Man muss auch gönnen können
Der darf seinen Laden früher aufmachen! Die hat aber teure Masken genäht! Weg damit. Seid großzügig!
Tim Wegner
28.05.2020

Das Sofa ist zusammengekracht. Katastrophe. Seit Corona ist my sofa my castle. Und dieses Iäääng klang wie: "Zu viel gekocht und Bier getrunken." Klar haben wir seit der Ausgehsperre schon einige Kilos zugelegt. Klar hocken wir zu viel auf dem Sofa vor dem Fernseher. Anruf beim Hersteller – der ist seit zwei Tagen insolvent. Corona-Opfer. Möbelmarkt? Der hat zu dem Zeitpunkt, Mitte April, noch zu. Für den Planeten wärs auch besser, wir lassen das Sofa reparieren. Also: Lokalzeitung aufgeblättert, Rubrik "Wir sind für Sie da".

Tim Wegner

Ursula Ott

Ursula Ott ist Chefredakteurin von chrismon und der digitalen Kommunikation im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik gGmbH. Sie studierte Diplom-Journalistik in München und Paris und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Sie arbeitete als Gerichtsreporterin bei der "Frankfurter Rundschau", als Redakteurin bei "Emma", als Autorin und Kolumnistin bei der "Woche", bei der "Brigitte" und bei "Sonntag aktuell" sowie als freie Autorin für Radio und Fernsehen. 2020 und 2021 wurde sie unter die 10 besten Chefredakteur*innen des Jahres gewählt. 2019 schrieb sie den Bestseller "Das Haus meiner Eltern hat viele Räume. Vom Loslassen, Ausräumen und Bewahren".

Unter P wie Polsterer finden wir eine Telefonnummer. Diese Geschichte wäre hübscher, wenn ein gut gelaunter, notleidender Handwerker vor der Tür gestanden und uns das gute Gefühl gegeben hätte, eine Krisenexistenz zu retten. #supportyourlocal. Es kam ein arroganter Schnösel im Goldknopf-Jackett mit Einstecktuch, der eine stattliche Summe verlangte. Sodann den Sofabezug aufschnitt, die Stirn in Sorgenfalten zog wie mancher Automechaniker, wenn er die Kühlerhaube öffnet. Oh je! Die Federn! Das Holz! Er verdoppelte den Preis.

Wir fühlten uns wie vor Corona beim Schlüsseldienst. Ein bisschen – ausgenommen. Ausgeliefert. Aber dann sagte mein Mann: Komm, egal, man muss auch gönnen können. Wer weiß, wie es dem geht in dieser Zeit?Eine Challenge, ohne Frage. Ich bin Schwäbin, die Großzügigkeit ist mir nicht in die Wiege gelegt. Aber ich merke: Es fühlt sich nicht gut an, in diesen nervenzehrenden Tagen zu feilschen oder kleinlich rumzu­jammern. Was gehen mir die Freunde aus Köln auf die Nerven, die allen Ernstes ­klagen, die Bayern hätten später Sommerferien und könnten dann vielleicht wieder nach Italien fahren. Mimimi. Erstens fährt wohl keiner von uns nach Italien diesen Sommer. Und wenn doch: Jönne ­könne! Am Rhein bei Königswinter ist es auch ganz schön.

Also, ich übe. Heute in der Mittagspause stürzten sich sechs Büromenschen auf fünf Bänke in der Sonne. Zu zweit is nich – Social Distancing. Normalerweise bin ich sehr gut in "survival of the fittest", kriege auch den letzten Platz im Großraumwagen. Heute hab ich mich auf die Mauer gesetzt. Keine Energie für das Rattenrennen. Ich hoffe, ich werde nach Corona nicht überrannt. Oder werden wir alle großzügiger? Was denken Sie? Das Sofa übrigens hält, wir können munter weiter kochen und trinken. Aber nächstes Mal ruf ich beim Reparaturcafé an, so wie Willi Weitzel. Coole Idee!

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Guten Tag Frau Ott,
Als gelegentlicher Zeitleser werde ich ja auch mit Chrismon versorgt.
Zuerst etwas vorsichtig annährend, da schwäbischer Katholik, dann doch wunderfitzig, bin jetzt fast schon zum sogenanntem „treuen Leser“ geworden. Sehr lebensnahe und lebensbejahende Artikel der Ausgabe 06, und ihre Ansagen haben eine erfreuliche Frische.
Lese sehr viele unterschiedlich Kommentare und ärgere mich oft über abgelutschte, humorlose Worthülsen und Klischees, fällt bei Ihnen Alles weg und das freut mich

Spüren was War
Sehen was Ist
Hoffen was Kommt
Gute Zeit und freundliche Grüsse

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Sehr geehrte Frau Ott,
mit großer Freude lese ich immer Ihre Ansagen. Diesmal war ich allerdings ein wenig betrübt, als ich erfuhr, daß Sie die letzten Monate in einer Gegend verbringen mußten, für die eine Ausgehsperre verhängt wurde. Ich lebe glücklicherweise mit meiner Frau in Baden-Württemberg, wo wir jederzeit das Haus verlassen durften. Das haben wir natürlich ausgenutzt und sind bei dem sonnigen Wetter jeden Tag ausgiebig spazieren gegangen. So haben in wenigen Wochen mehrere Kilos abgenommen (zumal die Biergärten alle geschlossen waren).
Gekocht haben wir allerdings auch. Bei uns war es dann nicht das Sofa, sondern der Herd, der schlapp machte. Der wurde dann schnell von einem gut gelaunten Handwerker repariert.
In Vorfreude auf das nächste chrismon grüße ich Sie freundlich

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