tobias graßmann
Die Generation-Greta ist eher säkular unterwegs
Eine beliebte Strategie, um die Klima-Bewegung ins Abseits zu stellen, besteht darin, sie als „Klima-Religion“ zu bezeichnen. Neuerdings machen dabei auch Theologen mit. Das ist befremdlich.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
20.01.2023

Die Kritiker der Klima-Bewegung machen es sich gern leicht. So bedienen sie sich wieder und wieder derselben polemischen Klischees – gern ohne konkrete Belege. Zum Beispiel: „Klima-Religion“. Keiner hat dies je genauer begründet oder beschrieben. Keiner scheint sich zu schämen, dass er es einfach abschreibt oder weitersagt. Dabei bräuchte es dafür eine „religionshermeneutische Kompetenz“, wie man in der Fachwelt sagt – also die Fähigkeit, säkulare Phänomene religiös zu deuten. Das ist gar nicht so leicht.

Zur Klima-Bewegung lässt sich vieles sagen. Aber was ist hier religiös? Ich sehe nicht, dass irgendeine ihrer Leitfiguren sich einer religiösen Sprache bediente oder dass irgendeine ihrer Teilgruppen eine religiöse Praxis pflegte. Zwar kenne ich einzelne Aktivistinnen, die sich und ihr Engagement auch christlich verstehen, aber von der Klimabewegung insgesamt lässt sich das kaum behaupten.

Man vergleiche sie nur mit der Umweltbewegung der 1980er Jahre und den Protest-Andachten vor Atomkraftwerken (mit Pastoren im Talar). Oder mit indigenen Protesten gegen die Verletzung ihrer heiligen Orte heute. Da sieht man religiöse Praktiken (rituelle Grüße, Tänze und Gesänge, Aufrichten von Altären) und begegnet einem auch religiösen Selbstverständnis. Dagegen wirkt die „Generation Greta“ doch sehr säkular.

Die Rede von der „Klima-Religion“ ist deshalb bloß eine polemische Figur. Der Umstand, dass die Klima-Proteste ihre Energie aus wissenschaftlichen Einsichten gewinnen, soll in Zweifel gezogen werden. Sie sollen als irrationale Aufwallungen gebrandmarkt werden. So meinen die Kritiker der Klima-Bewegung, sich selbst als die eigentlich Vernünftigen ausweisen zu können. Obwohl doch gerade sie klima-wissenschaftliche Erkenntnisse und Berechnungen lieber nicht zu nah an sich herankommen lassen.

Bedenklich ist nun, dass einige wenige, dafür aber laut- und meinungsstarke Theologen (in diesem Fall muss man nicht gendern) ebenfalls in dieses Horn stoßen: Klima-Bewegung als Klima-Religion (natürlich: „sektenhaft“ und „apokalyptisch“). Religionshermeneutische Begründungen liefern sie nicht. Aber ist es nicht immer schlecht, wenn Theologen das nachplappern, was gerade irgendwo Mode ist, nur um Anschluss zu finden oder in den Medien Gehör zu finden? Was ist von Theologen zu halten, die von „Religion“ nur polemisch sprechen können?  Ist es nicht ermüdend, wenn Theologen ihre Meinungen als die „richtige Theologie“ vorstellen, die anderen als Richtschnur dienen soll – weil alles andere eben „falsche Religion“ ist? Und schließlich: Merken sie nicht selbst, dass jeder merkt, dass die unsinnige Rede von der „Klima-Religion“ nur dazu dienen soll, kirchliches Engagement für eine gute Klima-Politik in Misskredit zu bringen?

Was eine gute Klima-Politik sein kann, ist natürlich gar nicht einfach zu sagen. So wie es eine offene Frage bleibt, welche Protestformen ihr dienen. Oder welche Akte zivilen Ungehorsams dem Anliegen angemessen wären. Oder welche symbolischen Zeichenhandlungen politisch wirksam werden könnten. Oder wo der Protest Grenzen überschreitet und ins Illegitime kippt. Nur, um dieses auch kritisch zu diskutieren, müsste man zunächst Thema und Anliegen der Klima-Bewegung ernst nehmen und sollte es nicht als „falsche Religion“ vom Tisch fegen. Dazu aber müsste man als älterer Theologieprofessor den jungen Leuten erst einmal vorurteilsfrei zuhören.

P.S.: Das Foto oben wurde in den vergangenen Tag fleißig geteilt. Der Tweet dazu ist lustig. Aber er ist auch unbefriedigend, weil er nicht zu sagen weiß, wer der Herr in der Kutte ist und ob er sich tatsächlich für Martin Luther hält. Niemand kennt ihn. Wie das in der freien Wildbahn des Internets so ist: Ein Bild löst unmittelbare Reaktionen aus, da wird gelacht, geliket und geteilt, doch worum es in Wirklichkeit geht, ist nicht so wichtig.

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"Ich sehe was, das Du nicht siehst". Ist doch ganz einfach. Religion ist eine irrationale Erwartung für einen unbegreiflichen Zustand in einer unbekannten Umgebung mit unendlicher Dauer. Politik ist dagegen die Verwaltung der Gegenwart mit einer Vorsorge für eine Gegenwartserwartung. Mit Ideologien wird die Konstruktion von unterschiedlichen Zukünften versucht, in denen alle menschlichen und technischen Hindernisse als nicht vorhanden vorausgesetzt werden. Dazwischen ist eine Spielwiese für alle denkbaren Erwartungen, die nie bewiesen werden können. Doch alles ganz einfach!

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KLIMA UND UMWELT SCHÜTZEN

Fridays for Future and everyday,
for earth and mankind the only way.
Wir sollten uns Sorgen machen,
und nicht über Greta lachen.

Die Klimakonferenzen vergeigt,
wärmer wird's, der Meeresspiegel steigt.
Das Eis wird dünner an den Polen,
ganzjährig Wetterkapriolen.
Raubbau, Waldfrevel und Plastikflut,
uns'rer Mutter Erde geht's nicht gut.

Da heißt es handeln, nicht nur reden,
wir haben nur diesen Planeten.
Was nützt unser Wohlstand, alles Geld,
wenn am Ende kollabiert die Welt.
Der Mensch, der lernte aufrecht zu geh'n,
muss lernen, der Erde beizusteh'n.

Die Jagd nach ewigem Wachstum
bringt letztlich den Planeten um.
Das oberste Gebot der Zeit
muss heißen Nachhaltigkeit.
Statt nur nach Profit zu streben,
im Einklang mit der Natur leben.

Zu viele Buchen und Eichen
mussten schon der Kohle weichen.
Retten wir den herrlichen Wald,
bewahren die Artenvielfalt.
Kämpfen wir für Mutter Erde,
dass sie nicht zur Wüste werde.

Rainer Kirmse , Altenburg

Herzliche Grüße aus Thüringen

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Schon recht, Klimakampf ist keine Religion. Dafür sind ursprünglich Ziele und Zielgebiete zu unterschiedlich. Aber was nicht gefällt, als Polemik zu diskreditieren, ist einfach. Auch ein Recht muss nicht leise sein.  Etwas präzis auf den Punkt bringen, ist nicht falsch. Religionen haben häufig utopische Ansprüche (alle Menschen sind Brüder) für das Diesseits. Das Jenseits ist ohne ähnliche Erwartungen nicht denkbar. Die Klima-Kleber haben diesen Anspruch nur für das Diesseits. Beide haben in diesem Fall identische Ziele. So gross ist der Unterschied nicht. Für Atheisten sowieso nicht. Für die wird ja auch gekämpft. Es gilt für alle das Wunschbild von einem zukünftigen  Idealzustand einer fortschrittlichen Gemeinschaft. Ob hier oder oben, oder sowohlalsauch ist eine Frage der persönlichen Perspektive

Antwort auf von Ockenga (nicht registriert)

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Jetzt wird es spannend. Als was spricht denn nun die EKD im Fall des Klimas? Als Religion, als Kirche, als eine parteische Organisation? Wofür wird den nun die KIST bezahlt? Für Politik (war von 33 - 45), Gesellschaftsformen, Revolutionen der UNI München (H. Vogt) oder auch für Religion und christliche Werte? Und welcher "Ungläubige" soll denn da noch, um missioniert zu werden, durchblicken?

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