Uganda - Wir sind jung und ihr seid alt
Uganda - Wir sind jung und ihr seid alt
Brian Otieno
Wir sind jung und ihr seid alt
Uganda ist eines der am schnellsten wachsenden Länder der Erde. So viele Kinder und Jugendliche! Ob sie wirklich eine Chance haben, ihr Land nach vorne zu bringen, entscheidet sich jetzt.
Tim Wegner
25.06.2019

Beim Abflug am Flug­hafen ein letzter Blick in die Tageszeitung. "Anwohner gegen Grundschule" titelt die "Frankfurter Rundschau" im Lokal­teil, im Stadtteil Eschersheim befürchten die Bürger, eine neue Schule bringe zu viel Verkehr und Lärm. Wohlgemerkt, es geht nicht um ein Windrad oder eine Altöldeponie. Die Bürger wollen keine Grundschule im Viertel, keine Kinder mit aufgeschlagenen Knien und klappernden Skateboards. Altes Deutschland. Nur noch 13 Prozent der Deutschen sind unter 15.

Die Autorin im Gespräch über ihre Recherche: Wie hast du das gemacht, Ursula Ott?

Bye-bye, Frankfurt. Hello, ­Entebbe in Uganda. Bei der Ankunft am Flughafen ein erster Blick in die regionale Tageszeitung. Der "East African" schreibt: "Fasten your seat belts, ­Leute! Das ostafrikanische Jahrhundert steht vor der Tür". Jeder zweite Bürger in Uganda ist unter 15, es ist eines der am schnellsten wachsenden Länder der Erde. Hello, junges Uganda.

Tim Wegner

Ursula Ott

Ursula Ott, 55, war mit Margot Käßmann und ­Renate Bähr von der Deutschen Stiftung Welt­bevölkerung ­unterwegs, Otts Reise bezahlte chrismon.

Im Jahr 2100 wird einer von drei Weltbürgern Afrikaner sein. Was Thilo Sarrazin und anderen alten weißen Männern den Angstschweiß auf die Stirn treibt, sorgt in Uganda für Stolz und Selbstbewusstsein. Wir sind jung! Wir sind dynamisch! So viel ­Power, so viel Innovation – bald werde man die "demografische Dividende" ernten, frohlockt sogar die Regierung.

Ernte. Dividende. Scheußliche Worte. Aber darin steckt eine große Hoffnung: Während in den über­alterten Industrienationen bald auf jeden Rentner nur noch ein Erwerbstätiger kommt, steht in den Ländern Afrikas eine junge, leistungsbereite Generation bereit. Fasten your seat belts! In 35 Jahren wird Afrika die "Lebenskraft der Menschheit" verkörpern, verkündet mit viel Pathos der senegalesische Ökonom Felwine Sarr, Berater von Emmanuel Macron. Mit Lebenskraft meint er: Afrika wird den höchsten Anteil von Einwohnern im Alter zwischen 15 und 45 Jahren aufweisen.

Pregnancy Spacing - den Abstand zwischen den Geburten vergrößern

Aber die Ernte kann nur eingefahren werden – das gibt auch die Regierung zu in ihren offiziellen ­Papieren –, wenn sich ein paar Dinge ändern. Wenn die Mädchen nicht mit 13 schwanger die Schule verlassen. Wenn sie nicht mit HIV infiziert werden. Wenn die Abstände zwischen den Geburten größer werden, man nennt das "pregnancy spacing": den Abstand vergrößern zwischen Kind eins, Kind zwei – und bitte maximal Kind vier.

Die Fruchtbarkeitsrate in Uganda liegt bei 5,3 Kindern – das ist selbst für ostafrikanische Verhältnisse eine sehr hohe Zahl. Zu hoch. Darf man das überhaupt sagen als Europäerin, ohne gleich mit Sarrazin zu sympathisieren? Und wie sind die Chancen, dass die Rate sinkt, die "Ernte" eingefahren wird?

Empowerment. Im Trainingscenter der DSW lernen Fiona und die anderen jungen Leute freie Rede und Selbstbewusst­sein.

Zum Beispiel Fiona. Sie ist 17, sie spricht bestes Englisch, und als ihr Lehrer fragt, wer einen Vortrag über Stress halten möchte, geht sie mit ­geraden Schultern und aufrechtem Kopf, die vielen Zöpfchen akkurat geflochten, nach vorne: "Stress entsteht, wenn ich unter Druck bin. Unter Druck gerate ich, wenn ich nicht gut auf meine Gefühle geachtet habe." Heee, woohoo, Beifall in der Klasse.

Fiona sitzt mit 20 anderen Jugendlichen in einem Klassenzimmer in Lu­-bowa, eine knappe Stunde entfernt von der ugandischen Hauptstadt Kampala. Vor dem Fenster toben kleine Affen durch den Park. An der Stellwand hinter Fiona kleben Karteikarten: "Selbstbewusstsein", "Achtsamkeit", "Gefühle". Ein monströser Holzpenis steht auf dem Tisch, Pillenpackungen und Hormonpflaster liegen daneben. Im Trainingscenter der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) ­lernen die Jugendlichen alles über Liebe und Sexualität. Und obwohl es bei 29 Grad ganz schön schwül ist, wird zwischen den Theorieeinheiten getanzt. Ententanz. Dada dudu dadada. Die Stimmung ist ausgelassen. Junges, gut gelauntes Uganda.

Und sie lernen alles über Verhütung und Aids.

Fiona, denkt die Besucherin, hat gute Chancen. Wird sie die Schule zu Ende machen? Wird sie "Nein heißt Nein" sagen? Wird sie weniger Kinder bekommen und die Geburten über­leben?

Viele Männer werden dabei eine ­Rolle spielen. Der Papst. Donald Trump. Alte Männer, die jungen Mädchen die Schule bezahlen und dafür Sex ohne Kondom verlangen. Junge ­Männer, die es künftig besser machen wollen und sagen: "Wir beschützen unsere ­Schwestern." Ein Versuch der Klärung.

Der Papst ist gegen Verhütung, aber Rom ist weit weg

Der Papst. Sein Bild hängt leicht verblichen im Joint Medical Store, einem zentralen Waren­lager in Kampala, das von der katholischen, der evangelischen und der orthodoxen Kirche betrieben wird. Ein modernes Gebäude mit einem Kühlraum für Impfstoffe, einem ­Coffeeshop für die Mitarbeiter und einem klinisch sauberen Show­room mit Sauerstoffgeräten und Gebärbetten. Hier lagern zwei Millionen Moskitonetze, Aidsmedikamente, acht Millionen Packungen, aber auch Kondome, Verhütungspflaster und Dreimonatsspritzen. Der Papst ist gegen Verhütung, klar, aber Rom ist weit weg. Und zum Glück ist das ­Lager ja ökumenisch. "Wenn ­eine Kondombe­stellung eingeht", feixt ­Lagerdisponentin Joanita, "sagen wir, das wird von der protestantischen Hälfte bezahlt."

Die Kirchen spielen eine wichtige Rolle bei der Familienplanung. Ge­rade erst scheiterte die Bildungsministerin Janet Museveni, Ehefrau des Ministerpräsidenten, mit ihrem Versuch, einen modernen Sexualkunde­unterricht zu etablieren. Der Plan klang sinnvoll, schon kleine Kinder sollten aufgeklärt werden. Aber die "Rahmen­richtlinien" wurden zu früh an die Kirchen durchgestochen, die witterten "Aufforderung zu Kinder­sex" und "Schlafzimmergeschichten".

Brian OtienoPrivat

Brian Otieno

Brian Otieno, 26, lebt in Kibera, der Millionenstadt in Kenia, die wir Slum nennen. ­Brian nennt es sein Studio. Seine "Kibera Stories" gewinnen internationale Preise.

"Wie ungeschickt von ihr, an den Kirchen vorbeizuarbeiten", sagt ­Mona Herbert, Aktivist für Familienplanung in Kampala. Jeden Sonntag singt er im katholischen Kirchenchor, danach wird oft heiß diskutiert. "Wenn der Pfarrer wieder mal gegen Abtreibung hetzt", sagt der überzeugte Katholik Mona, "dann zeige ich ihm die Statistik, wie viele Mädchen nach missglückten Abtreibungen sterben. Und sage ihm: 70 Prozent von ihnen waren katholisch! Ist das Gottes Wille?" Mona macht das wahnsinnig. Die ­vielen toten Mädchen. Die vielen hoffnungsvollen Jugendlichen, die in die arabischen Golfstaaten zum Arbeiten gehen und dort oft ausgebeutet und misshandelt werden. "Unser Hauptexportgut sind junge Leute!" Es macht ihn so wahnsinnig, dass er gerade ­einen Burn-out hat. Er regt sich einfach zu schnell auf. Über sein Land, das die Jungen einfach nicht ans ­Ruder lässt. Über seine katholische Kirche, die er viel zu weltfremd findet.

Und die anderen Religionen? Zu Besuch bei Reverend Kaziimba, dem anglikaniischen Bischof von Mityana. Ein verschmitzter älterer Herr in purpurnem Gewand und Bischofsmütze, der sich an seinem Schreibtisch so hinsetzt, dass er unentwegt seinem eigenen Konterfei in die Augen sieht: Bischof Kaziimba mit Gattin Ruth auf einem XXL-Poster. "Wir müssen unsere Frauen in guter Gesundheit halten", sagt er und betont voller Inbrunst: "I am a family planning champion." Also ein Botschafter von Pille und Kondomen. Seine vier Söhne sind Pilot, Arzt, Ingenieure. Das neue Uganda, so könnte es aussehen. Er setzt in seinem Sprengel – der immerhin 1,5 Millionen anglikanische Gläubige umfasst – moderne Ideen durch: Ähnlich wie bei deutschen Tauffesten spendiert seine Kirche Traufeiern. Damit junge Leute mit wenig Geld heiraten können, ohne sich für die Party und das Brautgeld zu verschulden. "Dann sehe ich sie im Ehevorbereitungskurs", sagt der Bischof, "sage ihnen, dass sie Kondome benutzen sollen und ihre Frau nicht schlagen."

Wer zu laut "Abtreibung" sagt, kann Geldtöpfe verlieren

Ein echter Champion. Allerdings: "a champion minus abortion". Abtreibung ist das Reizwort. Die evangelikalen Kirchen, die überall in Afrika aus dem Boden schießen, verteufeln Abtreibung als Sünde. Aber auch liberalere Gruppen passen auf, was sie sagen. Das hat nicht nur religiöse Gründe. Sondern auch handfeste finanzielle. Wer zu laut "Abtreibung" sagt, könnte schnell Geldtöpfe verlieren.

Hier kommt Donald Trump ins Spiel. Seit der im Weißen Haus resi­diert, gilt die "Global Gag Rule": ­Jede ­Organisation und jede Gesundheitsstation riskiert, von heute auf morgen kein Geld mehr aus den USA zu bekommen, wenn sie Abtreibungen vornimmt oder auch nur über ­"reproductive rights" aufklärt. Schon Präsident ­Bush verfuhr so, unter Trump sind die ­Folgen ver­heerend. Kein Geld aus den USA – das heißt dann oft nicht nur: keine Pillen und Kondome. ­Sondern auch: keine Versorgung von HIV- oder ja, auch Malaria-­Patienten.

Hygiene. Monats­binden aus alten Stoffresten werden bis zu einem Jahr getragen.  Wenn Mädchen keine Binden haben ­ und manchmal noch nicht einmal eine Unterhose – versäumen sie fünf Tage Unterricht im Monat. Auf dem Weg zur Toilette müssen sie zudem Angst haben, ver­gewaltigt zu  werden. Diese  Latrine  in Kabayenga wurde so gebaut, dass sie von außen einsehbar ist.

In 29 Ländern auf der ganzen Welt mussten Vereine dichtmachen, bereits erzielte Fortschritte wurden zunichtegemacht. Uganda trifft es besonders hart, denn es ist eines der größten Empfängerländer der USA. Noch 2015 hatten 38 Nichtregierungsorganisationen 182 Millionen Dollar aus den USA bekommen, 2016 war es nur noch die Hälfte. Eine der größten, RHU ­(Reproductive Health Uganda), war gerade dabei, seine Dreimonatsspritzen in fünf weitere ugandische Bezirke zu liefern, da kam Trump an die Macht. Die Folge: 30 Prozent weniger Geld, keine Hilfslieferungen in die Flüchtlingslager, wo Frauen und Mädchen am dringendsten auf Verhütung angewiesen sind. Uganda ist südlich der Sahara das Land, das die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, vor allem aus Somalia und dem Südsudan. Dass ausgerechnet jetzt die Hilfe aus den USA ausbleibt, ist verheerend. Die HIV-Rate in den Lagern wird weiter steigen, die ­Teenagerschwangerschaften, die tödlichen Abtreibungsversuche ebenfalls.

Jede zweite Schwangerschaft in Uganda ist ungeplant. Jede vierte Schwangere ist unter 18. Zu Besuch im Muvubuka Agunjuse Gesundheits­zentrum, in einem der ärmeren Viertel von Kampala. Muvubuka Agunjuse heißt auf Suaheli "aufgeklärte Jugend", hier gibt es lustige Kondom­automaten in Herzform, junge Leute bekommen umsonst Aids­medikamente und ­Pille. Robert Kiwanuka leitet den angeschlossenen Jugendclub, er ist stolz darauf, wie viele junge Leute er schon zu Multiplikatoren ausgebildet hat. Aber ges­tern ist er fast ver­zweifelt an seinem Job. Ein 17-jähriges Mädchen kam mit Blutvergiftung und hohem Fieber, schnell stellte sich heraus, sie war schwanger und hatte mit Kräutern und Nadeln versucht, die Schwanger­schaft zu beenden. Dabei verletzte sie die Gebärmutter so, dass man ihr im kleinen Muvubuka-­Zentrum nicht mehr helfen konnte. In der nächsten Privatklinik stellten sie fest: Nur ­eine Gebärmutterentfernung würde das Leben retten, doch da erhob die Mutter des Mädchens Einspruch. Am Ende dauerte es 16 Stunden, bis die Mutter überzeugt war, bis eine zweite Privatklinik gefunden und 1,8 ­Millionen Uganda-Schilling aufgetrieben waren, umgerechnet rund 470 Dollar. "Wir haben sie gerettet, auch weil ich mein eigenes Sparbuch geplündert habe", sagt Robert, "aber es war echt knapp." Ihm laufen die ­Tränen übers Gesicht.

"Ich bin stolz auf meine Jugend­lichen – aber manchmal könnte ich verzweifeln." (Robert Kiwanuka)

Sein Kummer gilt nicht nur dem armen Mädchen. Sein Kummer gilt auch den Verhältnissen. "Eigentlich war die Mutter meine schwierigste Patientin." Alleinerziehend, zweite Frau eines polygamen Mannes. "Das Schwierigste war, die Mutter davon zu überzeugen, dass eine Tochter auch ohne Gebärmutter ein Recht auf Leben hat." Eine Frau ist nur dann eine Frau, wenn sie viele Kinder auf die Welt bringt – solange das in einer Kultur gilt, hilft es wenig, flächendeckend Kondome abzuwerfen.

Es hilft – Bildung, vielleicht. Zu Besuch im Mityana District, in der Kabayenga Primary School, in einer der ärmsten Gegenden von Uganda. Während in Frankfurt-Eschersheim Bürger gegen Schulen kämpfen, sind in Mityana die Dorfbewohner dankbar. Denn erst seit es die Schule gibt – ein einziger Klassenraum für 70 Kinder – gibt es eine Latrine, die auch vom Rest des Dorfes benutzt werden darf. Sie wurde so von außen einsehbar gebaut, dass die Mädchen auf dem Weg zum Klo nicht vergewaltigt werden.

"Als ich mich um einen Job bewarb, verlangte der Boss  erst mal Sex." (Milly Nalule)

Also alles gut in Mityana? Eine junge Mutter erhebt sich, Milly Nalule, 28, ihr Kind ist 15. ­­Sie ist HIV-positiv, alleinerziehend, auch sie wurde "empowered", hat also gelernt, ihre Rechte zu vertreten. Sie erzählt, dass die Mädchen eine ­Woche im Monat nicht zur Schule gehen, wenn sie ihre Tage haben. Scham. Und schlicht – keine Monatsbinden, oft noch nicht mal Unter­hosen. Dass die Schüler morgens mit dem Lehrer 30 Minuten zur einzigen sauberen Wasserstelle gehen, um Wasser für die Latrine zu holen. Dass sie bei ihrem ersten Bewerbungsgespräch sexuell belästigt wurde. Ein weit verbreitetes Phänomen – um das Schulgeld zu bezahlen, um Jobs zu bekommen, lassen sich viele ugandische Mädchen mit älteren Männern ein, die auf ungeschütztem Sex bestehen. Ein Grund, warum sich so viele Mädchen zwischen 14 und 18 mit HIV infizieren. Es ist komplex. Kondome allein ­nützen nichts. Schule allein nützt nichts. Monatsbinden allein nützen nichts. Moderne Entwicklungspolitik versucht deshalb, an mehreren Hebeln anzusetzen.

Und warum bekommen die Frauen dann immer weiter so viele Kinder? Die Frage kommt etwas zu schnell, das merkt die Reporterin, als sie in diesem kleinen stickigen Raum im ersten Stock bei Ruth Nabembezi sitzt. Erstens ist Ruth, 23, selber gerade schwanger, sehr. Sie kann kaum sitzen auf dem billigen weißen Plas­tikstuhl. Und zweitens ist es – unhöflich. Zu spät. Dabei sind sie das Fragen hier gewöhnt, Ruth betreibt eine Art "Fragen Sie Dr. Sommer"-Start-up. Sie ist Tochter eines polygamen Vaters, der vier Frauen hatte. Und alle vier mit HIV infizierte. Als Ruth drei war, starb ihre Mutter an Aids, als Ruth sechs war, starb der Vater. Als auch noch ihre Schwester erkrankte, nahmen sich Verwandte der Familie an und vermuteten, sie seien "verhext". Anstatt Ruths Schwester mit anti­retroviralen Medikamenten zu versorgen, wurde sie zu traditionellen Heilern gebracht, auch sie starb. Erst im Waisenhaus, in das Ruth letztendlich gebracht wurde, stieß sie auf vernünftige Lehrerinnen. Lernte Englisch, Selbstbewusstsein und erwarb medizinische Grundkenntnisse. Heute betreibt Ruth eines der ­innovativsten Start-ups in Afrika, "Ask without shame". Ein Notruf­telefon für Sexfragen.

Aufklärung. Ruth Nabembezi (links) hat fast die ganze Familie an Aids verloren. Mit ihren Kolleginnen startete sie die Sex-­Hotline "Ask without shame".

An einer holprigen Dirt Road, wo abgeschabte Polstersofas zum Verkauf am staubigen Straßenrand stehen, Marabus im Müll picken und alle paar Minuten ein Straßen­verkäufer lautstark seine Samosas anpreist, sitzen Ruth und ihre drei ­Mit­streiterinnen am Telefon. Die ­eine war vorher Krankenschwester, die andere Sozialarbeiterin, dicht an dicht sitzen sie in ihren Telefon­kabinen. Keine Frage ist zu absurd. "Meine Frau will die ­Pille ­nehmen, ich will das nicht." – "Ich habe Rücken­schmerzen, stimmt es, dass dagegen Sex mit einer Kleinwüchsigen 
hilft?" – "Mein Priester sagt, Onanie ist ­Sünde. Stimmt das?"

200 000 Fragen haben die Mädels bislang beantwortet, per Whatsapp oder Telefon. Sie haben Vergewaltigungsopfer zur Polizei begleitet und ungewollt Schwangeren geholfen. Geld für Werbung haben sie nicht, aber die Aufkleber mit ihrer Telefonnummer verbreiten sich auf den ­Fens­tern von Überlandbussen und Taxis so rasant, dass schon 80 000 Leute angerufen haben. Aber auf diese eine Frage – Warum kriegt ihr so viele Kinder? – gibt es eben nicht die eine Antwort.

Das mit dem Kinderkriegen ist eine komplizierte Sache

Und wer sie stellt, muss sich definitiv die Gegenfrage gefallen lassen: Warum kriegt ihr in Deutschland ­eigentlich so wenig Kinder? Denn auch in Deutschland wurde ja viel Familien­politik betrieben, nur in die umgekehrte Richtung. Es wurden Krippenplätze gebaut und Rechtsansprüche gesetzlich verankert. Es wurde die ­Elternzeit für Väter verbessert und ­das Elterngeld erhöht, damit auch Akademikerinnen Kinder bekommen. Dennoch stagniert die Fruchtbarkeitsrate bei den deutschen Frauen so stör­risch wie bei den ugandischen. Bei ­1,5 Kindern pro Frau. Das mit dem Kinder­kriegen, es ist eine komplizierte Sache. Schwer zu steuern.

Rückflug nach Deutschland, Ankunft am Frankfurter Hauptbahnhof. "Freedom of choice" steht an Gleis 19, es ist Werbung für Schokolade. Die mit den bunten Quadraten. "Free choice" ist weltweit der Schlachtruf der Frauenbewegung, der etwa mit "Mein Bauch gehört mir" übersetzt werden könnte. Seither entscheiden sich bei uns sehr viele Frauen gegen Kinder, und das ist nicht nur ihr gutes Recht. Sondern offenbar so schokoladig lustig, dass es schon als XXL-Werbeposter funktioniert. Wir machen, was wir wollen, und keiner redet uns rein. Soll das ja wohl heißen.

Natürlich soll Ruth ihr Kind bekommen, es wird hoffentlich gesund auf die Welt kommen. Aber wenn ­Fiona später keine Kinder möchte, soll sie Astrophysikerin werden ­dürfen. Kein Pastor, keine Mutter und kein Politiker soll sich dem in den Weg stellen. Das wäre tatsächlich – eine freie Wahl.

Infobox

Drei deutsche Stiftungen und das Bundesministerium für ­wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bündeln ­ihre Aktivitäten in Uganda: Im Mityana District unterstützen sie 50 000 junge Menschen ­zwischen 15 und 25. Sie bekommen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen, lernen ­effektiveren Kaffeeanbau, erhalten Sexual­aufklärung und werden in bürger­schaftlichem Engage­ment ­trainiert. "Team up" heißt der Plan, in den das BMZ drei ­Millionen Euro und die Siemens Stiftung, die Hanns R. Neumann Stiftung und die ­Deutsche Stiftung Weltbevölkerung je eine Million Euro investieren.

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Beiträge dieser Art lese ich am liebsten: gut geschrieben (kein Wunder…), informativ und zum Nachdenken anregend. Eine hilfreiche Grundlage, um die Diskussion über die damit verbundenen gravierenden Probleme zu führen, und aus der auch deutlich wird, dass es keine einfachen Lösungen gibt.
Helmut Birn, per Mail

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Vielen Dank für die mitreißende Berichterstattung.
Ich habe den Artikel mit großem Interesse gelesen und kann nur sagen weiter so!
Die Unterstützung und Förderung junger Mädchen und Frauen ist ein wichtiger Schritt auf dem noch langen Weg zur Gleichberechtigung und jedes Engagement zählt.
Nina

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Liebe Frau Ott,
dieser Beitrag ist mehr als gelungen! Er stellt sehr anschauliche Bezüge zwischen Uganda und Deutschland her – dieser Vergleich und die Reflektion zurück auf Deutschland sind stark. Das Bevölkerungswachstum in Afrika ist immer wieder ein heißes Thema und finde ich es wichtig, die Geschichten dahinter zu erzählen. Von Frauen, die täglich damit kämpfen keine freie Entscheidung über ihre Bäuche und ihre Zukunft treffen zu können. Danke für diesen Beitrag, dass ihr als evangelisches Magazin euch diesem Thema angenommen habt!
Ganz liebe Grüße und ein schönes Wochenende
Ifenna Ekezie

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Guten Tag,
es wäre vielleicht mal ein Artikel darüber fällig, warum in Afrika immer noch Schulgebühren gezahlt werden müssen. Was ist mit den Geldern aus der Entwicklungshilfe? Werden diese Mittel nicht dafür verwendet, um endlich das Bildungsniveau zu heben? Sicher, dumme und abergläubische Menschen können besser gelenkt und manipuliert werden.
Von der Kirche, dem Staat und den Despoten.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Drzimalla aus Mühltal

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Sehr geehrte Chrismon-Redaktion,
als SZ-Abonnentin bekomme ich Chrismon regelmäßig, blättere es aber nur selten überhaupt durch. Gut, dass ich das diesmal getan habe. Vielen Dank für den Artikel "Wir sind jung - ihr seid alt" zu Uganda in Chrismon 7-2019.

Die Autorin schreibt sehr konkret und anschaulich anhand von überzeugenden Beispielen über die zentrale Rolle der jungen Frauen und der Familienplanung für die Entwicklung des Landes. Es wird deutlich, wie sehr Sexualaufklärung und Familienplanung das Leben der Frauen, ihre Gesundheit, Bildung und damit die ganze Gesellschaft und die Entwicklung des Landes bestimmen. Und welche verheerenden gesundheitlichen Folgen ideologische Entscheidungen eines amerikanischen Präsidenten in armen Ländern haben. Außerdem zeigt sich, welche komplexe Macht die Kirchen haben, im Guten und im Schlechten. Sehr beeindruckend der männliche Familienplanungs-Champion, hoffentlich gibt es immer mehr davon.

Diese wichtigen Themen kommen viel zu selten in Artikeln über Entwicklungspolitik vor und ich freue mich, dass gerade Chrismon den Mut hat, diesen Text offenbar auch durch eine Recherchereise zu ermöglichen.
Das ist guter Journalismus.
Freundliche Grüße
Sarah Kohrt

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Liebe Frau Ott,
zu Ihrem höchst anregenden Artikel drei Anmerkungen:
Es ist traurig, dass eine gestandene Journalistin sich offenbar kaum noch traut, eine klare Ansage zu machen - "die Fruchtbarkeitsquote ist sehr hoch, zu hoch" -, ohne Angst haben zu müssen, in die "Sarrazin"-Ecke gestellt zu werden. Was ist das für eine einungsfreiheit? Dabei sehen viele Publizistin angesichts der Verdoppelung und Verdreifachtung der Anwohnerzahl Afrikas in den nächsten Jahrzehnten mit nachvollziehbaren Gründen apokalyptische Zustände auf diesen "jungen Kontinent" zukommen.

Den "Papst-Einfluss" auf die Kinderanzahl sollte man kritisch hinterfragen. Polen ist gewiss das "katholischste" Land Europas - die Fruchtbarkeitsquote ähnelt aber der Deutschlands sehr.
Zudem: Die Frage der Kinderanzahl ist komplex, zugleich sehr simpel: Je mehr Wohlstand in einem Land, desto weniger Kinder. Sie deuten es mit der entsprechenden Grafik selbst an..
Beste Grüße aus Kiel
Elisabeth Steinbeck

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Im Bericht habe ich sehr vermisst, dass nicht hingewiesen wurde, dass man auch die ugandischen Männer zur Rechenschaft für ungewollte Schwangerschaften, Abtreibungen, alleingelassen Mütter ziehen muss, und vor allem in deren Köpfen ausmerzen muss dass Frauen, Mädchen nur zu ihrer sexuellen Befriedigung da zu sein haben. Dann wären auch zur Latrine gehende Mädchen kein Freiwild mehr. Diese sexistische Männersicht auf Frauen gehört angeprangert, und nicht verschwiegen.
Alois Lienhard

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Liebe Redaktion,
als Fotografin kann ich Sie nur zu den fabelhaften und eindrucksvollen Fotos zu Ihrem Artikel “Wir sind jung - ihr seid alt” gratulieren. Nach einer kurzen Recherche konnte ich zu meiner Freude feststellen, dass Herr Brian Otieno selbst Kenianer ist. Wie Sie in ihrem Artikel auch thematisieren, ist der Blick auf andere Länder oft von Vorurteilen geprägt, was sich meines Erachtens auch in den Fotos westlicher Fotografen und Fotografinnen in sogenannten Entwicklungsländern zeigt. Umso schöner fand ich es, dass Sie für Ihre Reportage jemanden engagiert haben, der in seinen Bildern keine Fremdheit und Distanz ausdrückt.
Vielen Dank
Simona Bednarek

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Guten Tag Frau Ott,
mit großem Interesse habe ich Ihre Reportage gelesen. Auch die Rahmung fand ich als Reflexionsraum für mich als Leserin interessant, denn ist es nicht immer wieder die gleiche Frage: warum kriegen „die“ so viele Kinder? Auf diese Frage gibt es eben nicht die eine Antwort, das haben Sie in Ihrer Reportage anschaulich erzählt, in dem Sie vor allem den Frauen aus Uganda zu gehört haben.
Vielen Dank

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Sehr geehrte Menschen von Chrismon, liebe Frau Ott,
ich habe mit großem Interesse Ihren Artikel über ihren Besuch in Uganda
gelesen. Mir gefällt Ihre Sprache und ich freue mich über die beschriebene, sehr
not-wendige Arbeit der ugandischen NGOs unterstützt durch die DSW.
Ich war einige Male in Tansania und häufig in Mittel- und Südamerika.
Überall tun sich Gesellschaften und Kirchen (wie bei uns in Deutschland!!) schwer damit,

die reproduktiven Rechte der Frauen zu stärken und notwendiges Empowerment von Mädchen und Frauen zu organisieren. Dazu gehört unbedingt auch die Sensibilisierung von Männern in Geschlechterfragen, was meist in den "Kinderschuhen" steckt. Und überall arbeiten Menschen, Frauen und! Männer daran. Unter
schwierigen, häufig finanziell engen Umständen. Dass Abtreibung weiterhin ein Reizthema ist, liegt m.E. an den
patriarchalen, fortbestehenden Strukturen - und in Kirchen an der jahrhundertelangen entsprechenden Tradition, die
Frauen diskriminierend oder verachtend ist.
Von daher vielen Dank für Ihren differenzierten und auch ermutigenden Artikel. Mittlerweile arbeite ich als Lehrerin an einem Gymnasium. Den Artikel werde ich als Lektüre in der Oberstufe verwenden, weil die Komplexität des Themas eindrücklich beschrieben wird - und der Blick auf unsere Gesellschaft nicht fehlt. Mit freundlichen Grüßen

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Ich finde diesen Artikel keinesfalls gut.
Einige Feministen kommen, für gerade einmal eine Woche, nach Uganda und erlauben sich danach ein Urteil zu fällen, über eine Kultur die sie nicht kennen, über ein Land das nicht ihre Heimat ist.
Der Faireness halber sage ich aber auch, dass viele Informationen der Wahrheit entsprechen. Er spricht ein paar Themen an, die wahr und zutreffend sind. Aus genau diesem Grund finde ich es aber sehr traurig, dass ein solches Thema dann dazu genutzt wird, gegen „alte weiße Männer“ wie Trump, den Papst und Sarrazin zu schießen.
Was mich auch stört, sind typische Mitleidsfloskeln wie "Mityana, einer der ärmsten Regionen Ugandas"....Mityana ist definitiv und auf keinen Fall eine der ärmsten Regionen Ugandas, aber wie soll man das wissen wenn man nur 7 Tage hier war.
Weiter geht es, dass Frau Museveni nicht etwa die Frau des Ministerpräsidenten ist, sondern die Frau des Staatspräsidenten, der seit über 30 Jahren an der Macht ist, und Dinge in seinen Reden sagt wie, "das Problem von Afrika ist nicht die Überbevölkerung, sonder die Unterbevölkerung. Länder wie Indien und China haben einen großen wirtschaftlichen Erfolg, da sie eine große Bevölkerung haben, obwohl die Landfläche kleiner ist als Afrika". Zusätzlich beschreibt der Artikel auch keineswegs die Wahrheit über die Motivation der First Lady, Sexualkundeunterricht in den Schulen einzuführern. Ihre Motivation ist einzig und alleine der Fakt, das westliche NGOs IHRE Sexualphilosophien (wie die Genderphilosophien oder Verherrlichung von Homosexualität) schon in Kindergärten unterrichten. Dies ist respektlos und ignorant gegenüber einem Land, seinen Menschen und dessen Kultur, die eine solche Philosophie einfach nicht haben wollen. Werden die Uganda gefragt, ob sie diese Philosophie übernehmen wollen? Nein. Stattdessen kommen wir als weiße "Ritter", mit der Vorstellung, unsere Kultur sei die einzig Wahrhaftig und Richtige. Wir kommen nach Uganda, und versuchen unsere Philosophie, unsere Lebensweise den "armen Afrikanern" aufzuzwingen. Auch ist es kein Fehler, die Kirche in so einen Prozess einzubinden. Die Kirche wird in Uganda sehr geschätzt und respektiert, außerdem werden unzählige Ausbildungseinrichtungen von der Kirche finanziert und betrieben. Glaube ist der Schlüssel zu vielem, vor allem in Uganda und ganz Afrika. Dies scheint aber bei den europäischen Kirchen auf der Strecke zu bleiben.
Zusätzlich stellt der Artikel dann auch noch die legalisierte Abtreibung als wirksame Lösung vor. Ich sage Ihnen was passiert, wenn Abtreibung in Uganda legalisiert werden würde. Es gäbe noch mehr ungeschützten Sex, da Frauen die schnelle Abtreibung als Freifahrtsschein nehmen würden, ungeschützten Sex zu haben. Männer würden Frauen zur Abtreibung zwingen, wenn es z.B nicht das gewünschte Geschlecht wäre usw.
Auch den Papst oder Trump als "Schuldige" hier in diesem Artikel an den Pranger zu stellen ist definitiv nicht die Wahrheit! Trump hat das einzig Richtige getant, und die absurden Summen, die der UN zur Verfügung gestellt werden, gestrichen. Ja es ist korrekt und entspricht der Wahrheit, dass UN Foodprograms oder Family Planning und Aufklärungsprojekte ihre Budgets gestrichen bekommen haben. Dafür ist aber nicht Trump verantwortlich, sondern die UN selbst (https://www.spiegel.de/politik/ausland/uno-bericht-belegt-misswirtschaft-und-korruption-in-uganda-a-1241386.html ). Ich frage mich, warum die UN ihre Gelder genau an diesen Stellen streicht, anstatt mal bei sich selbst anzufangen, den Gürtel enger zu schnallen, sich "normalere" Gehälter auszubezahlen und nicht mit Geldern um sich zu werfen als gäbe es kein Morgen mehr. Weiter sind es auch oft genau diese Leute, die oftmals in Flüchtlingslagern für Vergewaltigungen und Childtraffic verantwortlich sind. (https://taz.de/Gewalt-gegen-Frauen-in-Sierra-Leone/!5548803/) (https://taz.de/Sexuelle-Gewalt-durch-UN-Blauhelme/!5401053/)
Nein, Uganda braucht definitiv nicht "unsere Hilfe“ um diese Probleme zu lösen. Uganda, und ganz Afrika muss diese Entwicklungen selbst durchmachen. Sie müssen ihre eigene Identität finden, und den Prozess, den wir in den letzten tausend Jahren in Europa gemacht haben, selbst durchlaufen. WIR müssen aufhören, zu definieren was gut ist für Afrika und ihnen nicht unsere Kultur aufdrücken. Damit schaden wir Ihnen mehr als es nützt. Auch müssen wir aufhören mit unseren zahllosen NGOs weitere Abhängigkeiten zu schaffen um damit eine eigenständige Entwicklung überhaupt zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass sich die Bevölkerung Ugandas (und auch ganz Afrika) es endlich schafft, sich von ihren korrupten Regiemen zu trennen, die allesamt von unserer „Entwicklungshilfe“ profitieren.
Ich wohne seit 3 Jahren in Kampala, bin seit insgesamt 7 Jahren in Ostafrika. Die Beschreibung „Wir sind jung! Wir sind dynamisch! So viel ¬Power, so viel Innovation“ welche in Uganda wohl für „Stolz und Selbstbewusstsein“ sorgt, gibt es leider nur in sehr kleinen Kreisen. Es herrscht zunehmende Perspektivlosigkeit, vor allem in Kampala eine stark ansteigende Kriminalitätsrate. Aber genau hier liegt der Ansatzpunkt. Warum es soviele Kinder gibt in Uganda? Weil die Menschen nichts zutun haben. Es gibt keine Jobs, vor allem wenn man aus einer Familie im ländlichen Raum kommt, und wahrscheinlich nicht einmal einen Secondary School Abschluss hat. Man wird damit enden, mit dem bisschen Land, was man sich mit all seinen Geschwistern teilen muss, zu versuchen, sich und seine neue Familie zu ernähren.
Uganda ist ein Land, dass erst unter Obote, dann unter Amin und Koni sehr gelitten hat, und viele Menschen von heute auf Morgen verschwunden sind. Auch unter Museveni wird die „untere Bevölkerungsschicht“ stark unterdrückt und nur soweit bei Laune gehalten, dass man die Wählerstimmen bekommt. Die vielen Krankheiten (HIV, Malaria, TB, aber auch unzählige Krankheiten die durch die Kochgewohnheiten verursacht werden) ließen und lassen oft keine vorrausschauende Lebensplanung zu. Noch dazu kommt der Fakt, dass es hier keinen Winter gibt, der eine vorrausschauende Planung verlangt. Alles in allem ist es gerade in den unteren Gesellschaftsschichten keineswegs üblich, sich Gedanken über mögliche Folgen zu machen, wie z.B ungeschützter Sex, der nun mal oft zu Kindern führt. Für die Eltern ist es dann einfach, die Tochter an den Mann zu geben, der sie geschwängert hat. Ein Kopf weniger zu füttern.
Auch ist es kulturell gang und gebe, dass man (gerade in ländlichen Gebieten), als „verhext“, als nicht würdig gilt, wenn man als Frau mit 18-20 Jahren noch keine Kinder hat. Hier wird ein gesellschaftlicher Druck (nicht nur von Männern) aufgebaut, der einen quasi dazu zwingt mit 15-16 Jahren das erste Kind zu haben.
Ja Bildung wäre eine Möglichkeit! Aber dazu müsste erstmal das gesamte Bildungssystem reformiert werden, und ein Gesetz eingeführt werden, das verbietet private Schulen zu eröffnen. Diese gehören meistens Politikern oder Geschäftsleuten, die ein rein finanzielles Interesse an den Schulen haben, nicht aber, die junge Generation ordentlich auszubilden.
Auch wäre dem Land sehr geholfen, wenn Menschen nicht als Voluntouristen, sondern als ganz normale Touristen ins Land kommen würden, die nicht von vorne herein „den armen Afrikanern“ helfen wollen.
Was wir tuen können, ist den Menschen in Uganda auf Augenhöhe zu begegnen. Sie als gleichwertig und NICHT hilfsbedürftig in eine Ecke zu stellen. Wir müssen Uganda und ganz Afrika in unsere Wirtschaft mit einbeziehen, und Investitionen tätigen, die Jobs kreieren um der Perspektivlosigkeit ein Ende zu bereiten.
Dabei können wir mit unseren handwerklichen Fähigkeiten, unserem Know-How und unseren Erfahrungen beratend beiseite stehen. Auf keinen Fall sollten wir aber die Überheblichkeit an den Tag legen, uns anzumaßen was wohl das beste für Afrika und Uganda sei.

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Seit einiger Zeit mißfällt mir der Satz "alte, weiße Männer" in Deutschland. Ihre Zeitschrift verurteilt jedigliche Diskriminierung und eben dieser Satz scheint ja salongfähig geworden zu sein. Es ist eine Respektlosigkeit gegenüber den "Vorarbeitern" unserer Gesellschaft. Bin enttäuscht und hätte dies nicht in der Chrismon erwartet.

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Leider hat mich der Artikel zu Uganda in Heft 7.2019 sehr enttäuscht. Wem nützt denn ein solcher Besuch, solche weichgespülten Gespräche und solch ein Artikel? In Afrika ist es nicht 5 vor 12, sondern 5 nach 12! Die jungen Leute flüchten zu Tausenden! Von verständnisvollen, mitleidigen Blicken und Worten haben sie gar nichts! Wenn sie eine Zukunft in ihrem Land haben wollen, müssen wir auf Augenhöhe reden! Gerade junge Leute wollen doch ernst genommen werden. Dazu muss dann aber auch Tacheles geredet werden, auf beiden Seiten.

Anfangs benennen Sie die Probleme noch…nur um dann gleich zu fragen: darf man das als Europäerin sagen? Nein man darf nicht, man MUSS! Und noch viel mehr! Die Frauen sind jung, die können vielleicht noch was ändern. Empowerment ist richtig, es ist wahrscheinlich die einzige Lösung, denn eine Lösung der afrikan. Probleme wird nur über die Frauen möglich sein. Aber dazu muss man mit ihnen Klartext reden. Nein, eine Frau ist nicht dann eine gute Frau, wenn sie viele Kinder auf die Welt bringt, sondern eine Frau ist nur dann eine gute Mutter, wenn sie die Kinder, die sie hat, versorgen kann. Und wenn diese Kinder sich eben nicht ihr Schulgeld und ähnliches durch ungeschützten Sex selbst „erarbeiten“ müssen. Das muss man den Frauen klarmachen! SIE sind verantwortlich für ihre Kinder, niemand sonst! Und wenn diese mit 12 oder 13 schwanger werden oder HIV bekommen sind SIE schuld!

Und wenn die Frauen antworten, für die Versorgung der Kinder (sprich der Familie) sind die Männer zuständig? Nein! Auch das muss man den Frauen klarmachen. Auf die Männer kann man sich NICHT verlassen. Und nein, Männer mit mehreren Frauen nennt man nicht „polygam“, sondern schlicht verantwortungslos! Selbst in der arabischen Welt darf ein Mann nur so viele Frauen haben, wie er selbst versorgen kann. Das scheint in Afrika nicht zu gelten - aber dass sie diesen Mindestanspruch haben müssen, muss man den Frauen klarmachen! Das ist das Mindeste an Respekt, den sie für sich einfordern müssen.

Ich kann auch keine Männer respektieren, gegen die man einsehbare Toiletten bauen muss, um sich vor ihnen zu schützen.

Und ja, man muss die Frage stellen, warum sie so viele Kinder bekommen! Und nein, es ist keine Zumutung, die Gegenfrage, warum Frauen in Deutschland weniger Kinder bekommen, zu hören. Im Gegenteil, gerade das muss man besprechen! Weil Frauen in Deutschland – zumindest viele – erst Kinder bekommen, wenn sie sie sich leisten können. Wenn sie sie selbst oder mit einem festen Partner versorgen können. Wenn die berufliche Position gesichert ist. Die Wohnsituation ausreicht. Darum geht es doch gerade! Ich bekomme Kinder, wenn ich sie versorgen kann und sie nicht aus Armut der Willkür anderer ausgesetzt sind. Und nein, ein Vater, der seine vier Frauen mit HIV infiziert ist wieder nicht einfach „polygam“, sondern schlicht ein Krimineller, der ins Gefängnis gehört hätte – so wäre es ihm in Deutschland ergangen und das muss man den Frauen sagen! Indem man sie nur bemitleidet gibt man ihnen doch das Gefühl, dass niemand, auch sie nicht, ihre Lage ändern können und sie alles weiterhin so hinnehmen müssen. Aber gerade das dürfen sie nicht, soll sich was ändern im Land!

Ich widerhole mich: solange Männer so ticken wie im Artikel beschrieben, werden NUR die Frauen was ändern können.

Ich bin weiß Gott keine Feministin, aber wenn ich einen solchen Artikel lese, könnte ich glatt zu einer werden – und die Frauen in Uganda MÜSSEN Feministinnen werden, wenn sie aus der Spirale aus Armut, Gewalt, Krankheit, Schwangerschaft und wieder Armut ausbrechen wollen!

Und was man den Kirchen vor Ort vorwerfen muss: wenn sie schon eine so starke Position haben und sich einmischen in die pers. Lebensbereiche – dann bitte auch so, dass es den Frauen weiterhilft! Also statt nur gegen Abtreibung zu predigen, bitte gegen Sex vor/ außerhalb der Ehe und gegen Gewalt predigen.

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