Suzanne Valadon: "Adam und Eva" (1909)
Suzanne Valadon: "Adam und Eva" (1909)
Jacqueline Hyde/CNAC-MNAM/Bpk
Gleichberechtigt, aber zensiert
Adam in Unnerbüx
Wie die Pariser Künstlerin Suzanne Valadon ihre empfindlichen Zensoren kommentierte
Lukas Meyer-BlankenburgPrivat
21.02.2022

Adams Penis war dann doch zu viel. Bevor die Pariser Künstlerin Suzanne ­Valadon ihr Bild vom biblischen Urmenschenpaar viele Jahre nach seiner Fertigstellung endlich ausstellen durfte, musste sie das ­männliche Geschlechtsteil noch schnell übermalen. Es ist eine Art Unterhose aus Feigenblättern geworden, ein ironischer Kommentar auf die empfindlichen Zensoren – und damit typisch für Suzanne Valadon, eine Frau aus ärmsten Ver- hältnissen, die sich in der Männerdomäne Malerei durchboxte.

1865 war sie als uneheliche Tochter in der französischen Provinz zur Welt gekommen, bevor sie wenige Jahre später mit ihrer Mutter nach Paris zog. Dort schlug sich Suzanne Valadon mit verschiedenen Jobs durch. Besonders einträglich: als Modell für Künstlergrößen wie Auguste Renoir und den Zeichner Henri de Toulouse-­Lautrec. Dabei schaute sie sich die Technik ab und brachte sich das Malen selbst bei – eine akademische Ausbildung war finanziell undenkbar.

Ihr Talent fiel auf. Die Herren waren begeistert und sorgten für die nötige Publicity – auf die es Suzanne Valadon eigentlich nie abgesehen hatte. Ihre Bilder sind eindrucksvoll expressionistische Porträts und Akte, zumeist von Frauen, knallig, kräftig und gern aus ungewöhnlicher ­Perspektive – von der Seite oder von schräg ­unten. Mit ihren Arbeiten avancierte Suzanne Valadon zu einer angesehenen Pariser Persönlichkeit, geriet aber nach ihrem ­ Tod – wie viele Künstlerinnen – in Vergessenheit.

Erst jetzt, da sich die Kunstgeschichte wieder verstärkt an ihre Frauen erinnert, hängen Kunsthäuser die Bilder von Suzanne Valadon wieder höher. Es lohnt sich! Auch "Adam und Eva" von 1909 ist ein Hingucker. Vermutlich hat Suzanne Valadon sich selbst als Eva und ihre letzte große Liebe, den Maler André Utter, als Adam auf die Leinwand gebracht. Darf man den Gerüchten ­glauben, so gab es schon etliche Lieb­schaften vor ihm. Aber so, wie die ­beiden sich mit dem Apfelbaum im ­warmen Sommerlüftchen biegen, möchte man sich ihnen fast ent­gegenneigen.

Der Apfel lockt als saftiger ­Sommersnack. So sieht kein ­Sündenfall aus! Die Künstlerin malt Adam und Eva als glückliches, gleichberechtigtes Paar – sie ­greifen gemeinsam nach dem Obst. Ihre Haut schimmert natur­farben, sie sind eins mit ­ihrer ­Umgebung. Ein für damalige Verhältnisse ziemlich ungewöhnliches Bild und Bibelverständnis. 1938 starb Suzanne Valadon. ­Schade, dass sie nun nicht mehr Adam die unsägliche Feigenblatt-Unterhose wegpinseln kann.

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Lieber Herr Meyer-Blankenburg,
ich bin immer wieder begeistert von Ihren kleinen Artikeln, in denen Sie Bilder analysieren. Sie haben eine große Gabe, Einzelheiten zu sehen, Sie wortgewandt zu beschreiben, sie manchmal auch unkonventionell zu interpretieren und dabei humorvoll zu sein. Vielen Dank für Ihren scharfen Blick.
Das war mir wichtig, Ihnen das mal mitgeteilt zu haben.

Beste Grüße
Ibrahim G.

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