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Susanne Breit-Keßler
Palmkätzchen, Tischgebete und Emanzipation
01.04.2020

Rituale geben Halt und Orientierung. Das weiß jeder. Palmkätzchen oder grünende und blühende Zweige anderer Bäume sammeln zum Beispiel und sie, wie die katholischen Geschwister, am Palmsonntag gebunden in die Kirche tragen zum Weihen. Danach nach Hause gehen und ein Frühstück zu sich nehmen im Kreis von Familie und Freunden. Bloß dieses Jahr nicht.

Kirche läuft über Internet oder Fernsehen und Rundfunk. Freunde müssen draußen bleiben und als Familie zählt nur, wer im eigenen Haushalt wohnt. Keine Rituale am Beginn der Karwoche? Doch. Man kann gemeinsam hinaus gehen in die Natur, in den Garten, und Zweige von Buchsbaum, Fichten, Wacholder, Thuja, Eibe oder Weiden vorsichtig schneiden. 

Man kann miteinander ein Gebet sprechen, ein Vaterunser zum Beispiel. Und um Segen bitten für das weitere Jahr. Den brauchen wir sehr dringend in den gar nicht „Goldenen Zwanzigern“. Oder man stellt das Sträußchen andächtig auf den Tisch. Und spricht dann ein Tischgebet vor dem Frühstück. Aus Dankbarkeit, weil wir genug und viel Gutes zum Essen haben. Auch jetzt.

Geistige Lebensmittel

Rituale ... Mein Vater, unübertreffbar präziser Feinmechaniker mit Schiedsrichter-Lizenz, saß jeden Samstagabend exakt um 18 Uhr vor der Sportschau. Keine Minute Fußball durfte ihm entgehen. Meine Mutter bereitete währenddessen das Abendessen zu. Fliegenpilze, also gefüllte Eier mit Tomatenhut und Mayo-Tupfern, Reissalat. Köstliches Essen.

Ich durfte beim Kicken zuschauen. Ein emanzipatorisches Ritual: Mädels gehören ins Stadion und nicht an den Herd. Rituale geben Halt und Orientierung. Sie sind verinnerlichte Gewohnheiten, die zur selben Zeit, am selben Ort und auf dieselbe Art und Weise durchgeführt werden. Sie sorgen für Heimatgefühl und machen stark für einen Aufbruch.  

Rituale nehmen einem die Last ab, immer alles immer wieder neu entscheiden zu müssen. Zugleich haben sie das Potential, einen nach vorne zu hauen, wenn man es braucht. Sie sind wie „Lebensmittel“, die man nicht hamstern muss, weil man sie ganz einfach hat. Mitten im Herz und direkt im Kopf.

Vom Blog zum Buch:
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Die Karwoche iat für mich mit oder ohne Gottesdienst in der Kirche schon von Kindesbeinen an durch Evangelissche Kinderbibellstunden eine spirutelle Erdahrung. Das Schweigen an Karfreitag, zur Jesus Todeszeit, ist für mich der innere Ruhepunkt. Der Satz: Jetzt und in der Stunde unseres Todes ... erfüllt mich mit Demut.
Frohe Ostern!

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