...ich will dir danken, dass ich danken kann
Dankbarkeit ist zu Wellness-Tipp Nummer eins geworden. Hier der Gegentrend: Bitte alles in Maßen!
Tim Wegner
27.11.2019

"Danke, dass Sie den Stern lesen", steht in jedem Editorial des Wochenmagazins, und immer zucke ich zusammen. Hilfe, steht es schon so schlimm um die Printmedien? Bin ich die ­letzte Leserin? Ich zucke auch, weil wir bei chrismon mal getextet haben: "Danke für 1,6 Millionen Leser". Bis wir selber merkten: Ähm, danke?

Wir Journalisten machen unseren Job, und wenn wir ihn gut ­machen, werden wir ge­lesen. Von Menschen, die Ver­gnügen, Erkenntnisgewinn oder so was ­Ähnliches haben. "Danke für ­Ihren Einkauf" ist okay an der Rewe-­Kasse. Aber ein bisschen mehr als Klopapier verkaufen wir doch in unseren Medien.

Danke sagen: Ja! Aber in der richtigen Dosis

Danke sagen ist eine feine Sache, aber sie will richtig dosiert sein. In jedem Achtsamkeitstraining wird gelehrt: Abends vier Dinge aufschreiben, für die ich dankbar bin. Schüttet Dopamin aus der Hypophyse aus. Klingt ein bisschen billig – als wäre Dankesagen so eine Art Sit-up fürs Hirn. Und ich frage mich: Bei wem jetzt noch mal genau Danke sagen?

"Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich", heißt es in der Bibel. Den Adressaten mag jede und jeder selber bestimmen, doch geht es wirklich ganz ohne? Mein Fitnessstudio mailt mir zum Thema "Selbstliebe", ich möge dankbar sein für "ein Eis in der Mittags­pause". Ja, schon. Ich kann Grazie sagen dem Eis­verkäufer und Danke dem Chef, dass er mich an die frische Luft gelassen hat. Aber mir selber?

Ich brauche jemanden, den ich um Verzeihung bitten kann

Die Selbstliebetipps gehen noch weiter: "Vergib dir!", so der Rat. "Höre dir zu und verzeihe." Sorry, da bin ich raus. Ich brauche beim Dankesagen ein Gegenüber, ich brauche zum Verzeihen jemanden, den ich um Verzeihung bitten kann. Sonst kann die nächste Bibel­übersetzung auch gleich lauten: "Danke dir selbst, denn du bist perfekt und lebst für immer und ewig."

Danke sage ich für etwas, das nicht selbst­verständlich ist: chrismon-Leser und 
-­Leserinnen haben im letzten Jahr ganz 
oft ­geholfen, mit Geld, Zuspruch und einem 
Okulier­messer. Mehr auf Seite 38. Ihnen 
eine gesegnete Adventszeit!

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Liebe Frau Ott,
in der Tat müssen Sie sich nicht bedanken, dass Leute zu Ihrem magazin greifen, sondern wir als Leser können uns glücklich schätzen, dass Sie so ein vielseitiges Magazin herausbringen.
Die aktuelle Ausgabe habe ich bisher bloß bis S. 16 gelesen, aber bis zu dieser Seite war wirklich alles lesenswert, klug, amüsant, anregend - je nach Artikel. Für mich als Erdkunde-Lehrerin sowohl Permakultur als auch Kiruna bei Nacht beruflich anregend, die Geschichten zum Wohnen höchst nachdenkenswert.
Super, weiter so!
Herzliche Grüße
Bärbel Zinsmeister

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Sehr geehrte, liebe Frau Ott,
gerade lese ich in Ihrer Dezemberausgabe, dass Sie als Redaktionsteam auch viele sehr negative Rückmeldungen "verdauen" müssen.
Da will ich ganz schnell mal "Danke" sagen für Ihre gemeinsame, wirklich wunderbare Arbeit!
Sie pflegen wirklich einen "berührenden" Journalismus und gleichzeitig ist zu spüren, dass diejenigen, die da recherchieren und schreiben, auch berührt sind, von dem, was sie da alles sehen und erfahren.
Danke - und viel Kraft und Mut für das neue Jahr.
Herzlich grüßt
Ihr Leser und oft Stauner
Wildrik Piper

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