Standpunkt -Sterbehilfe: Aber dann gibt es kein Zurück
Darf man Menschen, zu ­deren Menschsein der Zweifel gehört, in eine solche Situation bringen?
Marianna Gefen
Kann man Sterbehilfe rechtlich regeln?
Aber dann gibt es kein Zurück
Alle Vorschläge zum assistierten Suizid setzen voraus, dass sich Menschen klar entscheiden. Doch gerade für Schwerkranke ist das Leben nicht schwarz oder weiß
28.05.2021
6Min

Vorgelesen: Standpunkt "Aber dann gibt es kein Zurück"

Viele Vorträge über den assistierten Suizid beginnen mit einem Fallbeispiel. Meist werden extreme Geschichten erzählt, je nachdem, wo der Autor, die Autorin in der Sterbehilfedebatte steht, geht es entweder um ein besonders friedliches Sterben oder ein besonders schreckliches Leiden. Damit wird immer auch angedeutet, dass der "normale" Mensch gar nicht wirklich beurteilen kann, wie es Schwerkranken geht.

privat

Karin Lackus

Karin Lackus, Jahrgang 1959, hat evangelische Theologie studiert und ist Pfarrerin. Sie ­arbeitet als Klinikseelsorgerin in Mannheim. 2016 ­veröffentlichte sie ­zusammen mit ihrer Kollegin Christiane Bindseil das Buch "Mir geht es gut, ich sterbe gerade" in der Neukirchener Verlagsgesellschaft.

Ich verfolge die Debatte über Sterbehilfe seit Jahrzehnten. Ich bin Pfarrerin, arbeite als Seelsorgerin in einem Krankenhaus und habe schon oft mit Menschen über das Sterben gesprochen. Seit fast einem Jahr bin ich selbst lebensbedrohlich erkrankt, habe mir also eine Kompetenz angeeignet, auf die ich gern verzichtet ­hätte. Aus dieser Perspektive fällt mir besonders auf, wie sehr die öffent­liche Diskussion über den ­assistierten ­Suizid die gesellschaftliche Wirklichkeit in Deutschland bereits verändert hat. Wer regelmäßig liest oder hört, dass es ein Menschenrecht ist, das ­Leben autonom und selbst­bestimmt zu beenden, der fragt sich in der ­Situation der Krankheit unwillkürlich, ob es wirklich richtig und angemessen sein kann, einfach so das Leben zu Ende zu leben.
Mich erinnert dies an die ­Debatte um die Pränataldiagnostik in den 1980er Jahren. Auch damals ging die Selbstverständlichkeit, einfach so guter Hoffnung zu sein, schon durch die Diskussion um die vorgeburtlichen Früherkennungsmethoden verloren.

Wer sind wir denn, dieses Leiden infrage zu stellen?

Fast ein wenig altmodisch wirkt da die Lebensgeschichte eines Mannes, den ich kannte. Er erkrankte als junger Vater neurologisch, war jahrzehntelang auf Pflege angewiesen und äußerte sich kurz vor seinem Tod dankbar, dass er nie die Chance gehabt habe, um Sterbehilfe zu ­bitten. So kenne er nun alle seine Enkel, und das freue ihn. Es habe Momente in seinem Leben gegeben, in denen er sich vermutlich für ein Ende entschieden hätte. Aber jetzt sei es eben so, und so sei es gut.

Hätte sich dieser Mann in seiner ausweglosen Situation um assistierten Suizid bemüht, wäre das eine nachvollziehbare Entscheidung ge­wesen. Wer sind wir denn, dieses ­Leiden infrage zu stellen? Nun hat er aber wegen fehlender Möglichkeiten sein Leben zu Ende gelebt, und auch das wirkt im Nach­hinein stimmig und harmonisch. Beides scheint "richtig" zu sein – nur, genau das geht nicht. Nehme ich mir das Leben, dann ist es zu Ende und ich weiß nicht, was gekommen wäre.

Wir können uns immer irren

Als ich einem anderen Mann von dieser Erfahrung erzählte, sagte er, das würde ihn verunsichern. Er sei sich immer sicher gewesen, bei schwerer Krankheit so aus dem Leben zu gehen, wie er gelebt habe, selbst­bestimmt und autonom. Nun sei ihm der Ge­danke gekommen, ob er da nicht vielleicht doch etwas verpasse. "Das kann gut sein", habe ich ihm geantwortet.

Bei komplexen Entscheidungen können wir uns eben immer auch ­irren. Deshalb sind wir uns auch selten hundertprozentig sicher, meist spricht vieles für und manches gegen eine Option. In einer Krankheits­situation, die häufig wenig mit Selbstbestimmung zu tun hat, dafür viel mit Kontrollverlust und gefühls­mäßigen Achterbahnen, ist es erst recht schwer, eine "richtige", felsenfeste, sichere Entscheidung zu treffen. Alle politischen und rechtlichen Vor­schläge, wie man bei assistiertem Suizid verfahren sollte, fordern aber genau das, eine nachprüfbare Entscheidung ohne Zweifel, die dann das Prädikat "richtig" erhält.

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Manchen gelingt das, sie betonen vor Kameras, dass sie sicher sind, sterben zu wollen. Und ich frage mich: Haben diese Menschen jetzt überhaupt noch die Möglichkeit, erhobenen Hauptes die Meinung zu ändern? Darf man Menschen, zu ­deren Menschsein der Zweifel gehört, in eine solche Situation bringen?

Gesunde sind sich oft sehr sicher

Als Pfarrerin habe ich Patientinnen und Patienten während der Chemotherapie besucht, die vorher überzeugt waren, sich nie wieder ­darauf einzulassen. Ich habe erlebt, wie Menschen in einer Patientenverfügung rigoros künstliche Ernährung in jeder Situation abgelehnt haben und dann froh darüber waren.

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"Gesunde" sind sich oft sehr sicher, was sie am Ende des Lebens ­wollen oder nicht, welches Leben noch gut sein kann. In einer Diskussion ­äußerte ein älterer Mann, jegliche Form der Pflegebedürftigkeit würde ihm reichen, um nicht mehr leben zu wollen. Genau das gehört tatsächlich zum Leben vieler kranker Menschen dazu und ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Konkret sieht vieles aber dann doch anders aus, und Leben bleibt ­eine prima Alternative.

Dennoch ist der Gedanke an Suizid in der Situation schwerer Krankheit keineswegs neu und außergewöhnlich. Ich denke an eine Patientin, die mir ihre gesammelten Medikamente zeigte. Sie kenne sich gut aus und warte nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, erzählte sie selbstbewusst. Aber der kam offensichtlich nie, denn nach ihrem Tod lagen die Tabletten noch wohlgeordnet in der Schublade. Was hätte es bedeutet, wenn ­diese Frau sich auf ein Verfahren zum ­assistierten Suizid eingelassen hätte? ­Hätte sie sich getraut, ihre Entscheidung, derer sie sich so sicher war, täglich neu über den Haufen zu werfen?

Vertrauen lässt sich nicht bis ins Detail regeln

Es ist ein Grundelement guter Palliativ­arbeit, dass alles gedacht und gesagt werden kann und ­morgen wieder anders. Dazu gehört auch, dass Mitarbeitende sich manchmal in einem ethischen und juristischen Graubereich bewegen, wenn sie zum Beispiel von heimlichen Suizid­plänen wissen. Das ist dann eben so, Ver­trauen lässt sich nicht bis in jede ­Verästelung hinein rechtlich regeln.

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Es ist zudem absurd und rechtlich sicher auch regelbar, wenn Ärzte und Ärztinnen befürchten, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen, wenn sie ­Patienten beispielsweise stark wirksame Medikamente für mehrere ­Tage verschreiben. Hier geht es um das ­notwendige ärztliche Vertrauen in mündige Patientinnen und Patienten, was die Voraussetzung ist für offene und glaubwürdige Palliativarbeit.

Moderne Schmerztherapie

Eine weitere Voraussetzung für ­eine sinnvolle Palliativarbeit ist die moderne Schmerztherapie. Heute muss niemand mehr Angst vor andauernden unerträglichen Schmerzen haben. Ich habe das durch meine ­Arbeit als Seelsorgerin und als Patientin er­fahren. Schmerztherapie wirkt, und in extremen Situationen kann letztlich jeder Mensch in Narkose gelegt ­werden, erklärte mir ein Mediziner. Man nennt das palliative Sedierung. Diese ­Möglichkeiten helfen Patient:innen, offen zu bleiben, heute ganz anders zu ­denken als gestern und die Grautöne zu leben in einer Situation, die eben nicht nur schwarz oder weiß ist.

Genau das steht im Widerspruch zu allen denkbaren Verfahrensvorschlägen zum assistierten Suizid, die eine nachprüfbare, andauernde Entscheidung brauchen, die offiziell be­wertet und für richtig befunden werden muss. Die Konsequenzen einer ­solchen geregelten Prozedur zur Durchführung eines Suizids sind aus meiner Sicht nicht tragbar, da Menschen in ein entschiedenes Ja oder Nein gezwungen werden, das nicht in diese Situation gehört. Persönlich kann ich mir auch nicht vorstellen, dass irgendwer unter welchen Voraussetzungen auch immer meinen eventuellen Sterbe­wunsch beurteilt, um dann vielleicht herauszufinden, dass ich mir mal wieder nicht ganz sicher bin.

Konkrete Erfahrungen können Ängste nehmen

Vielmehr wünsche ich mir eine wirklich nach allen Seiten offene Palliativ­arbeit, in die viele unterschiedliche Menschen ihre Fähig­keiten einbringen und für das Leben werben. Genau hier ist auch die Seelsorge wichtig, die auf der Seite des Lebens steht, aber ohne überreden oder gar verbieten zu wollen. Und von dieser Arbeit muss erzählt werden. Denn es sind die konkreten Erfahrungen, die Ängste nehmen können – nicht grundlegende ethische, theologische oder rechtliche Theorien, so gut begründet sie auch sein mögen.

Solange es gute Palliativmedizin gibt, die einen Graubereich beinhaltet, ist zumindest meine Angst, mich am Ende zu verlieren, nicht mehr selbstbestimmt leben und autonom entscheiden zu können, geringer. Wovor ich mich momentan wirklich fürchte, ist, Leben zu verpassen, ­meine Enkel nicht aufwachsen zu sehen, nicht mit meinem Mann alt zu werden. Aber gegen diese Angst hilft der assistierte Suizid nun leider wirklich nicht.

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Ich würde mir wünschen, dass Kirche und die "Offiziellen" der Palliativszene offen und ehrlich über den "Graubereich" reden, den es in der palliativen Betreuung gibt und den es dort geben muss. Und dass es dann in diesem Kontext diesen Graubereich auch in christlichen Alten- und Pflegeheimen geben darf.

Und dann brauchen wir eine offensive Diskussion darüber, dass lebenswertes Leben nicht nur auf der Überholspur des Lebens lebenswert ist, sondern auch (wer stellt das infrage), wenn doch jeder Mensch schwer pflegebedürftig auf die Welt kommt und (das stellen viele infrage) viele zuletzt auch wieder pflegebedürftig werden und auf mehr oder weniger Hilfe angewiesen sind.
Mal ganz ehrlich: Auch auf der "Überholspur des Lebens" sind wird auf andere angewiesen. Nur weil deren Hilfe anonym an der Kasse bezahlt werden kann, heißt es doch nicht, dass wir davon unabhängig sind. Nur weil wir uns großzügig aussuchen können (je nach Einkommen), was wir in den Einkaufswagen legen.
Was bilden wir uns auf unsere vermeintliche Autonomie alles ein und merken gar nicht mehr, wie sehr wir abhängig von anderen Menschen sind - und wie sehr wir denen durch unseren Lebensstil auch schaden.
Wenn wir nicht schnell genug sind: kaufen wir ein Auto mit viel PS.
Dass auch ein Rollator uns helfen kann, Autonomie zu behalten oder ein Pflegedienst oder ein Seniorenheim oder ein Hospiz: Wer spricht darüber? Wer sieht das halbvolle Glas mal von dieser Seite?

Ich war lange Zeit Altenheimseelsorger und habe dort viele dankbare und glückliche Menschen erlebt.
Aber auch Unglückliche erlebt, die über ihren Todeswunsch nicht sprechen konnten - und dann auf eine Weise aus dem Leben geschieden sind, die ich niemandem wünsche. Denen hätte ich gewünscht, dass sie die Offenheit gespürt hätten, darüber zu sprechen. Vielleicht hätte man dann die Umstände verändern können, die am Leben hindern. Oder zumindest mit ihnen gemeinsam ringen können, ihnen dabei beistehen können, Und wenn nicht, hätte ich ihnen einen assistierten Suizid gewünscht, der im Gegensatz zur Weise, wie sie einsam aus dem Leben geschieden sind, wenigstens ein wenig mit Menschenwürde in Verbindung gebracht werden könnte. Nein, deutlich mehr.

Das offizielle Sprachtabu verhindert keinen (assistierten) Suizid, befürchte ich, sondern fördert sie nur.

Lasst uns vom Leben sprechen, das es ohne Schmerz nicht gibt. Von dem man mehr aushalten kann, als man denkt.
Lasst uns ehrlich über die "Vögel unter dem Himmel" sprechen, "die unser himmlischer Vater ernährt" - und von den Würmern und kleinen Fröschen usw., mit denen er sie ernährt. Lasst uns ehrlich von den grünen Wiesen sprechen, auf denen Gott uns begleitet (das tun wir nur zu gerne), aber eben auch von den finsteren und tiefen Tälern des Lebens. Davon, dass Gott manchmal zulässt, dass sie tiefer sind, als wir es ertragen können. Aber auch von den Möglichkeiten, mit denen wir es erträglich machen können.

Ich wünsche mir eine Kirche, die nicht strikt Nein sagt, sondern auch ganz offen die Bereitschaft deutlich macht, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger drüber sprechen können und einen nicht im Stich lassen, wenn jemand dann doch den Notausgang aus dem Tal nehmen will. #chrismon.evangelisch.de

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Als Christ habe ich kein Recht, mir das Leben zu nehmen, denn es wurde mir von Gott geschenkt. „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn meine Last ist leicht" heißt es bei Matthäus 11,29-30. Wenn mir Gott die Bürde einer schweren Krankheit auferlegt, dann kann ich sie mit Seiner Hilfe ertragen. Wobei dank der modernen Medizin kaum noch jemand Schmerzen leiden muss. Insofern ist das „Joch“ in der Tat sowieso leichter geworden. Gott hat uns den Verstand gegeben, derlei zu erforschen, aber nicht, um uns selber zu vernichten.
Ich verstehe daher die Theologin Frau Karin Lackus nicht. Ich muss es einfach mal sagen. Unsere Evangelische Kirche erinnert mich immer mehr an einen Verein oder ein Partei. Die Programme und Grundsätze sind dahingehend austauschbar geworden. Es besteht sozusagen für Außenstehende starke Verwechslungsgefahr, weil der gelebte Glaube in seiner Außenwirkung kaum noch eine praktizierende Rolle spielt. Er ist sozusagen regelrecht verdunstet. Schade und traurig. Viele meine Bekannten und auch ich fühlen uns nicht mehr geborgen und aufgefangen.
Andreas Herrmann, Potsdam

Antwort auf von Andreas Herrmann (nicht registriert)

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Entweder wir nehmen _alles_ geduldig aus Gottes Hand - dann verzichten wir auch auf Antibiotika und Intensivmedizin (im Bild des Gleichnisses: vergraben die von Gott geliehenen Talente).
Oder wir schauen in die Bibel und sehen, wie oft dort Menschen mit Gott ringen - und er sich drauf einlässt - und aktiv die Aufgabe annehmen, die Erde zu gestalten. Ich sehe keinen Grund, dies nicht auch in manchen Extremfällen zu tun, in denen etwa auch die Palliativmedizin oder - wie bei einem Menschen, den ich zu beerdigen hatte, mit unerträglichen und anscheinend nicht verhinderbaren höllischen Trigeminus-Schmerzattacken.

Ich hätte sehr gerne vorher seelsorglich mit diesem Menschen gesprochen, ob es nicht doch für ihn, für seine Frau und seine vielen Freunde eine andere Lösung gegeben hätte, mit der er hätte leben können.

Haltungen wie die Ihre tragen leider dazu bei, dass Menschen wie er keinerlei Sinn darin sehen, mit einem Seelsorger/einer Seelsorgerin drüber zu sprechen, weil sie erwarten, dass diese weder willens noch sachlich in der Lage sind, sich auf deren Situation einzulassen.

Als Notfallseelsorger kenne ich darüber hinaus sehr genau das Procedere mit Polizei, mit Beschlagnahme des Leichnams und mit Stastsanwaltschaft, wenn die Ehefrau ihren Mann erhängt auf dem Dachboden auffindet. Wenn es nach einer intensiven seelsorglichen Begegnung doch keinen anderen Weg geben sollte, würde ich solchen Menschen jedenfalls einen anderen Abschied wünschen.

Für mich ist Kirche kein Lehrverein zur Durchsetzung einer alten kirchlichen Dogmatik, sondern eine Gemeinschaft von Heiligen, die von der frohen Botschaft nicht nur auf grünen Wiesen spricht, sondern sich auch im finsteren Tal auf Menschen einlässt und sie begleitet und dort nicht mit heeren Idealen im Stich lässt. Gottes Schöpfung besteht nicht nur aus grünen Wiesen mit romantischen Schafherden. Im Frühjahr werden realistisch die jungen Böcke geschlachtet (vgl. die Passahlämmer). Sondern es gibt auch tiefe Täler, in den Waffen und Werkzeuge wie Stecken und Stab nicht nur zum Trost nötig sind. Wer in Altenheim, Krankenhaus oder jetzt auch in der Militärseelsorge tätig ist, wird mit Situationen konfrontiert, die zu viele fromme Menschen schlicht ausblenden und schönreden. Man lese mal im Buch Hiob nach, was zumindest dieses Bibelbuch davon hält. Oder man bedenke, was es bedeutet, wenn der Gottessohn den Suicid by Cop am römischen Kreuz gerade nicht vermeidet, sondern auf sich nimmt.
Auf grünen Wiesen lässt sich leicht von Gottes Geschenken reden. Was wird draus, wenn man seine Komfortzone verlässt und sich im finstern Tal auf die dort vom Schiksal Gebeutelten einlässt und dort die ganze Ohnmacht spürt, hilflos ohne Lösung, nur zuschauen kann, mitleiden, aber den Weg letztlich nicht mitgehen kann?

Sollte ich jemals selber in eine solche Situation kommen, wünsche ich mir Seelsorger, die sich nicht die Hände in frommen Idealen waschen, sondern sich auf meine besch..ene Situation einlassen, mit mir ringen und ggf. auch dabei bleiben, wenn ich nicht mehr ringen kann.

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Frau Lackus!
Was für eine Wohltat ist ein solcher Artikel! Haben Sie herzlichen Dank dafür!
Sie haben so wunderbar die GRAUEN Zonen des Lebens, der Entscheidungen, der Stellungnahmen in Interviews und in der Palliativarbeit von Pflegenden und Ärzten skizziert. Und von die in der begleitenden Seelsorge.
Als altem Palliativarzt haben Sie mir aus der so bunt gepunkteten Seele gesprochen! WIR haben allerdings auch das große Privileg, in zumeist traurig begrenzter Zeit, die Lebensenergie der Betroffenen spüren und wenn irgend möglich, sie auch ein wenig schützen zu dürfen.
Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen Segen und Kraft für Ihr Leben, und dass Sie Krankheit mit wunderbaren Enkelplänen, Visionen, Humor, Distanz und Gottes Hilfe in Schach halten können!
Mit großem Dank für Ihre Arbeit
Claudius Löns

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Ich persönlich bin der Meinung, dass es jedem Menschen selbst überlassen sein sollte,wann, wie und wo er sterben möchte. Ich kenne einige Menschen, die grosse Angst vor dem langen Leiden haben, denn auch Schmerztherapien helfen nur bis zu einem gewissen Grade und wenn mann aufgrund einer schweren Erkrankung weiss, dass man z.B. ersticken muss, ist nur das selbst bestimmte Sterben ein Ausweg

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Ein beeindruckender Artikel. Wir sind als Christen alle gehalten, uns des Tatbestandes bewußt zu werden, daß der Tod nicht wirklich das Ende ist. „Denn wir wissen, wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“ (2. Kor. 5, 1). Johannes Paul II. hat dazu angemerkt, daß „… der sterbende Mensch keine Tablette (wolle), um dann allein gelassen zu werden, sondern echte Hoffnung, menschliche Nähe und eine haltende Hand“ (Ansprache an die Bischöfe aus Südwestdeutschland, Rom, 19.12.1992).
In diesen Überlegungen finden wir die Begründung und das Verständnis moderner palliativmedizinischer Versorgung.
Dabei weist die Verf. auf einen weit verbreiteten Irrtum hin: Es sei zudem absurd und rechtlich sicher auch regelbar, wenn Ärzte und Ärztinnen befürchten, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen, wenn sie Patienten beispielsweise stark wirksame Medikamente für mehrere Tage verschreiben.
Diese Auff. ist verkehrt und ihr kann nicht deutlich genug widersprochen werden. Damit wird die Justiz zu einer Art „Buhmann“ deklariert.
1.) Der sorgsam einen moribunden und Schmerzen leidenden Patienten begleitende Arzt kann und darf diesen Patienten aus ethischen Gründen seines ärztlichen Berufes nicht „leiden“ lassen. Es ist seine ärztliche Pflicht, unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes diesen Patienten die Medikamente zukommen zu lassen, die zu einer Schmerzbeseitigung führen. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass eine hohe Dosierung solcher Medikamente unter Umständen geeignet ist, ein früheres Lebensende zu bewirken. Der Arzt muss diese Grenze sehen und in diesem Wissen so viele Medikamente geben, wie erforderlich sind, um den Schmerz zu beseitigen und möglichst den Todeseintritt vermeiden.
2.) Man wird mir jetzt das vielfach erörterte Schicksal jener Ärztin aus Hannover entgegenhalten, die (ohne einen Suizid) mit großer Wahrscheinlichkeit strafrechtlich verurteilt worden wäre. Auch diese Ärztin hatte weitestgehend (soweit man das den Veröffentlichungen in der Presse entnehmen konnte) mit moribunden Patienten zu tun. In ihrer menschlichen Zuwendung hat sie dabei übersehen, sorgsam zu handeln und wurde möglicherweise in ihrem eigenen Strafverfahren auch falsch beraten. Damit ist folgendes gemeint: eine engmaschige Abfrage des Schmerzzustandes beim Patienten, dessen Dokumentation und die medizinisch indizierte und dokumentierte Reaktion des Arztes in Form von Medikamentengaben. Wenn die Ärztin in dieser Weise gehandelt hätte, wäre niemand auf die Idee gekommen, sie wegen irgendwelcher Tötungsdelikte in Anspruch zu nehmen. Eine ganz wesentliche medizinisch-technische Maßnahme in Palliativstationen ist der vorstehend beschriebene Weg der Kommunikation zwischen dem Fachpersonal der Kliniken (Ärzte, Pfleger, Seelsorger usw.) und dem Patienten.
Gerade das ist die Aufgabe von Palliativstationen: Bei einer fachlich guten medizinischen Versorgung soll hinzukommen die menschliche Begleitung. Menschen am Ende ihres Lebens sollen nicht alleine gelassen werden mit einer Pille. Dies ist auch der Sinn der gemeinsam vom Rat der EKD und der Katholischen Bischofskonferenz erarbeiteten christlichen Patientenverfügung, die gerade nicht vom Abschalten irgendwelcher Maschinen spricht, sondern davon, diesen Zustand der Begleitung herbeizuführen. Genau das ist auch die Conclusio der Verfasserin, die auf eine gute Palliativmedizin vertrauend auch diesen „Graubereich“ am Ende des Lebens sieht und akzeptiert.

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