Christoph Johannes MarkschiesThomas Meyer/OSTKREUZ
27.08.2012
14. Sonntag nach Trinitatis
Denn unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit.
1. Thessalonicher 1,2-10

Manchmal verlasse ich sonntags die Kirche und bin nicht wirklich glücklich. Ich fühle mich nicht angesprochen durch den Gottesdienst, auch nicht auf meine schlechten Seiten, und bin schon gar nicht getröstet worden. Was der Pfarrer oder die Pfarrerin sagte, wirkte irgendwie kraftlos. Es erreichte weder Herz noch Verstand oder Sinne. Es hat nichts und niemanden in Bewegung gesetzt. Akademische Richtigkeiten, bemühte persönliche Einsichten.

Gelegentlich bin ich selbst der Pfarrer, mit dem ich so unzufrieden bin. Mir ist nichts Rechtes eingefallen. Wohl habe ich mich einige Tage mit den kraftvollen bib­lischen Texten abgemüht, aber banal und schwach ist, was ich selbst zuwege gebracht habe.

In Thessaloniki, im Norden Griechenlands, wurde Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts offenbar ganz anders gepredigt. Der Apostel Paulus trat nach seiner eigenen Aussage dort nicht schwach und banal auf, so sagt er es jedenfalls in seiner Danksagung zu Beginn des ersten Briefes an die Thessalonicher: „Unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit. Ihr wisst ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen.“

So von sich überzeugt appelliert nur jemand an die Erinnerungen von anderen, wenn er sich seiner Wirkung ziemlich ­sicher ist. Paulus hat in dieser Gemeinde so gepredigt, dass man dort den Eindruck einer Verkündigung gewinnen konnte, die die Gewissheit über den Inhalt der Verkündigung befestigte – traditioneller formuliert: die Glauben weckte.

Leider wissen wir nicht, wie gut oder schlecht Paulus predigte.

Bevor allzu viel Neid auf die kraftvolle Verkündigung des leidenschaftlichen Theo­logen und großen Völkerapostels aufkommt, muss man daran erinnern, dass auch ganz andere Informationen über seine Predigtweise erhalten sind: Wenige Jahre nach diesen Zeilen aus dem ersten Thessalonicherbrief musste sich Paulus im zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth gegen den Vorwurf verteidigen, dass seine Briefe zwar schwer wiegen und stark sind, „aber wenn er selbst anwesend ist, ist er schwach und seine Rede kläglich“ (10,10).

Wie war das nun? Was stimmt? Findet sich im zweiten Korintherbrief nur gehässige Polemik gegen einen starken Verkündiger des Wortes Gottes, oder haben wir es im ersten Thessalonicherbrief doch mit einem etwas durchsichtigen Eigenlob im Modus des Dankes an eine Gemeinde zu tun? Leider wissen wir nicht mehr, wie gut oder schlecht Paulus predigte.

Aber darauf kommt es letztendlich auch gar nicht an: Im ersten Brief an die Korinther hat der Apostel sehr präzise beschrieben, dass die Kraft oder Schwäche derer, die verkündigen, kategorial von der Kraft der Botschaft, die sie verkündigen, zu unter­scheiden ist. Das Wort vom Kreuz, so schreibt er dort, rettet die, die daran glauben, auch wenn alle Welt das für eine ziemlich törichte Botschaft halten sollte (1,18) – und, so darf man hinzufügen, manche, die es weitergeben, auch schwache Stunden haben.

Das Evangelium ist stärkerals seine schwachen Zeugen.

Das soll keine theologisch verbrämte Entschuldigung sein, wenn sich Menschen keine Mühe mit dem Evangelium machen, sondern ein tröstlicher Hinweis darauf, dass das Evangelium stärker ist als seine schwachen Zeuginnen und Zeugen.

Auch wenn ich mit meiner Predigt am Sonntag nicht wirklich glücklich war, sagen trotzdem Besucherinnen und Besucher am Ausgang „Danke“. Wahrscheinlich haben ihnen die Lieder etwas gesagt. Oder sie haben sich an den Lesungen erfreut. Oder in einem stillen Moment zu sich gefunden. Darüber bin ich dann ziemlich dankbar. Außerdem macht es mir Mut, mir beim nächsten Mal wieder ordentlich Mühe zu geben. Vielleicht ging es Paulus ja gar nicht so anders.

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