Wir treffen uns um drei!
Es häufen sich die Verabredungen "gegen zwölf". Hä? Heißt das vor, genau oder nach zwölf?
Tim Wegner
22.06.2021

Was ist das für eine doofe Marotte. Fragt man Menschen, wann sie Zeit für ein Telefonat haben, sagen sie neuerdings: "Gegen 15 Uhr." Und man sinniert: 14.45 Uhr? Punkt drei? Oder gar 15.30 Uhr? Und ist schlimmstenfalls 45 Minuten mental blockiert für eine einzige Verabredung.

Tim Wegner

Ursula Ott

Ursula Ott ist Chefredakteurin von chrismon und der digitalen Kommunikation im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik gGmbH. Sie studierte Diplom-Journalistik in München und Paris und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Sie arbeitete als Gerichtsreporterin bei der "Frankfurter Rundschau", als Redakteurin bei "Emma", als Autorin und Kolumnistin bei der "Woche", bei der "Brigitte" und bei "Sonntag aktuell" sowie als freie Autorin für Radio und Fernsehen. 2020 und 2021 wurde sie unter die 10 besten Chefredakteur*innen des Jahres gewählt. 2019 schrieb sie den Bestseller "Das Haus meiner Eltern hat viele Räume. Vom Loslassen, Ausräumen und Bewahren".

Für mich ist das ganz schlecht, ich komme vom Dorf, da kam der Schulbus, wenn man zur ersten Stunde hatte, um 6.45 Uhr. Nicht gegen 6.45 Uhr, sondern Punkt 6.45 Uhr. Wer um 6.46 Uhr müde, mit schwerem Ranzen und zweierlei Strümpfen an der Bushaltestelle auftauchte, sah den Bus von hinten und konnte erst "zur Zweiten" in der Schule sein. Gab Ärger. Vor ein paar Jahren war ich noch mal in der schwäbischen Heimat für eine chrismon-Reportage über katholische Nonnen, die im Kloster Weingarten afrikanische Flüchtlinge betreuten. Das Erste, was Schwester Ines beim Stadtrundgang ihren Schützlingen zurief: "Morgen früh um acht Bewerbungsgespräch. Aber pünktlich!" Drum wunderte mich nicht, dass jetzt in Stuttgart, wo ich für dieses Sommerheft Jungs aus Syrien und dem Irak traf, jedes Interview ­super­- pünktlich begann. Zumindest in Schwaben geht Integration nur mit Pünktlichkeit.

Meine Kollegin Christine Holch, ähnlich sozialisiert wie ich, fragte neulich bei ihren Recherchen per Mail zurück: Was meinen Sie mit "gegen"? Vor, nach oder Punkt? "Yupp, nehmen wir zwölf, immer diese schwammigen Aussagen", antwortete selbstkritisch eine Interviewpartnerin. Und ein Mann erklärte, er fände es "unhöflich", die Reporterin auf einen bestimmten Zeitpunkt festzulegen. "Gegen 15 Uhr" sei ein Angebot. Im Sinne von: "Ich habe rund um 15 Uhr Zeit für Sie." Danke für dieses Angebot, aber wir sind ja nicht bei der Therapie. Ich bevorzuge klare Ansagen. "Rufen Sie mich um 15 Uhr an" – da kann ich erwidern: "­Prima!" Oder eben: "Geht es auch 15.30 Uhr?"

Die Interviews, die Kollegin Holch geführt hat, sollen Ihnen ­wieder Lust machen auf die Stadt. Da ­waren ­lange Zeit Cafés geschlossen, da stehen ­Läden leer. Holch erkundete, wie städtischer Raum "ertüchtigt" werden kann: mit grünen Parkhäusern, Taschenparks, Flussbädern und vielen bunten Bänken und Stühlen. Das habe ich zuletzt in Zürich am Bellevue ge­sehen: Stühle, die man sich zum Plaudern so zusammenstellen kann, wie es gerade passt. In Zürich kommt übrigens auch die Bahn nicht gegen 14.21, sondern um 14.21 Uhr. Ich wünsche Ihnen für die nächsten Wochen anregende Städtereisen, beschauliche Landgänge und einen grandiosen Sommer!

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Liebe Ursula Ott.
Mal wieder gern und gut zu lesen, was Sie schreiben. Am 25.6., nämlich heute, war die chrismon im Briefkasten. Nicht gestern oder morgen. Gut so. Ich bin ein großer Anhänger von Genauigkeit (für meine Zahnpatienten sicher beruhigend) und auch von Pünktlichkeit. Das hat was zu tun mit Respekt vor der Lebenszeit des anderen Menschen, der andernfalls dumm rumlungern muss, nur weil ich nicht verbindlich sein will. Im Zweifel genügt ja eine Frage ans Gegenüber im Sinne von "...oder kannst/willst du das nicht so genau..?" Genug davon. Auch ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer und grüße aus Bergisch Gladbach nach Köln.
Armin Kröning

Antwort auf von Armin Kröning (nicht registriert)

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ich stimme ihnen frau ott und auch ihnen herr kröning voll zu. ich erlebe dies bei verabredungen mit den üblichen messenger diensten ständig. genauere textbeispiele erspare ich mir hier. nur, als ich heute die chrismon anfange zu lesen (ich erhalte sie über die ZEIT) geht es gleich los mit: "Ende August". was ist damit gemeint? der letzte tag im august oder irgendwann kurz davor? auf der homepage ist interessanterweise gar nix zu finden. in diesem fall nicht schlimm aber nachdenkenswert. seltsamer finde ich den hinweis zum inhalt der aktuellen ausgabe auf der homepage: "Alle Texte". nur da finde ich den text "Moin, Dorf! Cool bist du geworden" nicht. passt irgendwie nicht zu der oben angesprochenen unzuverlässigen zeitangaben kritik. aber es geht noch weiter mit anderen dingen, z.b. die überschriften auf der homepage und dem heft. so steht auf der homepage wie oben angesprochen "Alle Texte". klicke ich daruaf sehe ich die überschrift "Alle Inhalte zum Heft". das ist ein unterschied und erklärt mir warum ich den einleitungstext "Hey Stadt, du kannst mehr!" nicht finde. er gehört nicht zum inhalt. o.k. aber warum ich in der inhaltsangabe der printausgabe im inhaltsverzeichnis steht "10 Titelthema Wie man mehr macht aus öden Stadtzentren" und ich dann auf seite 10 lese "Städte, da geht noch was! aber das titelthema eigentlich heißt "Stadt, beweg dich!" verstehe ich den sinn nicht mehr. wurden einfach alle vorschläge der ideensammlung verwendet. orientierung für lesende funktioniert anders. mfg p. herber p.s. ein zurück button nach der vorschau fände ich übrigens auch nicht schlecht ;-)

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