Massentierhaltung
Gerettet!
Wie ein rühriger Verein Tausende von halb toten Legehennen aus einem Massenstall übernimmt. Warum dabei Tränen fließen und manches Tier trotzdem stirbt. Aber viele überleben auch und leben glücklich in privaten Gärten
"Hast du ein Glück, dass du einen Bürzelbruch hast", sagt Knud zu einer Junghenne
Jewgeni Roppel
Tim Wegner
31.12.2021
17Min

Das hätten sie sich nicht vorstellen ­können, die Frauen und Männer des Tierschutzvereins "Rettet das Huhn": dass sie mal am helllichten Tag in die Hallen eines derart ­großen ­industriellen Legehennenbetriebs reinspazieren und ­Hühner einfach so rausholen, während ihnen Stallmit­arbeiter sogar noch freundlich die Metalltüren ­aufhalten; dass sie in ihren Wohnzimmern schwerstverletzte Lege­hennen pflegen und dass das Retten der Hühner aus diesem Stall sie an ihre Grenzen bringen würde.

Es begann vor knapp drei Jahren mit einem Zufall. Eine Frau, sie soll hier Elisa heißen, sieht vom Auto aus, wie bei einem Betrieb vergitterte Rollbehälter aus Lastwagen geladen werden, darin ein gequetschtes Durcheinander von Flügeln, Schnäbeln, Krallen. Es sind junge Hennen, die gerade aus dem Aufzuchtbetrieb kommen und nun "eingestallt" werden in den Legebetrieb.

Offene Beinbrüche, verdrehte Köpfe

Elisa hält an und steigt aus. Es ist nicht das erste Mal, dass sie sich um schwache Tiere kümmert, so manches Tier verbringt auf ihrem Grundstück seinen Lebensabend. Also fragt sie, ob es vielleicht Aussortierte gebe, die sie mitnehmen könnte? Der Leiter der Stallanlage zögert, sagt aber nicht Nein. An diesem und am nächsten Abend übergibt er ihr 17 Junghennen. Elisa bedankt sich und lässt sich nicht anmerken, wie schockiert sie über den Zustand der Tiere ist: Sie sieht aus den Gelenken gerissene Beine, verdrehte Köpfe, offene Beinbrüche.

Elisa ist schnell überfordert, denn auch in den folgenden Tagen suchen die Mitarbeiter unter den 125 000 Hennen nach verletzten Tieren für Elisa. Sie alarmiert das Team von "Rettet das Huhn": Leute, ihr müsst mir helfen! Der Verein blockt Termine in Tierarztpraxen und Tierkliniken. Viele der Legehennen müssen operiert werden, manche können nur noch eingeschläfert werden. So erzählt es Stefanie Laab, die Vereinsvorsitzende, die von Anfang an eingebunden war.

Aber warum sind die Tiere so schwer verletzt? Offensichtlich sind sie von den Einstalltrupps des Leiharbeitsunternehmens aus den Transportboxen gerissen worden, ohne Rücksicht auf eingeklemmte Beine oder Hälse.

Soll man den Betrieb anzeigen?

Man müsste den Betrieb anzeigen! Das fordern einige im Verein. "Elisa, wie kannst du diesem Stallleiter auch noch Pralinen mitbringen!" Der Stallleiter heißt Thorsten Jesche*, ein wortkarger, aber freundlicher Tierwirt, der seit 40 Jahren in dieser Firma arbeitet. Elisa und andere finden: "Wenn wir uns auf solche Leute nicht einlassen, können wir auch keine Hühner retten."

"Es wäre schön, wenn Tiere nicht mehr als Nutztiere gesehen würden, sondern als Mitgeschöpfe", Knud, Tierschützer bei "Rettet das Huhn".

Würde eine Strafanzeige überhaupt was bringen? Nein, stellt sich nach Gesprächen mit Anwälten heraus, wahrscheinlich würde eingestellt – denn sie haben zwar die Opfer des tierschutzwidrigen Tuns, aber hatten ja nicht die Täter dabei beobachtet.

Es wäre auch nicht viel gewonnen, wenn man sich an Medien wenden würde – eine kurze Aufregung, dann würde der Konzern diesen Betrieb als ­schwarzes Schaf darstellen, als Ausnahme, Thors­ten Jesche wäre seinen Job los, man könnte keine Hennen mehr aus diesem riesigen Stall retten. Bislang hatte man nur mit kleinen Ställen zu tun. Am Ende verlassen einige den Tierschutzverein, die anderen entscheiden sich für die Kooperation.

Und tatsächlich, es ändert sich etwas. Anfangs trug der Stallleiter die Hennen an ihren gebrochenen Beinen aus dem Stall. Elisa bat freundlich, aber bestimmt um ­schonenden Umgang. Und Thorsten Jesche guckt es sich bei ihr ab. Alsbald trägt er die Hennen auf dem Arm aus dem Stall, baut gar eine "Krankenstation".

Mittlerweile haben die Junghennen zu legen ­begonnen. Und dem Tierschutzverein werden zu seiner ­Überraschung weiterhin Hennen übergeben. Das sind nun keine Transport­opfer mehr, sondern die "normalen" Opfer eines industriellen Legehennenbetriebs. Zum Beispiel Hennen mit Kannibalismuswunden, mit entzündetem Legedarm, mit "Schichtei" im Bauch, also mumifiziertem Eimaterial.

"Bodenhaltung" ist der niedrigste Standard

Bei den ersten Besuchen der Ehrenamtlichen in Kleintierpraxen sagt so manche Tierärztin vorwurfsvoll: "Wie sieht denn Ihr Huhn aus, so kann man doch kein Huhn halten!" Antwort: "Entschuldigung, das Tier kommt aus einem Bodenhaltungsbetrieb."

Was ist das für ein schlechter Betrieb? Es ist ein ganz normaler Bodenhaltungsbetrieb. Die meisten Legehennen in Deutschland leben in Bodenhaltung, nämlich 62 ­Prozent, "Bodenhaltung" hört sich gut an, ist aber der niedrigste Standard, seit 2010 die klassische Käfighaltung in Deutschland verboten wurde. In Bio-Betrieben leben nur etwa zehn Prozent der Legehennen.

Der Stall liegt zwischen Äckern, ohne Bauernhof dabei. Ein langgestrecktes Gebäude, das aussieht wie eine Lagerhalle. Dass darin Tiere gehalten werden, kann man nur an der doppelten Reihe von runden Abluftkaminen auf dem Dach erkennen.

In der Küche wiegt Dani eine Henne, Knud zieht eine Infusion auf für das halb verdurstete Tier, gemeinsam säubern sie die Wunden.

Innen sieht der typische Bodenhaltungsstall so aus: In den Raum gestellt ist ein dreistöckiges Etagensystem aus Metall. Ganz hinten in den Etagen die "Nester" zur ­Eiablage, das sind kleine Abteile mit schrägem Boden, damit die Eier gleich auf ein Sammelband rollen. Es gibt Sitzstangen, ein Förderband für Kot und eines für Futter. Dieser Stall hat kein Tageslicht, nur künstliches Licht.

Die Hühner können herumlaufen, aber es ist voll. In ­solchen Ställen mit drei Etagen oder "Volieren" sind 18 ­Hennen pro Quadratmeter Stallgrundfläche erlaubt. Man nennt das industrielle Intensiv-Tierhaltung. Manche sagen "Massentierhaltung" dazu, aber die Gesamtzahl der Tiere ist weniger das Problem als die Zahl der Tiere pro Quadratmeter.

"Dieses System stellt nun mal preiswert Eier her"

Die Hennen, die hier leben, sind auf "Leistung" gezüchtet: Sie legen über 300 Eier im Jahr, fast jeden Tag eines. Zum Vergleich: Die wildlebende Stammform des Haushuhns in Südostasien bringt vier Mal im Jahr ein Gelege von maximal zehn Eiern hervor, also insgesamt höchstens 40 Eier.

Nora Prantel*, die Stellvertreterin von Farmleiter Jesche, hat die Stalltür geöffnet und gibt den Blick frei auf die Hennen: "Die Tiere können sich bewegen, sie haben alles, was sie brauchen. Nur ins Freie können sie nicht." Die Mittdreißigerin ist erst seit kurzem bei dieser Firma angestellt, sie hat Agrarwissenschaften studiert. "Mich haben auch schon Bekannte gefragt: ‚Wie kannst du da arbeiten?’ Aber wenn auch Low-Budget-Familien Eier essen wollen . . . Dieses System stellt nun mal preiswert Eier her. Und besser ich arbeite in ­diesem System als jemand, der nicht so engagiert ist."

Links von ihr steht eine Schubkarre voll ­toter Hühner. Sie kommen später in die Kadaver­tonne auf dem Hof. "Stallverluste" nennt man das in der Branche. Im Schnitt sterben zehn Prozent der deutschen Legehennen während eines Jahrs. Natürlich sterben Hühner auch in ­der Natur – sie verunfallen, werden krank oder gefressen –, aber gibt das Menschen das Recht, Tiere in ihrer Obhut leiden und sterben zu lassen?

Etagensysteme gelten als besonders unfallträchtig. "Es reicht, dass nach Feierabend eine Henne mit einem Bein irgendwo hängen bleibt und da von alleine nicht rauskommt. Bis zum nächsten Tag überlebt sie das nicht. Das ist frustrierend", sagt Nora Prantel. Es sind nur drei Angestellte, die sich um die 125 000 Tiere kümmern.

Viele Hühner werden aber auch Opfer anderer Hühner. Zu Tode gepickt, manchmal regelrecht ausgeweidet.

Warum tun die das? Hühner sind Laufvögel. Und Allesfresser. Den ganzen Tag sind sie unterwegs, immer auf der Suche nach Samen, Schnecken, Gras, Würmern, Insekten, Beeren. Scharrend und pickend erkunden sie die Welt, mit bis zu 15 000 "Pickschlägen" pro Tag.

Hühner sind auch recht gute Jäger, sie ­erlegen zum Beispiel Mäuse, sagt Ute Knierim, Professorin an der Uni Kassel. Sie forscht seit langem zum Verhalten von Geflügel und wie man die ­Haltung verbessern könnte. Sie weiß auch, ­warum die Hühner herumpicken, obwohl sie genug zu fressen bekommen: Weil das "Legemehl", dieses hochkonzentrierte Futter, zwar den Hunger beseitigt, aber nicht das Such- und Pickbedürfnis.

Kannibalismus ist eine Verhaltensstörung

Kannibalismus ist eine Verhaltensstörung. Unter natürlichen Bedingungen kommt es laut Ute Knierim so gut wie nie vor, dass Hühner sich gegenseitig anfressen – weil sie einander ausweichen, sich verstecken können. Auch das Federpicken, das Rausziehen ganzer Federn, bis die Tiere nackt sind, sei eine Verhaltensstörung. Da werde das Erkundungsverhalten auf Artgenossen umdirigiert.

Nora Prantel und Thorsten Jesche vom Stallteam ver­suchen einiges, um Federpicken und Kannibalismus einzudämmen: Sie legen den Hennen Picksteine aus Mineralien hin oder Ballen aus gepresster Luzerne, aus denen sie Halme reißen können. Nora Prantel macht gerade einen Fütterversuch mit "Brottrunk" – sie hofft, dass die Hennen dann das Futter besser verwerten, sich satter fühlen und weniger aufeinander einpicken.

Stefanie Laab, die Vorsitzende von "Rettet das Huhn e. V." und von Beruf Grundschullehrerin, kann sich richtig in Wut reden, wenn sie an all die Zumutungen für die Legehennen denkt, die noch nicht mal zum Tierarzt gebracht werden, wenn sie krank oder verletzt sind. Diese liebenswürdigen Geschöpfe. Und wie besonders die ausgedienten Legehennen sind! Das wurde ihr schon tausendfach zurückgemeldet. Wie glücklich es mache, diesen Hühnern beim Leben zuzuschauen.

Hühner beobachten macht glücklich

"Hühner sehen so erfüllt aus von dem, was sie tun", sagt Stefanie Laab. "Wenn sie fressen, finden sie das super. Wenn sie sandbaden, ­finden sie das super. Sie sind einfach immer ­total glücklich, und man kann ihnen das ­ansehen. Und man fühlt sich geehrt als Mensch, wenn ein Huhn Kontakt zu einem aufnimmt. Ich ­meine, das sind Vögel, wir sind ihnen doch total fremd." Ihre Hoffnung: dass die geretteten Hennen als kleine Botschafterinnen aus der industriellen Tierhaltung viele Menschen zum Nachdenken bewegen.

Für Kerstin** waren Hühner lange nur Nutztiere. Bis sie einen Film über das Leben von Legehennen sah. Den geretteten Hühnern, die sie nun im Garten hat, geht es prächtig. Die Junghenne rechts aber hat es am Ende doch nicht geschafft. Hier sitzt sie auf der Waage bei Dani und Knud. Gesichts- und Kopfhaut hatten sich gelöst, sie war wohl ein "Transportopfer."

Bei Kerstin haben die Hennen das geschafft. Sie ­engagiert sich nun auch beim Verein "Rettet das Huhn". Kerstin ist von Beruf Fleischereifachverkäuferin, sie stammt aus ­einer Fleischerfamilie, sagt sie. "Eigentlich liebe ich ­meinen ­Beruf. Mit den Kunden umzugehen, zu verkaufen, die ­Theke zu präsentieren. Mittlerweile denke ich darüber nach, wo das Fleisch jeweils herkommt und wie die Tiere gelebt haben. Das hab ich früher nie getan."

Für sie waren Hühner bislang nur Nutztiere, ihr also "herzlich egal". Der Schwiegervater hatte Hühner, ebenso ihr Mann. Aber irgendwann musste sie sich kümmern. Um etwas über das Verhalten zu lernen, guckte sie Videos, stieß auf "Rettet das Huhn" und sah in einem Bericht, wie Legehennen leben. "Ich saß weinend vor dem Fernseher. Was ist das für eine Tierquälerei! Ich hab für mich entschieden, ich möchte da helfen."

Also nahm sie ehemalige Legehennen auf. "Die sind mir so dermaßen ans Herz gewachsen! Sie sind ganz ­anders als meine sonstigen Hühner. Vielleicht weil sie so dankbar sind. Die fressen mir aus der Hand, die springen mir auf den Schoß, die laufen mir hinterher, die legen mir den Kopf auf die Schulter, wenn ich sie auf dem Arm ­habe." Eigentlich wäre ihr lieber, die Hühner würden gar keine Eier mehr legen. "Aber ich kann es ja nicht verbieten." Und ein Hormonchip von der Tierärztin, der den Hennen mal drei Monate Erholungspause verschafft, ist teuer.

Urlaubsfrühstück im Hotel mit Ei? Nie wieder!

Zu einem Urlaubsfrühstück gehörte für Kerstin immer ein Ei. Als sie nun mit ihrem Mann in einem Hotel war und sich am ersten Morgen ganz automatisch ein Spiegel­ei auf den Teller legte – "da saß ich vor meinem Ei und dachte: Sag mal, bist du bescheuert?!" Sie gab das Ei ihrem Mann und aß im ganzen Urlaub kein einziges mehr.

Nun macht sie erstmals bei einer Rettungsaktion mit. Die Hennen in dem Bodenhaltungsbetrieb haben ein Jahr lang Eier gelegt. Jetzt ist ihre "Legeleistung" um 20 Prozent gesunken, sie gelten als unwirtschaftlich. Neue, junge Hennen müssen her. Die ausgelaugten Hennen werden "ausgestallt", also zum Schlachten abgeholt. "Rettet das Huhn" darf kurz vorher so viele Hennen aus dem Stall holen, wie der Verein aufnahmewillige Privatleute findet.

Ein Samstag, früher Morgen, 45 Menschen hören letzte Anweisungen von Stefanie Laab, der Vereinsvorsitzenden. Kerstin, die Hühner- rettungs-Anfängerin, ist aufgeregt. Sie hat den Stall noch nie von innen gesehen. Sie zieht einen weißen Overall an, Plastikhüllen über die Schuhe und Handschuhe, um keine Keime in den Stall einzutragen. Zuletzt eine Rotlicht-Stirnlampe, denn der Stall wurde verdunkelt, damit die Hennen ruhiger sind.

Den Geruch findet sie weniger schlimm als befürchtet. "Aber der Stall ist so voll!" Sie trägt immer zwei Hühner auf einmal aus dem Stall. Natürlich nicht an den Füßen, sondern auf dem Arm. Hühner haben kein Zwerchfell; hält man sie kopfunter, rutschen die Eingeweide zu­sammen und drücken den Hennen die Luft ab.

"Manche Hühner sehen aus wie schon geschlachtet"

Vor dem Stall nehmen ihr andere Ehrenamtliche die Hennen für den Erstcheck ab. "Ach, du arme Maus", sagt eine Frau und tastet eine magere Henne ab: Ist ein Bein gebrochen oder der Flügel? Der Kamm blass? Die Kloake angepickt und blutig? (Die Kloake ist die Körperöffnung hinten für alles.) Die meisten Hennen haben kahle Hälse, kahle Rücken, einen nackten Po. "Manche Hühner sehen wirklich aus wie schon geschlachtet", sagt ein Mann. Dass sie sich heiß anfühlen, ist hingegen normal: Hühner ­haben eine Körpertemperatur von 40 bis 42 Grad.

Eine gerade gerettete Junghenne wird im Wohnzimmer untersucht: Taumelt sie? Humpelt sie?

Die leicht Versehrten kommen in luftige Transportkisten – am Nachmittag sollen sie an verschiedenen ­Orten in Deutschland ihren "Adoptanten" übergeben werden. Die schweren Fälle dagegen werden zu einer ­improvisierten Ambulanz am Rand des Hofs getragen. Vor dem ­Campingtisch hat sich schon eine ­Warteschlange gebildet. Eine Frau murmelt der verletzten Henne auf ­ihrem Arm Beruhigendes zu, ein Mann wiegt sein Huhn wie einen Säugling vor dem Bauch.

Hinter dem Tisch steht auch eine Tierärztin, sie hat ­eine Kleintierpraxis und kannte sich bislang nicht aus mit ­Hühnern, aber sie kann Wunden gut beurteilen, und sie darf "euthanasieren", wenn es für eine Henne keine ­Rettung gibt. "Wir ergänzen uns in unserem Wissen", sagt die Frau neben ihr. Es ist Dani, Erzieherin, sie hat schon viele kranke Hühner aufgepäppelt.

Gerade spritzt Dani einer Henne, die aufgegeben zu haben scheint, Futterbrei mit einer Sonde direkt in den Kropf, das ist eine Art Speichertasche an der Speiseröhre von Vögeln. Vermutlich hatte sich die erschöpfte Henne im Stall schon tagelang nicht mehr hochrecken können zu den Nippeltränken und Futterförderbändern. Dani setzt das Tier in eine Katzentransporttasche und schreibt auf den Begleitzettel "Beobachten!".

Auf den Zetteln von anderen Taschen steht: "Humpelt rechts" oder "Schwach" oder "2 x Bauch dick". In einer Box ist ein sehr munterer Vogel – "Zwitter" heißt es auf dem Zettel. Und dann gibt es noch die Hähne, also Hühner, die falsch "gesext" wurden. Der Verein ist überaus froh, wenn Leute auch ­einen Hahn aufnehmen können – weil sie entweder keine nahen Nachbarn haben oder duldsame.

Julia geht mit dem sterbenden Huhn in die Sonne

Ein Huhn hat ein Loch im Leib, bis auf die Knochen, die Wunde stinkt schon, das Tier muss eingeschläfert werden. Julia, eine junge Frau, hält die Henne auf dem Arm. "Sie soll nicht alleine sterben." Nach der Spritze stellt sie sich mit dem Huhn in die Sonne. "Dani sagt immer: Ein Huhn muss wenigstens einmal im Leben die Sonne sehen. Damit es was Gutes, was Schönes von dieser Welt mitnimmt."

Die Henne hat die Augen geschlossen, aber lebt noch. Julia hockt sich zwischen zwei Anhänger. Der Henne läuft ein Tropfen aus dem Schnabel. "Okay, das war’s", sagt Julia. Nein, die Henne atmet immer noch. Endlich. Julia rinnt eine Träne über die Wange. "Wo legen wir denn die Toten hin?", fragt sie mit belegter Stimme. Dann wäscht sie sich die Hände am mobilen Waschbecken.

Der Chef von Farmleiter Thorsten Jesche ist auch da: Olav Melser*. Anfangs, als der Mitarbeiter ihn informiert hatte, dass er Hennen an einen Tierschutzverein rausgibt, habe er schon seine Mühe gehabt, sagt er. Fremde Leute auf dem Gelände, Tierschützer auch noch! "Aber ich versuche zuzulassen. Wir müssen bereit sein, gesellschaftliche Strömungen wahrzunehmen." Und so darf der Verein so viele Hennen rausholen, wie er vermitteln kann.

Aber heute ist Melser doch irritiert. So viele Leute und Fahrzeuge auf seinem Hof! Die Vereinsvorsitzende war in einer Talkshow, und das Rettungsteam hat die letzten Abende bis in die Nacht mit Interessierten telefoniert – nun haben sie so viele "Adoptanten" gefunden wie nie: 3550 Hennen werden sie in Privathände geben können.

Es ist eine konzentrierte Stimmung auf dem Hof, geschäftig, einander zugewandt, aber nicht heiter. Julia wird noch manche Henne bis zum Tod auf den Armen halten. Auch für Kerstin, die das erste Mal dabei ist, kommt ein wirklich schöner Moment erst, als sie mit den anderen Autos voller Hennen auf einem Parkplatz eintrifft, wo die Menschen gespannt auf ihre Hühner warten, die Kinder hippelig vor Aufregung.

Niemand will Hähne

Die Adoptiveltern mussten vorher Bilder von Stall und Auslauf schicken und in einem "Schutzvertrag" unter­schreiben, dass sie die Hühner nicht schlachten werden. Und nicht brüten lassen. Die Tierheime sind überfüllt ­ mit Hähnen.
Während die 3550 geretteten Hühner in ihr neues Zuhause fahren, werden ihre zigtausend Schwestern zum Schlachten nach Polen gebracht. Wenn man Lege­hennenfleisch anbrät, wird es schnell trocken, heißt es. Das Fleisch von Legehennen findet Verwendung in ­Frikassee, Hühnersuppe oder auf Pizza.

Als der Stall leer ist und still, dürfen noch mal ein paar Ehrenamtliche von "Rettet das Huhn" durchgehen. Sie ­sehen die toten Tiere, die es nicht geschafft haben. Sie ­sehen die Flügel in den ­Gittern, die Knochen. Aber sie finden und fangen auch 300 lebende Hühner, die sich in Ritzen versteckt hatten oder sogar in den Schächten unter der Anlage.

Nun kommen die Stallreiniger, es sind ­Menschen zum Beispiel aus Rumänien oder Bulgarien. "Das ist eine Arbeit, die macht kein Deutscher", sagt Nora Prantel. Fast zwei ­Wochen seien die Männer da, sie schliefen dann auf ­Paletten in der Vorhalle zum Stall.

Eine allerletzte lebende Henne wird beim ­Waschen der Anlage gefunden. Das Stallteam nennt sie "Tiffy, die letzte ­Kriegerin". Stallleiter Thorsten Jesche hat nun ­sozusagen ein Haustier. Die Henne schläft in einer Kiste in der Vorhalle, wo auch ­Pausen- und Waschräume sind, und bekommt von Jesche öfter mal eine Kirschtomate aus seiner Brotdose.

Verletzte Hennen im Wohnzimmer

Und die schwer verletzten Hennen, was ist aus ­denen geworden? Sie wurden tierärztlich behandelt, manche mehrmals, ein Drittel ist dann doch gestorben. Nur ­wenige Menschen nehmen diese geschundenen Kreaturen auf und pflegen sie, bis sie in ein neues Zuhause vermittelt werden können. Dani und Knud zum Beispiel. Sie ist Erzieherin in einem Kindergarten, er Assistent in einer Tierarztpraxis.

Die beiden haben kaum noch freie Zeit, stattdessen ­fah­ren sie zum Stall, holen Hühner ab, bringen sie zu Tierarztpraxen, päppeln sie zu Hause auf. Und es ­werden ­ihnen immer noch mehr Hennen übergeben, "viel zu viele", sagt Dani, "aber man kann sie ja auch nicht zurück­lassen!"

Grund ist die neue stellvertretende Stallleiterin Nora ­Prantel: Sie ist sehr geschickt darin, in all dem ­Gewusel die Geschwächten, die Humpelnden und die Zerpickten zu erkennen, bevor sie sterben. Und sie rauszuangeln, ohne dass die ganze Schar in Panik auffliegt. "Nora ist Fluch und Segen zugleich", sagt Dani.

Wenn man Hühner schon als Nutztiere sehe und nicht als die Mitgeschöpfe, die sie sind, sagt Knud, dann sollte man sie doch besser behandeln: mit Respekt. Sie sollten ein lebenswertes Leben haben.Was bedeutet "viel zu viele"? Es bedeutet, dass Dani und Knud manchmal nicht nur im ehemaligen Arbeitszimmer im Obergeschoss Käfige mit verletzten Hühnern stehen haben, sondern auch im Wohnzimmer.

"Wir würden schreien mit solchen gebrochenen Beinen"

Die Erstversorgung der Hühner findet auf dem Esstisch statt: Wunden desinfizieren, Schmerzmittel verabreichen. "Wir würden schreien mit solchen gebrochenen Beinen", sagt Dani. Die Hühner aber bleiben meist still. Spüren die keinen Schmerz? Doch, sagt Knud, aber Hühner seien Fluchttiere, "und Fluchttiere zeigen erst ganz spät, dass es ihnen schlecht geht – denn wer schwach aussieht, wird von Raubtieren als leichte Beute erkannt".

Gerade trägt Knud ein Huhn mit Kopfverletzung die Treppe hoch. Er gibt dem Tier keine große Chance. "Die Wunde muss sich bald schließen, sonst legen Fliegen ­Eier rein, dann hat man nach wenigen Stunden Maden." ­Eine Fliege surrt durch den Raum. "Mist", sagt Dani, "wir bräuchten ein Fliegengitter vor dem Fenster."

Knud und Dani leben mittlerweile vegan, sie essen also keine tierischen Produkte mehr. Die Eier, die ihre ­geretteten Hennen noch legen, etwa vier pro Huhn in der Woche, geben sie an Menschen weiter, die sonst welche kaufen würden. Oder an die Hennen zurück. Hinterm Haus dotzt Knud gekochte Eier an den hölzernen Tür­rahmen und wirft sie den Tieren auf der Wiese zu.

In der Freilandhaltung – das ist die nächsthöhere ­Stufe nach der Bodenhaltung – dürfen die Hennen tagsüber ­wenigstens raus. Sie gehen aber nur dann in größerer Zahl raus, wenn es draußen Sträucher gibt oder andere Ver­stecke, wo sich Hühner vor Greifvögeln schützen ­können; eine platte Wiese lockt nur wenige Hennen ins Freie. Sie sind ja ursprünglich Waldrandbewohnerinnen. Dann ­bleiben viele lieber im Stall. Aber dort ist es bei Boden- wie Freilandhaltung gleich eng und also stressig. Etwas mehr Platz im Stall haben Hennen in der Bio-­Haltung.

Vielleicht sind Eier kostbar?

Jede Verminderung von Tierleid kostet. Dürfen die ­Hennen raus, rennen sie mehr, brauchen also mehr Futter, die Kosten pro Ei steigen. Ebenso: Mehr Strohballen im Stall zur Beschäftigung machen mehr Arbeit beim Sauber­halten, erhöhen also die Lohnkosten.

Vielleicht sind Eier eben einfach zu billig? Vielleicht sind Eier ein kostbares Lebensmittel, das man sich nur vereinzelt und sehr bewusst leisten sollte?

WAS TUN?

Weniger verarbeitete Eier essen: Circa die Hälfte aller verzehrten Eier sind "versteckt" in ­Lebens­- mitteln, etwa in Eiernudeln, ­Keksen, ­Mayonnaise, ­Kuchen. Es ist bislang keine Pflicht, die Herkunft ­dieser Eier anzugeben. Oft sind es ­importierte Eier, ­etwa aus "Klein­gruppenhaltung" – da entspricht das ­Platz­angebot pro Henne einem DIN-A4-Blatt und fünf Girokarten, wie die Albert-­Schweitzer-­Stiftung ausgerechnet hat. Nur bei Lebens­mitteln in Bio-­Qualität ist die Herkunft der enthaltenen ­Eier klar.

Vegan essen: Rezepte für das Kochen ohne tierische Produkte gibt es heute auch in den ­üblichen Rezeptdatenbanken. Oder man guckt in die Rezept­­samm­lung von  www.vegan-taste-week.de

Eier öfter mal ersetzen: Feuchter Rührteig ­gelingt mit Apfelmus statt Eiern, Pfannkuchen wird fluffig mit Sprudel. Weitere Tipps für das ­Backen ohne Eier:  www.chrismon.de/ei-ersatz

Jedenfalls geht es so nicht mehr weiter mit der Landwirtschaft. Zu diesem Schluss kamen jüngst nach hundert aufreibenden Sitzungen die Teilnehmenden der "Zukunftskommission Landwirtschaft". Darin waren Leute aus Landwirtschaft, Tierschutz, Verbraucherschutz und Wissenschaft. So verschieden die Teilnehmenden, sie empfehlen der Politik, für weniger Nutztiere in Deutschland zu sorgen, für weniger Konsum von tierischen Produkten und für mehr Tierwohl. Das soll die Zukunft sein.

Tim Wegner

Christine Holch

Christine Holch, Chefreporterin, fand besonders schmerzlich, wenn Hennen die ­Augen schlossen vor Schwäche und Qual. Sie schaut jetzt immer auf der Rückseite von ­Waren, ob da Eier drin sind. Oft ­findet sie Ersatzprodukte ohne Ei.
Privat

Jewgeni Roppel

Jewgeni Roppel, Foto­graf, macht viele Porträts, oft von Promis. Er dachte erst, ­Hühner sähen alle gleich aus. Aber als er sie mit der ­Kamera ­fokussierte, merkte er: Auch Hühner sind ganz unterschiedliche ­Charaktere, jedes hat eine andere, ­eine eigene ­Ausstrahlung.

"Wir bleiben immer die Bösen", sagt das Stallteam

Im Jetzt herrscht gerade Missstimmung ­zwischen dem Legehennenbetrieb und "Rettet das Huhn". Der Verein hat ein 22-minütiges Video über die große Rettungsaktion online gestellt. ­Darin ­Bilder von sterbenden Hennen mit tiefen ­Wunden. Das Stallteam ist sauer: Jetzt stehen wir am Pranger, obwohl wir die Tiere rausgeben! Wir ­bleiben ­immer die Bösen, und die anderen sind die ­Guten! Also hebt die Vereinsvorsitzende in der Beschreibung des Films auf Youtube noch einmal ausdrücklich hervor: "Was ihr seht, ist ein zugelassener Betrieb mit guter fachlicher ­Praxis." Der Betrieb stehe exemplarisch für die ­Bodenhaltung in Deutschland.

Aber dauernd diese Bilder von verletzten Hennen im Internet, muss das sein, hört der Verein vom Stallteam. "Wir müssen die Bilder zeigen", sagt Stefanie Laab. "Ohne Fotos keine Spenden. Und ohne Spenden keine tierärztliche Behandlung. Wir haben immense Tierarztkosten." Mit den Fotos zeige man den Spendenden, wofür ihr Geld verwendet wird und wie die Realität aussieht.

Auch mit dem Chef des Betriebs sprach Stefanie ­Laab. Er sei doch der Gute unter den Bösen, das würden sie auch auf ihrer Website immer betonen, habe sie ihm gesagt – aber er bleibe nun mal Legehennenfarmbetreiber. "Und unsere Leute haben die Wohnungen voll mit Ihren ­kranken Tieren."

Den Frauen und Männern von "Rettet das Huhn" ist klar, dass ihre Aktionen nichts grundsätzlich ändern am "System der praktizierten Tierausbeutung". Ein Tier zu retten, verändere nicht die ganze Welt, sagen sie, "aber die ganze Welt verändert sich für dieses Tier".

* Name geändert

** Auf dem T-Shirt steht: "Ich frag mich, ob meine Hühner auch von mir träumen."

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Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Redaktion,

danke für diesen Tierschutzartikel über unsere Mitgeschöpfe, die Hühner!
Es ist so wichtig aufzuklären, damit der unbedarfte Konsum von Tieren und deren Produkten weniger wird. Ich bete jeden Abend für bessere Lebensbedingungen von Tieren, die der Mensch "nutzt". Ihr aufklärerischer Bericht hilft bestimmt weiter im Sinne der armen Geschöpfe.

Vielleicht beim nächsten Mal ein Bericht über die Versuchstiere in den Laboren? Ein "heißes Eisen", ich weiß. Seriöse Informationen gibt es bei den "www.aerzte-gegen-tierversuche.de". (Wikipedia ist leider keine gute Informationsquelle, weil Tierexperimentatoren dort Texte verfasst haben.)

Mit herzlichen Grüßen für ein gutes neues Jahr
Lydia Hatwig

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Sehr geehrtes Chrismon-Team,

die Schöpfung schützen, dazu haben Sie mit diesem Artikel aufgerufen. Danke dafür und großen Dank und Respekt den vielen jungen Menschen, die sich den Hühnern annehmen. Obwohl ich sehr bewusst Eier einkaufe und verwende, wurde mir noch einmal klar, dass ich noch vorsichtiger sein muss - bei allen Fertigprodukten.

Deutlich wurde das Spannungsfeld, das die jungen Menschen zu verkraften hatten, nämlich das Vertrauen des Betriebsleiters und die Zusammenarbeit mit ihm zu behalten und die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit zu informieren. Nun ist es so, dass der Betrieb nicht bleiben muss, was er ist. Er könnte die Wandlung einleiten und ein Betrieb werden, der ökologisch arbeitet und den Hühnern ein besseres Leben bietet. Vorbilder gibt es und Abnehmer ebenso. Was gäbe es Schöneres, als in einem zukünftigen Chrismon-Heft über diesen Betrieb zu lesen, der sich den Herausforderungen einer bewahrenden Schöpfung zugewandt hat?

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Die Lektüre über „Schwester Henne“ erinnerte mich an den Besuch einer Hühnerfarm in England. Ich war mit meiner 10-jährigen Nichte 1977 in Nordengland unterwegs, die Gastfamilie empfahl einen Besuch bei ihrem Bruder, der eine Hühnerfarm besitze.
Neben dem Haus befanden sich auf der grünen Wiese einige Hallen, die hohe Türe stand weit offen. Ich solle ruhig eintreten, wurde ich ermuntert – aber schnell war ich wieder draußen!
Ein unerträgliches Geschrei, Gekreisch und Krähen in höchsten Tönen empfing mich, ich sah hohe Regale vollgestopft mit Federvieh, Hühner auf- und übereinander zwischen Metallstäben in Käfigen, ich sah viel blutige Haut statt Federn und in aufgerissene Schnäbel und Glotzaugen. Meine Nichte war am Eingang stehen geblieben, sie wagte sich erst gar nicht in diese Hölle.

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Ein großartiger Text - ich danke Ihnen vielmals dafür!

Es macht mich untröstlich, Teil einer Spezies zu sein, die ihre Mitgeschöpfe fortwährend unterjochen will, ängstigt, verdrängt oder einsperrt, plündert und killt.

Frieden und Gerechtigkeit sind doch kein Vertragswerk zwischen Privilegierten und Starken; sondern schließen bewusst jene ein, deren Stimmen nicht gehört werden sollen. Frieden und Gerechtigkeit sind inklusiv - müssen gewollt sein gerade auch für die Schwächsten, die niemals einen Aufstand machen können (vgl. Canetti).

Übrigens werden von Geflügelpest betroffene große ´Bestände´ getilgt, indem man die Hallen von spezialisierten Unternehmen wie AniCon (steht für Animal Control), Gesevo o. a. abdichten lässt und die gefangene Menge vergast. Mit C02 oder Argon-Mix; letzteres für Enten, Wasservögel.

Übrigens haben Geflügelpest-Viren tolles Potential für künftige Pandemien, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Spanische_Grippe#Rekonstruktion_und_Analyse_der_RNA-Sequenz_des_Virus

Mit meinen beinahe 60 Jahren ersehne ich den Tag, an dem die Schlachthäuser schließen werden. Wieso geht das so langsam? Ich will es noch erleben.

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Vielen Dank, daß Sie dieses Thema so ausführllich und in der gebotenen Drastik behandeln. Der Tierschutz steht im Grundgesetz, wird aber an allen Orten der Tierproduktion mit Füßen getreten. Der einzige Schluß, den man daraus ziehen kann, wenn man konsequent und moralisch konsistent sein möchte: Völliger Verzicht auf Tiernutzung in jeglicher Form, d.h. vegane Ernährung, Kleidung, Putzmittel etc., um diesem Sumpf endültig den Nährboden zu entziehen.

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Ich habe mich sehr über den Artikel "Schwester Henne" gefreut, auch darüber, dass das Titelbild der Print-Ausgabe sich darauf bezieht und Sie dem Thema viel Platz eingeräumt haben. Sehr differenziert haben Sie die Problematik der Hühner in der heutigen Landwirtschaft (Massentierhaltung) und der Tierrettung dargestellt, das Mitgefühl mit den ausgebeuteten Hühnern als fühlenden, leidensfähigen Lebewesen wurde deutlich dargestellt, indem die Gefühle und das Verhalten der Mitglieder der Hühnerrettungsaktion beschrieben wurden. Ich finde es auch angemessen, dass Sie keine "Schock-Bilder" abgedruckt haben, um auf sensible Leser*innen Rücksicht zu nehmen. Besonders gefreut habe ich mich, dass Sie in der Konsequenz der Recherchen über das Leiden der Hühner einen Hinweis auf die vegane Lebensweise, die Vegan-Taste-Week und Ei-Ersatzprodukte geben. Als evangelische Christin, Veganerin (aus ethischen Gründen) und Tierrechtsaktivistin freue ich mich sehr, dass in einer Zeitschrift mit evangelischem Hintergrund dieser Artikel erschienen ist. Leider beschäftigt sich die Amtskirche bisher kaum mit dem Leid der Tiere.

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Mit Emotionen Religion, Politik und die Gemeinschaft zu regieren und bewerten zu wollen, ist ein Geist unserer Zeit. Selbstverständlich tut uns jede Henne auf engstem Raum leid, erst recht, wenn sie durch Betrug (und Diebstahl, Eier wegnehmen) zur ständigen Nachproduktion verführt wird. Aber durch Freilandhaltung wird eine Henne nicht satt und frei holt sie der Fuchs und der Wolf die Schafe. Und so geht das ja mehr oder weniger mit allen Nutztieren. Nutztiere? Der Begriff müsste verboten werden. Wie ist es eigentlich mit allen Haustieren? Ein Kanarienvogel als Fluchttier, das fliegen will, auf 0,3 qm hinter Gittern? Ein Fisch der immer an Scheiben stößt? Ein Angler, der sich an dem zappelnden Fisches und dessen Angst freut. Ein verzüchteter Hund, eine zu dicke Katze. Alles pure sadistische Tierquälerei, wenn die Emotionsgeladenen erhrlich sind. Alle nicht vergleichbar mit den Hühnern? Männliche Küken dürfen auch nicht mehr mit Gas getötet werden. Bis jetzt waren sie das unverzichtbare Lebendfutter (wie auch in der Natur selbst) für alle doch so zu schützenden Raubvögel und viele Zootiere. Dann ist also die Natur der natürliche und akzeptierte Bösewicht. Alle Zoos wegen der Gefangenschaft der Tiere verbieten. Alle Elefanten ab nach Afrika und hier Wolf und Luchs als Ersatz. VEGAN als Allheilmittel. Dafür braucht man ein spezielles Angebot und ein Wissen, welcher Ersatz denn Mangel verhindert. Sollen dieses Wissen dann alle Erdenbürger haben? Woher? Auch in der Mongolei? Mit VEGAN benötigt man die mehrfache Ackerfläche. Woher nehmen, wenn man sie nicht hat? 2/3 der Menschheit enden lassen, damit die 1/3 Reichen vegan überleben? Nur mit Kunstdünger sind in vielen Ländern nur noch geringe Erträge zu erzielen. Afrika darbt bereits, weil der Dünger zu teuer geworden ist. Vegane Kunstdünger gibt es nicht und natürlicher Dünger ist entschieden zu wenig und zudem auch gesundheitlich und ökologisch nicht immer die beste Wahl. Wird auch in Indien zum Heizen gebraucht. BIO-Ethanol: jetzt 10 % zum Benzin. Für die Mengen muss in Brasilien massiv abgeholzt werden. Wer wollte das? Als Alternative von tierischen Proteinen und Fett dann für Palmöl, Reis, Mais und Soja die Wälder roden und riesige Mengen Wasser vergeuden. Wie hätten wir es denn gerne? Die armen Hennen, Küken und noch so berechtigte Emotionen sind nicht des Problems Lösung. Die Litanei lässt sich problemlos fortsetzen. Wir sind einfach zu viele und die beklagte Gleichgültigkeit ist ein Ergebnis der menschlichen Schwächen und unserer Lebensbedingungen. Nun sagen Sie das mal allen Völkern und Religionen. Sie würden das, wenn Sie es tun könnten, nicht überleben.

Jane Goodall, zweifellos Expertin für die Situation im Globalen Süden, widerspricht Ihrer Einschätzung hier:
https://plantbasednews.org/news/celebrities/jane-goodall-charities-animals-overseas/

Nicola Kagoro aka Chef Cola, die in Simbabwe geboren wurde und dort für "Akashinga" vegan kocht, widerspricht Ihrer Einschätzung hier:
https://www.livekindly.co/chef-traditional-plant-based-diets-africa/

Als dritte Expertise: Anti-Speziesismus/Veganismus klug und emotional als beste Lösung propagiert vom "Akashinga"-Gründer Damien Mander:
https://www.youtube.com/watch?v=9FCsyK4aRXQ

das die besten noch so berechtigten Wünsche, die höchsten Ideale nicht in der Lage sein werden, die Folgen der Zivilisation, die Zwänge der Überbevölkerung und die menschlichen Schwächen als Urübel zu verhindern. Allen Evangelikalen, Esoterikern und Antroposophen zu Trotz. Einen veganen Löwen zu züchten kann nicht gelingen.

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Liebe Redaktion,
Auch ich möchte danken für den Artikel über die Hühnerhaltung.
Auch wenn es für mich immer unendlich traurig ist, darüber zu erfahren, es kann gar nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht werden.
Die Gleichgültigkeit der Menschen ist das Schlimmste.
Warum setzt sich die Kirche nicht mehr für die Mitgeschöpfe ein?
Ich hoffe, dass es zu einem Umdenken kommt und Tierschützer nicht immer als linke Störer ohne Mitspracherecht gesehen werden.

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„Obwohl ich seit Jahrzehnten gegen die tierquälerische Massentierhaltung aktiv (in schriftlicher Form) bin und mir das Thema leider vertraut ist, hat mich der Artikel zu Tränen gerührt. Zum einen ist es tröstlich, dass es Menschen gibt, die den geschundenen Mitlebewesen noch eine Zeit artgerechtes Leben versuchen zu geben. Zum anderen ist es unendlich traurig, dass es diese Zustände (und schlimmere) als „Normalzustand der `Lebensmittelerzeugung´“ bei uns gibt. Jedes Tier hat das gleiche Recht auf physische und psychische Unversehrtheit und auf ein artgerechtes Leben. Es ist zutiefst unmoralisch, unethisch und unchristlich unseren Mitlebewesen solche Qualen zuzumuten. Und es ergeht ja nicht nur den Hühnern so: Kühen werden die Kälber gleich nach der Geburt weggenommen, sie stehen zu Hunderten in Betonhallen, ohne je eine Weide zu sehen. Die Kälber werden zu einem großen Teil über Tage zur Mast per LKW und z.T. per Schiff transportiert und ohne Achtung auf ihre Bedürfnisse behandelt. Schweine stehen ihr „Leben“ lang zwischen Metallstangen, können sich nicht aufrichten, um ihre Ferkel zu versorgen… In unserer „modernen“ Gesellschaft werden Tiere wie Maschinen behandelt und ausgebeutet bis auf´s Blut, im wahren Sinn des Wortes. Wir alle müssen dazu beitragen, dass diese Zustände aufhören und unsere Mitlebewesen wieder geachtet werden, sie ihren Bedürfnissen gemäss leben dürfen. Der Weg dahin ist nur möglich, wenn entschieden weniger bis kein Fleisch, Milch und Eier mehr konsumiert werden. Und die Achtung vor unseren Mitlebewesen Vorrang vor Gewinn hat. Herzlichen Dank für den Artikel!“

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Sehr geehrte Damen und Herren von Chrismon,
Als 1 Vorsitzender des Geflügelwirtschaftsverband Baden-Württemberg (und gläubiger Christ) möchte ich mich bei Ihnen melden. Den Bericht „Schwester Henne“ fand ich als Landwirt & Tierhalter, der seit über 50 Jahren Tiere hält, viel zu einseitig & tendenziös. Sie berichten darüber, wie völlig fachfremde Menschen aus dem inneren Antrieb heraus, Gutes für Tiere zu tun, sich um Legehennen kümmern, welche im vermeintlich ausbeuterischem System der Tierhaltung in Deutschland schlecht behandelt werden. „Tierretter“, die meist ohne Sachkundenachweis oder Ausbildung im Bereich Tierhaltung Tiere bei sich zu Hause aufnehmen, werden als die „Guten“ hingestellt; während die Legehennenhalter – trotz aller subversiven Versuche der Autorin es nicht so wirken zu lassen- als die „bösen Tierquäler“ diffamiert werden.
Dies kann ich so nicht unkommentiert lassen. Wir haben in Deutschland global gesehen mit die höchsten Tierhaltungsstandards. Dass ein kirchliches Magazin nun versucht, die Bevölkerung auf eine „vegane Ernährung“ umzupolen, indem vermeintliche Qualen dargestellt werden, ist nicht in Ordnung. Ich finde es erschreckend, wie weit weg von der Lebensrealität die kirchliche Leitung ist. Tierschützer, die Hennen in ihrem Wohnzimmer halten sind gut; die Landwirte mit ihren „industriellen Betrieben“ die Bösen. Das ist schlicht zu kurz gedacht. Schämen Sie sich!
Ich lade Sie gerne ein, sich vor Ort auf einem Legehennenbetrieb von der vorbildlichen Haltung der Tiere auf unseren Betrieben selbst ein Bild zu machen. Gerne können Sie dazu mit mir Kontakt aufnehmen. Ich stehe jederzeit für ein Treffen zur Verfügung.

Georg Heitlinger, Legehennenhalter

Gruß,

Sehr geehrter Herr Heitlinger,

Ihr Leserbrief löst nun wiederum Befremden bei mir (Leserin ohne Erfahrung in Hühnerhaltubg) aus.

Sie bemängeln die nicht nachgewiesene Sachkunde bei langjährig erfahrenen Hühnerhaltern, welche von Tierärzten unterstützt werden, und tun die Schilderungen der teils verheerenden Verletzungen und haltungsbedingten Verhaltensauffälligkeiten als „vermeintliche“ Qualen ab?

Haben wir unterschiedliche Artikel gelesen?

Ich komme zu dem Schluss, dass die hiesigen verhältnismäßig hohen Haltungsstandards anscheinend nicht ausreichen, die Tiere artgerecht zu halten.

Im Wohnzimmer hingegen werden die schwer verletzten Tiere vorübergehend versorgt, danach kommen sie laut Artikel zu Hobby-Haltern, die die artgerechte Unterbringung durch Fotos und Unterschrift bestätigen.

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf von Svea (nicht registriert)

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Wenn die Natur / das natürliche Leben eine gottgefällige/vernünftige Behandlung erfahren soll, dann muss auch/besonders die Landwirtschaft vom egozentrierten Profitdenken / "gesundem" Konkurrenzdenken in das gottgefällige/menschenwürdige globale Gemeinschaftseigentum "wie im Himmel all so auf Erden" überführt werden, alles andere/herkömmlich-gewohnte ist heuchlerisch-verlogen im Sinne der wettbewerbsbedingten Konfusion/Schuld- und Sündenbocksuche!!!

Es grüßt euch ein Mensch im Glauben an den Sinn des ganzheitlich-ebenbildlichen Wesens Mensch.

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Sehr geehrte Damen und Herren!
"Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht." (Theodor Fontane, 1819-1898, deutscher Schriftsteller, Journalist & Kritiker)
Unsere besten Freunde wohnen am Rande einer Kleinstadt, wo es schon sehr ländlich ist.
Sie haben sich, und sie haben Hund und Katz und auch ein paar Hühner plus einem Hahn dazu, der das macht, was ziemlich viele Hähne tun, er kräht ab und zu.
Und genau hier kann es zum Konflikt mit den Nachbarn kommen, und es kommt auch dazu, da diesen Menschen das "Ab-und-zu-krähen" des Hahns auf den Senkel geht, obwohl in unmittelbarer Nähe auch ein Bauernhof mit einem krähenden Hahn und seinen Hühnern ist.
Wir beide wohnen ein paar Kilometer von besagten Freunden entfernt, und da, in einer Gemeinde mit einem doch sehr ländlichen Charakter, unter anderem auch mit Bauern und mit deren Getier, auch mit Hühner plus Hahn, und die Hähne krähen auch, wie Hähne es eben tun!
Na und!
"Wir schaffen uns unsere Freunde, wir schaffen uns unsere Feinde, aber Gott gibt uns unseren Nachbarn."
(Gilbert Keith Chesterton, 1874-1936, englischer Autor, Journalist, Erzähler & Essayist)

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Dieser hat mich zu Tränen gerührt und mir wieder einmal vor Augen geführt, dass mit unserem System und uns Menschen etwas nicht stimmt.
Hochachtung vor dem Verein „Rettet das Huhn“ ! Mit viel Freude und Elan haben wir 18 Hühnerpullis genäht und auf den Weg gebracht.
Ein ganz kleiner Beitrag, um die Welt ein wenig schöner zu machen. Der Mensch ist blutrünstiger als jedes andere Lebewesen auf unserem Planeten!
Petra Behrens, Edemissen

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Vegan für Klima, Gesundheit und die Tiere!

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Freilandhaltung und die Hühner sind glücklich. Sieht so aus, wenn da nicht die Kehrseite wäre. Die Hühner legen weniger. Sie werden häufig im Freien abgelegt. Die Kontaminationsgefahr steigt. Die Gefahr der Zerstörung führt zur Verunreinigung der Böden mit Salmonellen. Fuchs und Raubvögel sorgen für Stress. Es kommt zu einer starken Wetterfühligkeit. Bei Starkregen und Frost wollen und müssen alle wieder in den Stall. Bei so vielen Hühner bietet das Freiland kein Futter. Um zu fressen müssen alle wieder an die Krippe in den Stall. Im Freien kann das Futter wegen der Witterung nicht angeboten werden. Im engen Stall ist dann die Aufregung gross. Es ist nicht schön ein Huhn zu sein!

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