Messerspitze mit einer Trillerpfeife
Lisa Rienermann
Von Spitzeln und Whistleblowern
War Judas ein Verräter?
Nein. Es ist Zeit verbal abzurüsten und antisemitischen Legenden den Boden zu entziehen
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
15.03.2022
3Min
Geldgier, Heimtücke, Falschheit, Verrat: Was hat man dem Judas ­alles nachgesagt! Der Judaskuss wurde sprichwörtlich: Der Verräter wirft sich Jesus an den Hals, heuchelt ein letztes Mal Zuneigung – ein Gefühl, zu dem er gar nicht fähig ist. Dabei hat er die feindlichen Schergen selbst hergeführt. Für ein paar ­Silberlinge händigt er den friedlichsten aller Menschen den Mördern aus.
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Wie kann Judas ein Verräter sein, wenn er doch nur unvermeidlich die Vorhersagen bzw. den Willen "Des Vaters" erfüllt hat. Ohne diesen Judas müßte es ja dann einen anderen geben. Gibt es keinen, gibt es auch keinen Verrat, kein Kreuzigung...... Das wäre dann auch das Ende der Geschichte und "ROM" wäre arbeitslos. Oder kommt jetzt wieder als gewundene Erklärung eine Formulierung, die viel sagt und nichts logisch und verständlich erklärt?

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Sehr geehrte Damen und Herrn,
der Artikel „War Judas ein Verräter?“, der eine Religionsinformation für Neugierige sein soll, hat mich zum Widerspruch angeregt. Was sollen Neugierige über die religiöse Aussage der Judas-Geschichte erkennen? Nach Ihrem Text ist Judas immer noch der Böse, der Verräter, der zum Tode Jesu beigetragen hat. So haben ja Mathäus und Johannes auch schon geschrieben: Judas war der Sündenbock.

Ich war lange Zeit Religionslehrer und habe einmal für den Unterricht „20 fiktive Worte biblischer Personen“ formuliert. Darin habe ich auch einen Abschnitt über Judas geschrieben:

19 Abschiedsbrief des JUDAS ISKARIOT
Mein Leben ist sinnlos geworden und ich werde es beenden. Ich habe etwas Gutes gewollt, aber nur Unglück verbreitet.
Freudig bin ich Jesus gefolgt und habe an ihn geglaubt. Er war für mich der erwartete Messias, der die sündhafte Welt in sein himmlisches Reich führen wollte. Immer wieder habe ich darauf gewartet, dass er sich auflehnt gegen die Herrschaft der Römer, gegen die scheinheiligen Pharisäer und die engstirnigen Schriftgelehrten. Aber er hat immer nachgegeben, geschlichtet, um gegenseitiges Verständnis geworben.
Spätestens als wir nach Jerusalem kamen habe ich gemerkt, dass sich eine Stimmung gegen ihn formierte. Da habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich vermutete, Jesus würde wieder leidend alles über sich ergehen lassen und nichts tun. Da musste ich etwas tun, um ihn zu zwingen, endlich seine wahre Bestimmung zu zeigen und sein Reich zu errichten. Wenn es auf Leben und Tod geht musste er sich doch entscheiden. So habe ich dem Hohen Rat einen Tip gegeben, wo man Jesus treffen konnte. Gethsemane sollte der entscheidende Wendepunkt werden.
Und er ist es auch leider geworden. Jesus ist seinen Weg konsequent weiter gegangen – bis in den Tod. Alles war umsonst, meine Jüngerschaft, mein Glaube und meine Hoffnung. Ich habe sogar noch seinen Tod ermöglicht.
So kann ich nicht weiter leben, mein verpfuschtes Leben hat keinen Sinn mehr.

Dieser Text sollte nicht nur die Schüler über die Aussagen, die der Text macht, nachgenken lassen.
Ist Judas nicht der Mensch, der an seinem Glauben zerbricht? Der, der sich immer wieder fragt, warum Gott so viel Ungerechtigkeit und Not mit ansieht, ohne etwas zu tun. Der Mensch, der an seinem Glauben irre wird bis hin zur Gottesleugnung.
Jesu Jünger sind beim Tod ihres Meisters enttäuscht und verstecken sich, um selbst nicht der Mittäterschaft beschuldigt zu weden. Allein Judas handelt, er will ein Zeichen, er will Gott zwingen, auch zu handeln. Aber das geschieht nicht.
Dies ist eines der Grundprobleme des Christentums, was nicht nur Judas betrifft, sondern auch uns heute. Wie können wir an einen Gott glauben, der auf unsere Nöte und Gebete nicht reagiert? Wir wenden uns entweder von Gott ab – oder wir vertrauen weiter auf den Erlösungstod Jesu.

Soviel zu meinen Überlegungen zum Thema Judas. Ich kann Judas nicht als den Verräter, den Bösewicht, den Gottesmörder ansehen.

Mit freundlichen Grüßen
Hansjürgen Schmidt-Rhaesa

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Guten Tag,

der Text offenbart ein eigentümliches Demokratieverständnis. Es ist keineswegs richtig, dass Abgeordnete der Sache "treu" sein sollen, für die eine Mehrheit sie gewählt hat.

Der Abgeordnete als Träger des freien Mandats ist nämlich an keine Aufträge der Wähler, seiner Partei oder seiner Fraktion gebunden, sondern nur an sein Gewissen. Sonst hätten die Abgeordneten nämlich imperative Mandate.

MfG

Das Demokratieverständnis, das hier zum Ausdruck kommt, ist keineswegs eigentümlich. Es ist das landläufige und erwünschte. Der Bürger soll sich den Kopf vollklatschen mit lauter Wünschen an die Regierung oder die Opposition oder den Bundespräsidenten oder die Abgeordneten, was die tun sollten. Gleichzeitig mit dem Wunsch ist allerdings das Wissen auf der Welt, dass die Wünsche nicht erfüllt werden. Deswegen ja auch der Konjunktiv "sollte".

Eigentümlich ist nicht das Verständnis von der Sache, sondern die Sache selber, also die Demokratie. Sie ist eine stinknormale Herrschaftsform. Es wird wie immer über das Volk geherrscht. Worüber soll denn sonst geherrscht werden können? Das Volk selber soll es aber sein, das hier die Herrschaft ausübt. Dieser Widersinn findet dann seinen ideologischen Niederschlag in den Debatten zu den Mandatsformen imperativ und frei.

Der praktische Nutzen: Der Bürger soll sich ganz viel den Kopf zerbrechen und irre wichtig vorkommen, wenn er zum Kreuzchenmalen bei der Wahl antritt. Und wenn dann wenig überraschend die Hoffnungen, die er mit der Wahl verbindet, nicht eintreffen, dann soll er sich bei der nächsten Wahl erneut ganz viel den Kopf zerbrechen und irre wichtig vorkommen. Oder zum Nichtwähler mutieren.

Die Herrschaft behindern soll er auf keinen Fall. Und das tut er ja auch nicht. Er will schließlich nicht im Knast landen.

Traugott Schweiger

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"Verbal abrüsten!
Im Freundeskreis mag sich "hinter­gangen" fühlen, wessen Vertrauen missbraucht wurde, etwa um den Freund oder die Freundin auszu­spannen. Wer hier von "Verrat" spricht, gibt seiner berechtigten Enttäuschung rhetorisch Luft. Das Wort ist Ausdruck der eigenen Unversöhnlichkeit."

Das ist eine Verharmlosung des schlimmsten Verrats, des Verrats durch einen Freund und die Partnerin.
Es geht nicht um Enttäuschung und Unversöhnlichkeit, es geht um Verletzung und Schmerz. Der verratene wird massiv verletzt. Eine äußerlich nicht sichtbare seelische Verletzung ist nicht weniger schmerzhaft als ein gebrochenes Bein.

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