Atomzeichen mit Mensch
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Atomwaffen-Verbotsvertrag: "Triumpf der politischen Moral"
29.10.2020

„Ein Atomkrieg wäre der letzte Krieg der Menschheitsgeschichte, weil es danach keine Menschen mehr gäbe, die noch einen Krieg führen könnten,“ Michail Gorbatschow.

Das sagt Michail Gorbatschow in unserem gemeinsamen Buch „Nie wieder Krieg – Kommt endlich zur Vernunft“.

Diese Erkenntnis ist jetzt auch auf der UNO-Ebene angekommen. Ab Januar 2021 ist der Atomwaffen-Verbotsvertrag in Kraft und geltendes Völkerrecht nachdem Honduras als 50. Staat diesen Vertrag soeben ratifiziert hat. Ist das nur Symbol-Politik oder wirklich ein Schritt in eine sichere Welt?

Der Dalai Lama schreibt: „Dieser Vertrag verändert die Welt. Er ist mehr als ein Symbol“. Jetzt ist tatsächlich ein Ächtungsprozess in Gang gekommen, bei dem sich alle neun Atomwaffen-Staaten für ihr Tun rechtfertigen müssen. Das gilt auch für Staaten wie Deutschland, das noch immer US-Atomwaffen auf seinem Territorium duldet.

Atomwaffen verschrotten wie unter Gorbatschow

Die Atomwaffen-Staaten ( USA, Russland, China, England, Frankreich, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea) haben jetzt nicht mehr das Sagen. Von diesem Vertrag gibt es kein Zurück. Sie müssen sich ständig für ihr völkerrechtswidriges Verhalten rechtfertigen oder dem Vertrag beitreten und ihre A-Waffen verschrotten so wie das vor 30 Jahren dank Michail Gorbatschow und Ronald Reagan auch möglich war. Die Welt wurde sicherer, der kalte Krieg war beendet und die friedliche deutsche Wiedervereinigung wurde möglich. Doch jetzt hat wieder ein atomares Wettrüsten begonnen.

Ohne die Jahrzehnte langen Bemühungen der internationalen Friedensbewegungen wie ICAN  (International Campaign to Abolish Nuclear weapons), die 2007 für Ihren Abrüstungsbemühungen den Friedensnobelpreis erhielt, wäre der jetzige Erfolg in der UNO nicht möglich geworden. ICAN wird von 456 Organisationen in 100 Ländern unterstützt, auch von der jungen FFF-Bewegung (Transparenz TV: Atomwaffenverbot in Kraft).

Der neue Vertrag ist ein Faktum und die Bundesregierung wird sich im Wahljahr 2021 fragen lassen müssen, warum sie diesem Vertrag nicht beitritt. Bisher haben sich die großen Staaten im Westen hinter der NATO versteckt und einen Beitritt abgelehnt. Doch inzwischen fordern 56 ehemalige NATO-Außen- und VerteidigungsministerInnen ein weltweites Verbot von Atomwaffen und eine Abkehr von der atomaren Abschreckungspolitik.

Diese Forderung ist umso wirkmächtiger, als unter den UnterzeichnerInnen mit Javier Solana und Willy Claes gleich zwei ehemalige NATO-Generalsekretäre firmieren. Aus Deutschland haben sich der frühere SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping und der ehemalige Außenminister Joschka Fischer dem gemeinsamen atomaren Abrüstungs-Appell angeschlossen.

Ein Atomkrieg würde einen nuklearen Winter und damit eine Klimakatastrophe sowie eine unvorstellbare humanitäre Katastrophe zur Folge haben. Das würde selbst für einen begrenzten Atomkrieg gelten. Atomkriegs-Verhinderung und Klimaschutz gehören zusammen. Die Gefahr eines Atomkriegs ist erst aus der Welt, wenn alle Atomwaffen verschrottet sind.

Schon 2010 hat der Bundestag bereits den Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland gefordert. Auch der damalige Außenminister Westerwelle hat dies unterstützt. Doch die Bundeskanzlerin hat sich bis heute dieser Forderung nicht angeschlossen. Und was ist passiert – nichts.

Der Atomwaffen-Verbotsvertrag wird 2021 ein Wahlkampfthema

1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat gegründet. Ein Rechtsstaat muss internationales Völkerrecht anerkennen oder er ist kein Rechtsstaat. Also muss Deutschland dem neuen Atomwaffen-Verbotsvertrag beitreten. Die gesamte außerparlamentarische Opposition wie FFF, die Friedensbewegung, die Kirchen, Greenpeace und alle Umweltverbände sowie bis jetzt über 150 Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen außer der AfD, aber auch über 100 deutsche Großstädte, darunter die Hauptstädte aller 16 Bundesländer, wollen, dass Deutschland diesem Vertrag beitritt. Das wird 2021 ein zentrales Wahlkampfthema.

Erst wenn Deutschland diesen Vertrag unterstützt, ist es ein wirkliches Friedensland. Das gehört zur Lehre aus unserer Geschichte des 20. Jahrhunderts. Michail Gorbatschow, der Papst und der Dalai Lama sind sich einig in der Erkenntnis: Entweder wir schaffen die Atombomben ab oder diese schaffen irgendwann uns ab.

Michail Gorbatschow, der mit seiner mutigen Abrüstungspolitik vor 30 Jahren die Voraussetzung für unser Überleben schuf: „Eine atomwaffenfreie Welt ist ein Triumpf der politischen Moral. Dafür müssen wir jetzt kämpfen.“ Atomwaffen sind nun erstmals international geächtet. Die Chemiewaffen und die biologischen Waffen wurden im 20.Jahrhundert geächtet, warum soll es also nicht gelingen, auch die Atomwaffen im 21. Jahrhundert abzuschaffen?

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Im Völkerrecht gilt immer noch der Grundsatz "Pacta tertiis nec nocent, nec prosunt". Demzufolge mag der sog. Atomwaffen-Verbotsvertrag mit Ratifizierung des 50. Unterzeichnerstaates völkerrechtlich wirksam werden - aber eben nur für die Vertragsstaaten.
Es ist deshalb intellektuell unredlich, denjenigen Staaten, die diesem Vertrag nicht beigetreten sind, völkerrechtswidriges Verhalten vorzuwerfen.
Für den Besitz von Nuklearwaffen, bzw. für die politische und militärische Teilhabe daran, gibt es - immer noch - gute Gründe.
Herr Alt scheint es nicht nötig zu haben,sich mit diesen Gründen auseinanderzusetzen.

Herr querdenker schreibt: "Für den Besitz von Nuklearwaffen, bzw. für die politische und militärische Teilhabe daran, gibt es - immer noch - gute Gründe."

Es gibt den einen, durchschlagend guten Grund. Die über Nuklearwaffen verfügende Staatsgewalt kann die gegnerische Staatsgewalt samt deren Land und Insassen pulverisieren. Und vorher politisch erpressen. Falls die gegnerische Herrschaft auch über Atomwaffen verfügt, hat sie denselben guten Grund. Wenn die guten Gründe dann zum Tragen gekommen sind, können die Leichen und Trümmer immer noch um die Wette strahlen, wer von den guten Gründen die besseren hatte. Und mit Atomwaffenverbotsvertrag und entsprechender Rechtsauffassung auch noch stolz darauf hinweisen, dass sie Opfer eines völkerrechtswidrigen Gemetzels geworden sind. Wie tröstlich!

Fritz Kurz

Werter Herr Kurz, Ihr Szenar ist zweifellos denkbar als bloße Vorstellung,die Möglichkeit seines realen Eintreffens ist jedoch nicht existent: Solange jede kriegführende Seite über die Fähigkeit verfügt, der anderen einen Schaden zuzufügen, der größer ist als ein zu erwartender Vorteil - und dies ist in dem von Ihnen geschilderten Szenar offensichtlich der Fall - werden beide Seiten von einer bewaffneten Auseinandersetzung Abstand nehmen.
Dies ist einer der vielen guten Gründe für das Beibehalten nuklearer Optionen.Herr Dr.Alt macht es sich da ein wenig zu leicht...

Antwort auf von querdenker (nicht registriert)

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".....werden beide Seiten von einer bewaffneten Auseinandersetzung Abstand nehmen." Nein, das ist eine gefährliche Verwechslung der Kosten-Nutzen-Analyse eines Unternehmers mit den Entscheidungsgründen von Staatenlenkern. Keine Staatsführung sagt: "Krieg führe ich dann, wenn es sich rechnet." Beim Krieg geht es darum, den gegnerischen Willen zu brechen, um die eigenen Ziele durchzusetzen, die regelmäßig in den höchsten Regionen des aktuellen, vor Ort gültigen Wertehimmels angesiedelt sind. Eigene Schädigungen und Verwüstungen sind von den Staatsinsassen hinzunehmen. Sie waren und sind niemals ein Grund, der Führung die Gefolgschaft aufzukündigen. Ganz im Gegenteil. Je mehr Leichen, umso größer die Verpflichtung, der eigenen Sache die Treue zu halten, bis zur letzten Patrone oder Atombombe.

Fritz Kurz

Sie haben vollkommen Recht,menschliche Verluste und materielle Schäden, können von den Kriegführenden - selbst im größten Ausmaße - einkalkuliert werden.Allerdings ist es nicht vorstellbar, dass ein Krieg begonnen wird unter billigender Inkaufnahme einer vollständigen oder weitgehenden Vernichtung von eigenem Staatsvolk und Infrastruktur. Und genau dies ist der Fall,wenn die andere Seite ebenfalls über Nuklearwaffen verfügt. Das Offenhalten nuklearer Optionen trägt also nicht per se zur Gefährdung des Friedens bei - ganz im Gegenteil.
Herr Dr. Alt muß sich eben den Vorwurf einseitiger Argumentation gefallen lassen.

Antwort auf von querdenker (nicht registriert)

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"Allerdings ist es nicht vorstellbar, dass ein Krieg begonnen wird unter billigender Inkaufnahme einer vollständigen oder weitgehenden Vernichtung von eigenem Staatsvolk und Infrastruktur." Für Staatenlenker und Militärstrategen ist der Beginn eines Nuklearkrieges gerade nicht unvorstellbar. Im Gegenteil, da sind die Herren und Damen durchaus Realisten und nehmen genau dieses Szenario als selbstverständliche Grundlage ihrer Politik und Strategie. Herstellung, Sicherstellung und Ausbau der nuklearen Erstschlag-, Zweitschlag- und Drittschlagfähigkeit sind Standard. Ebenso das Bemühen, der Gegenseite diese Kapazitäten zu beschneiden.

Der Spruch von der Unvorstellbarkeit dessen, was Grundlage des täglichen Handelns ist, zielt darauf, das verehrte eigene Menschenmaterial in Sicherheit zu wiegen. Meine Empfehlung geht dahin, darauf nicht reinzufallen.

"Das Offenhalten nuklearer Optionen", also die gewissenhafte Vorbereitung des Nuklearkrieges, "trägt also nicht per se zur Gefährdung des Friedens bei". Die Zwischenkriegszeiten, in der politischen Propaganda gerne Frieden genannt, unterliegen nicht irgendwelchen Gefährdungen. Moderne Staaten kalkulieren dauernd mit Krieg und seiner Vorbereitung, nicht erst seit dem Fortschritt in der Waffentechnologie namens Nuklearbewaffnung. Die Nuklearwaffen wurden nicht erfunden, beschafft und laufend weiterentwickelt, um Kriege unmöglich zu machen, sondern um als Sieger aus den nächsten Kriegen hervorzugehen.

Fritz Kurz

Bleiben wir weiter auf der begrifflichen Metaebene:Es ist gerade eine beidseitig vorhandene Zweitschlagskapazität, welche einen "Erstschlag" gedanklich und real unmöglich macht.(Anm.: Das Akronym hierfür lautet nicht umsonst MAD)
Die Problematik eines "Ersteinsatzes" ist demgegenüber völlig anders gelagert.Denkbar ist ein Ersteinsatz jedoch nur gegenüber einem nuklear deutlich oder völlig unterlegenen Gegner.
Dies ist ein weiterer Grund, den fraglichen Atomwaffenverbotsvertrag aktuell abzulehnen.Eine darauf abzielende,weiterführende Debatte müßte auf der Ebene der politischen Vorgaben sowie der militär-politischen Doktrinen und deren Realisierung stattfinden.

Kleiner Vorweghinweis: Wenn etwas gedanklich unmöglich ist, dann kann man es nicht denken und schon zweimal nicht darüber diskutieren. Da Sie aber mit Engagement behaupten, dass das gute alte "Gleichgewicht des Schreckens" aus den heißen Phasen des Kalten Krieges (Reich des Guten im Westen und Reich des Bösen im Osten) eine sichere Verhinderung eines nuklearen Angriffs gewesen sei, müssen Sie diesen Angriff schon denken. Also von wegen gedanklich unmöglich.

Wer einen militärischen Angriff plant, kommt nicht umhin, seinen Gegner einzuschätzen. Das ist keine Spezialität eines Nuklearkrieges. Das hat schon die Jungfrau von Orléans machen müssen, bevor sie knapp 500 Jahre später heiliggesprochen wurde. Wer zu Zeiten des Kalten Krieges gerne einen heißen Krieg daraus machen wollte, musste ebenfalls mal gucken, was der Feind so zu bieten hatte. Ziemlich viel war das. Weder die amerikanische noch die sowjetische Führung haben sich entschlossen, ihre Raketen loszuschicken.

Daraus den Schluss zu ziehen, eine mit Nuklearwaffen vollgestellte Staatenwelt sei also ein beruhigendes Plätzchen, wäre ein übler Irrtum. Schon Sie selber wählen doch Formulierungen, die zu denken geben können. Von "vollständigen oder weitgehenden Vernichtung von eigenem Staatsvolk und Infrastruktur" lese ich da. Wie weitgehend muss denn die Vernichtung sein, damit der Typ mit dem Köfferchen nicht seine Codes eingibt? Kommen denn bei laufender Fortentwicklung von Angriffs- und Abwehrtechnologie er selber, seine Geheimdienste, seine Berater und vor allem die entsprechenden Gestalten auf der Gegenseite notwendigerweise zu demselben Ergebnis?

Gleiches gilt für "nuklear deutlich oder völlig unterlegenen Gegner". Dumm gelaufen dann eben, wenn es zur Frage der Unterlegenheit und insbesondere zur Einschätzung des Grades der Unterlegenheit zwischen den Machthabern unterschiedliche Ansichten gibt.

Dass mein Lebensende davon abhängt, ob sich die über Nuklearwaffen verfügenden Staatslenker bei der Verfolgung ihrer Interessen zum Verzicht auf den Einsatz entschließen, entlockt mir kein freudiges Ja. Da hätte ich schon einen besseren Vorschlag.

Fritz Kurz

Zuerst nur soviel zu Ihrem metaphysischen Exkurs: Hier werden offenbar die Begriffe der "Vorstellung" und des "Vernunfturteils" verwechselt.Mittels des ersteren ist alles denkbar,auch das Unmögliche, der letztere, etwa in der Form "Durch rational Handelnde sowie bei Vorliegen von gegenseitiger gesicherter umfassender Zerstörungsfähigkeit ist ein Erstschlag möglich" ist zwar als Vorstellung denkbar, nicht aber als Möglichkeit.
Aber verlassen wir die Metaphysik und wenden uns der Empirie zu.Ich jedenfalls kann mir keinen "Staatenlenker" vorstellen, der bei der "Verfolgung seiner Interessen" eine mit Sicherheit eintretende,vollständige substantielle Zerstörung seiner Bevölkerung in Kauf nimmt.

Antwort auf von querdenker (nicht registriert)

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Sie haben bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es nicht sein kann, dass eine Staatsführung die Nuklearwaffen anwendet, um deren Besitz ihr immer sehr zu tun ist. Das soll es nicht geben können wegen der eigenen massiven Schädigungen.

Kann es auch nicht sein, also ein Vernunfturteil vorliegen, dass ein Staatsführer einen Krieg beginnt mit dem Ziel der Ausdehnung der Herrschaft, am Ende aber seine gesamte Herrschaft im Eimer ist?

Fritz Kurz

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