedikt XVI. in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag 2011 gewarnt: "Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden. Diese Erkenntnisse der Vernunft bilden unser kulturelles Gedächtnis. Es zu ignorieren oder als bloße Vergangenheit zu betrachten, wäre eine Amputation unserer Kultur insgesamt und würde sie ihrer Ganzheit berauben."

Wohl erst aus einem wirklichen Miteinander von ­Glaube und Vernunft erwächst menschliches Denken, lassen sich Welt, Mensch und Gott verstehen. Wir sollten dieses Miteinander, wie es sich auch in der Gemeinschaft natur- und geisteswissenschaftlicher Fakultäten an unseren Universitäten ausdrückt, weiter pflegen. Ich sehe darin eine ­Voraussetzung dafür, dass wir unser Schiff, um im Bilde vom Anfang zu bleiben, auch künftig selbst durch Stürme sicher führen. Dafür nämlich braucht es einen klaren Kompass und vernünftige Entscheidungen.

Bibelzitat

"Jesus sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!" (Markus 1, 15).

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