Gequälter Aufklärer
Die US-Militärs wollen Julian Assange, den Gründer von Wikileaks, mundtot machen. Und wir lassen sie gewähren. Ein Skandal.
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
25.02.2020

Ein US-Luftangriff in Bagdad am 12. Juli 2007, zehn Tote, darunter Reuters-Fotograf Namir Noor-Eldeen. Es waren Aufständische, sagt die US-Armee. Die Nachrichtenagentur Reuters verlangt, dass der Vorfall untersucht wird, vergeblich. Das Militär mauert.

Drei Jahre später veröffentlicht die Internetplattform Wikileaks ein schockierendes Video. Es zeigt Namir Noor-Eldeen und weitere wehrlose Zivilisten aus der Perspektive der Schützen in einem Apache-Hubschrauber. Die US-Soldaten ballern aus sicherer Distanz auf Menschen, die erkennbar Zivilisten sind. Dieses Video wie viele andere veröffentlichten Unterlagen zeigen: Die Militärs belogen die Öffentlichkeit über das, was wirklich im Irak und in Afghanistan passiert.

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Burkhard Weitz

Burkhard Weitz war als chrismon-Redakteur bis Oktober 2022 verantwortlich für die Aboausgabe chrismon plus. Er studierte Theologie und Religionswissenschaften in Bielefeld, Hamburg, Amsterdam (Niederlande) und Philadelphia (USA). Über eine freie Mitarbeit kam er zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" und war mehrfach auf Recherchen in den USA, im Nahen Osten und in Westafrika. Seit November 2022 betreut er als ordinierter Pfarrer eine Gemeinde in Offenbach.

In Demokratien entscheiden Wähler und Wählerinnen, wer ihre Armeen in Gang setzt. Sie müssen daher wissen, was ihre Armeen treiben. Aber das Militär informiert nicht. Julian Assange hat mit seiner Internetplatform Wikileaks genau das getan. Er hat auch Unsinn verbreitet, sich vielleicht von Geheimdiensten instrumentalisieren lassen. Aber er hat aufgeklärt. Und dafür hassen ihn die Militärs.

Die USA wollen Assange anklagen. Schon 2010 konstruierten schwedische Staatsanwälte Vergewaltigungvorwürfe, um ihn ausgeliefert zu bekommen - Rechtsbeugung im Dienst der Amerikaner. Assange floh 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London, steckte dort sieben Jahre fest, bis die Amerikaner auch Ecuador weichgekocht hatten. Dann verhaftete ihn die englische Polizei. Am 24. Februar beginnt sein Auslieferungsverfahren. In den USA drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hat Julian Assange zusammen mit Ärzten besucht: Er zeige Symptome psychischer Folter, berichtete er. Es ist ein Skandal, wie diesem Menschen zugesetzt wird. Wofür? Dafür, dass er uns gezeigt hat, was wir wissen müssen, um demokratisch entscheiden zu können? Das wäre doch empörend!

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Julian Assange, einst verehrter Held des digitalen Zeitalters, führt derzeit seinen wichtigsten Kampf: dagegen, lebendig begraben zu werden. Er darf nicht an die USA ausgeliefert werden !
Jetzt wird nun im Londoner Magistrate Court über seine Auslieferung an die USA verhandelt, als sei er ein Schwerverbrecher. Die US-Staatsanwälte werfen dem Wikileaks Gründer Verschwörung und Spionage vor, weil er 2010 vertrauliche Dokumente der US-Regierung veröffentlicht hat (zusammen mit diversen Journalisten). Schon der Versuch, ihn als Spion abzustempeln, zeigt, wie politisch vergiftet dieser Prozess ist.
Julian Assange hat einst die Machtfrage gestellt. Die mächtigste Nation der Welt schlägt nun, mit zehn Jahren Verspätung zurück. Ihre Anklage enthält eine Botschaft von Rache und Abschreckung. Rache an Assange, Abschreckung von potenziellen Whistleblowern.
Umso mehr muss die demokratische Öffentlichkeit Assange jetzt gegen die drohende Auslieferung verteidigen. Denn wenn ein Publizist für die Veröffentlichung von Regierungsdokumenten, die dramatisches Fehlverhalten enthüllen, als Spion verfolgt und mit 175 Jahren Haft bedroht wird, dann ist nicht nur dessen Leben in Gefahr. Vertrauliche Dokumente entgegenzunehmen, auszuwerten und zu publizieren zählt zu den ureigensten Aufgaben von Medien, die in den USA ebenso wie in Deutschland als Korrektiv der Mächtigen gedacht sind. Ein Verbrechen ist es nicht.

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Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Ausgabe 3/20 von chrismon plus laden Sie Leser ein, zu den auf S. 12/13 abgedruckten Kurzartikeln ihre Meinung zu äußern. Davon möchte ich gern folgendermaßen Gebrauch machen:
Man muß Burkhard Weitz sehr dankbar sein für seinen Artikel "Gequälter Aufklärer", mit dem er auf das Schicksal von Julien Assenge aufmerksam macht. Man muß Julien Assenge als Person, als Mensch nicht mögen, seine dauerhafte Inhaftierung entbehrt m. E jeder rechtlichen Grundlage; denn er ist m. W. bisher noch nicht in einem ordentlichen Gerichtsverfahren rechtskräftig verurteilt worden. Die Behandlung, der er dabei unterworfen ist, widerspricht komplett allem, was unter Menschenrechten zu verstehen ist. Sie zielt auf seine vollkommene psychische und, dadurch bedingt, auf seine physische Zerrüttung, sprich: Tod. Schließlich: Veröffentlichung interner Vorgänge sind an und für sich "nicht schön". Gehört sich nicht. Doch ohne solche Whistleblower wie ihn oder Edward Snowdon u. a. würde die Welt nichts von den Unrechtstaten erfahren, zu denen auch westliches Militär und auch westliche Politik bereit und in der Lage sind.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen R.

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