privat
„Wie Gott verschwand aus…“
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
23.07.2019

Auf über 300 Seiten hat Geert Mak vor nun schon 20 Jahren die Geschichte vom Niedergang des niederländischen Dorfes Jorwed beschrieben. Die Industrialisierung der Landwirtschaft, die Abwanderung in die Städte, soziale, politische, wirtschaftliche, demographische Umwälzungen beendeten eine harte, arme, aber auch traditionsreiche und eigentümlich schöne Lebensform. Doch von all den klugen, faszinierenden Beobachtungen Maks ist mir nur dieser eine Satz in Erinnerung geblieben:

„Die Landwirtschaft ging reich zugrunde.“

Es war der neue Wohlstand, der die alte Welt unter sich begrub.

Dieser Satz kam mir wieder in den Sinn, als ich in der vergangenen Woche über die aktuellen Kirchenaustrittszahlen las. Noch verfügt meine evangelischen Kirche über erhebliche Finanzmittel. Doch was nützt es, wenn sich immer mehr Menschen von ihr verabschieden? Geht auch meine Kirche reich zugrunde?

Mich haben die neuen Zahlen erschreckt. Ich kenne einige Gründe dafür, weiß von lang sich aufbauenden Entwicklungen. Aber es scheint, als wäre ein Kipp-Punkt erreicht, der dem Niedergang eine fatale Dynamik verleiht. Und ich reagierte, ehrlich gesagt, zunächst mit einer Mischung aus Angst, Wegschauen, Selbstmitleid und ohnmächtiger Ratlosigkeit auf die schlechten Nachrichten. Haben ich und meine Generation denn alles falsch gemacht? Will niemand mehr etwas von uns wissen? Und, was sollen wir tun?

Aber dann versuchte ich, mich selbst zu ermahnen: Feigheit, Selbstgerechtigkeit und Larmoyanz sind keine guten Ratgeber in einer dramatischen Krise.

Bei einem Abendessen am Wochenende fragte mich jemand: „Wann erfindet sich die Kirche endlich neu?“ Ich wollte ihm aufzählen, was wir alles schon unternehmen. Dann wurden wir unterbrochen. Es war besser so, geht es doch nicht um neue Formen, Strukturen, Methoden und Angebote kirchlicher Arbeit, sondern um Tieferes.

Wenn überhaupt etwas hilft, dann die eigene Konzentration auf das Wesentliche des christlichen Glaubens: die Liebe zu Gott und dem Nächsten. Daraus muss alles weitere folgen. Ein Gottesdienst in meiner alten Gemeinde und eine seelsorgerliche Begegnung haben zumindest mir geholfen, wieder Tritt zu fassen und mich wieder neu an die Arbeit zu machen.

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Vermutlich müsste sich die Kirche gar nicht neu erfinden, sondern schlicht studieren, wie die Gemeinde Christi am Beginn mit dem biblischen Evangelium eine derartige Dynamik entwickeln konnte über Jerusalem, ganz Judäa, Samarien bis an die Enden der Erde (Apg. 1:8).
Weiterhin, warum die Reformation und die darauf folgenden Erweckungsbewegungen so eine Schlagkraft hatten.
Es ist eine Wechselwirkung von Treue gegenüber Gott im Gehorsam seinem Wort gegenüber und seines Segens als Antwort auf die Treue, welcher bis heute in vielen Kirchen weltweit wirkt und Wachstum schenkt!

Vielen Dank für die schöne und präzise Rückmeldung!

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