Christoph Johannes Markschies
Christoph Johannes Markschies
Thomas Meyer/OSTKREUZ
Christoph Johannes MarkschiesThomas Meyer/OSTKREUZ
18.01.2015
2. Sonntag nach Epiphanias
Am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit ­geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben ­keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht’s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! . . .
Johannes 2,1–11

„Fünf sind geladen, zehn sind gekommen: Gieß Wasser zur Suppe, heiß alle willkommen“. Dieser Spruch steht, säuberlich mit rotem Garn gestickt, auf einem weißen Tuch aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, das seit Jahren in der Küche hängt. Es hängt, weil ich es als ein Zeichen von Gelassenheit aus Zeiten nehme, in denen eigentlich von Frauen ganz selbstverständlich erwartet wurde, stets die perfekten Gastgeberinnen zu sein und von Gelassenheit im Haushalt vermutlich wenig zu spüren war – und trotzdem wusste man offenbar selbst in diesen längst vergangenen Zeiten: Wenn eine überraschend große Menge von Menschen plötzlich zu Besuch kommt, geht es nicht anders als zu improvisieren.

Auf den ersten Blick geht es bei der Geschichte von der Hochzeit in Kana um genau dieses Problem. Es sind unerwartet viele Gäste da, gemessen daran, was zum Trinken bereitsteht. Heiter sind die Verantwortlichen in einer solchen Situation nicht, denn Hochzeiten sind im Orient riesige Feste, kaum vergleichbar mit dem, was man in unseren Breiten feiert. Ungeheure Mengen von Menschen, Verwandte und Freunde, werden eingeladen. In Ägypten wird dann beispielsweise bis heute gern die Straße gesperrt und ein Zelt aus Teppichen aufgebaut, weil kein Raum sonst die Menschenmengen zu fassen vermag. Traditionell lässt sich der Brautvater in einer solchen Situation nicht lumpen. Es darf auch bei einer Hochzeit mit so vielen Gästen an nichts fehlen, wenn man nicht zum Gespött der anderen werden will.

In Kana in Galiläa kommt es zu dem, was alle zu erleben fürchten. Der Wein ist plötzlich alle. Man ahnt, mit welcher Verzweiflung die Mutter Jesu ihren Sohn über diese Tatsache informiert und um Hilfe bittet. Der reagiert so, wie uns Jesus von Nazareth im Umgang mit seiner Familie auch an anderen Stellen in den Evangelien beschrieben wird: schroff, ohne Interesse an der Verwandtschaft.
Als Wundermann, der eine schlecht ­geplante Hochzeitsfeier rettet, steht er – so lässt er seine Mutter rüde wissen – nicht zur Verfügung.

Freilich nimmt er die Hochzeit dann doch noch zum Anlass, ein Zeichen zu tun. Ein Zeichen, das die Feier rettet. Plötzlich sind sechs Krüge Wein da. Jesus von Nazareth ermöglicht mit diesem Zeichen einen Festabend lang einen kurzen Blick auf eine Welt ohne Mangel und vor allem ohne Angst, dass es nicht reicht. Er ermöglicht einen Blick auf das Gottesreich. Im Zeichen Jesu scheint eine göttliche Welt auf, in der irdische Begrenzungen überwunden sind, ja selbst der Tod nicht mehr schreckt. Im Handeln Jesu strahlt auf, dass es in diesem Reich zugehen wird wie bei einem großen Gastmahl, bei dem Essen und Trinken niemals ausgehen werden.

Was hat das aber nun mit mir zu tun? Ich bin eigentlich kein sehr gelassener Gastgeber und bin es schon gar nicht in dem Augenblick, in dem die Vorräte zur Neige gehen. Aber die biblische Geschichte von der Hochzeit zu Kana erinnert mich daran, dass es vielleicht doch noch Grund für Hoffnung und damit für Gelassenheit gibt – Hoffnung beispielsweise darauf, dass ich meine Gäste nicht ängstlich zur Türe heraus komplimentiere, wenn der feine italienische Rotwein alle ist, sondern vielmehr auch den verspäteten Gästen die Türe öffne und wir alle mit billigem Wein aus dem Supermarkt anstoßen.

Die Erfahrung lehrt, dass dann auch der billige Wein überraschend gut schmecken kann. Und diese Erfahrung kann gelassen machen. Schließlich fängt das Gottesreich ja auch noch heute immer wieder einmal zeichenhaft mitten unter uns an.

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