Wunderheiler: "Die Hoffnung ist 
so groß!"
Patients wait for their turn to be treated at the Casa de Dom Inacio de Loyola (House of Don Ignacio de Loyola), in Abadiania, 120km southwest of Brasilia, state of Goias, on April 4, 2012. Hundreds of people visit the house founded in 1978 by popular faith healer Joao Teixeira, better known as Joao de Deus (John of God), seeking cures for illnesses. AFP PHOTO/Pedro LADEIRA (Photo credit should read PEDRO LADEIRA/AFP/Getty Images)
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"Die Hoffnung ist so groß!"
2016 bekam der Journalist Thomas Bruckner die Diagnose Hirntumor. Ärzte sagten: Ein Jahr noch, dann müsse er sich operieren lassen. Bruckner beschloss, in dieser Zeit Wunderheiler aufzusuchen.
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
14.03.2019

chrismon: Sie wollten sich nach Ihrer Reise zu den ­Wunderheilern den Tumor rausoperieren lassen.

Thomas Bruckner: Das habe ich noch nicht getan. Ich lasse ihn alle halbe Jahr untersuchen. Einmal hat er sich minimal verändert, ansonsten wächst er nicht mehr. ­­Das Gewebe könnte ohnehin nur teilweise herausgeschnitten werden. Man weiß nicht, was dann mit den Narben passieren würde. Eine Operation im Kopf birgt immer gewisse Risiken.

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Burkhard Weitz

Burkhard Weitz war als chrismon-Redakteur bis Oktober 2022 verantwortlich für die Aboausgabe chrismon plus. Er studierte Theologie und Religionswissenschaften in Bielefeld, Hamburg, Amsterdam (Niederlande) und Philadelphia (USA). Über eine freie Mitarbeit kam er zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" und war mehrfach auf Recherchen in den USA, im Nahen Osten und in Westafrika. Seit November 2022 betreut er als ordinierter Pfarrer eine Gemeinde in Offenbach.
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Thomas Bruckner

Thomas Bruckner, Jahrgang 1971, ist freier Journalist und lebt in Österreich.

Wie geht es Ihnen heute?

Ich habe so gut wie keine Schmerzen mehr. Auch deshalb besteht nicht die Notwendigkeit zu operieren.

Und Sie leben jetzt mit einem tischtennisballgroßen ­Tumor im Kopf?

Genau. Ich versuche, mich nicht von dem Gedanken ­verrückt machen zu lassen. Die Schmerzen haben sich verflüchtigt. Sie kamen vermutlich gar nicht vom ­Tumor. Man ist darauf gekommen, dass ich eine Art Band­scheibenvorfall im Halswirbelbereich hatte und die Schmerzen möglicherweise darauf zurückgehen. Übungen helfen dagegen.

Die Ärzte gaben Ihnen bis zur Operation ein Jahr Zeit. Was versprachen Sie sich davon, in dieser Zeit sogenannte Wunderheiler aufzusuchen?

Es war eine Art Wahrheitssuche. Ich hatte Jahre zuvor ein Erlebnis mit diesem João de Deus. Ich war mit meinem schwer kranken Freund dorthin gereist. João beansprucht, mit den Seelen Verstorbener zu heilen. Da sind dann sehr schräge Dinge passiert, die ich auch lange danach nicht einordnen konnte.

Schräge Dinge?

Die Situation war so: Man wartet stundenlang in einer Schlange, weil João bis zu eintausend Menschen am Tag behandelt. Dann steht man sehr kurz vor ihm. Mich hat er jedes Mal weitergewinkt, ohne dass je etwas passiert wäre. Ich wollte das nicht so stehen lassen und habe ihn dann ­irgendwann, als ich wieder einmal an der Reihe war, herausgefordert und gesagt: "Ich glaube, du bist ein ­Scharlatan, und ich will einen Beweis." Dann hat er mit seiner bloßen Hand nur über meine Stirn gewischt. Und damit hat er mich auf eine andere Bewusstseinsebene ­katapultiert. Auf einmal hatte ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Mir fehlte die Kraft, wieder aufzu­stehen und meinen Körper zu bewegen. Ich sah nur noch Energien und keine Körper mehr. Ich habe die Welt plötzlich anders wahrgenommen und tiefe Erkenntnisse gehabt.

Ein Heiler soll Frauen missbraucht haben

Welche Erkenntnisse?

Dass alles mit allem verbunden ist, alles ergab für mich einen Sinn.

Was vielleicht an der besonderen Stimmung dort lag?

Ja, das mag sein. Aber dass ich meinen Körper nicht mehr bewegen konnte, bei vollem Bewusstsein, das hat mich als rational denkenden Menschen doch sehr irritiert. Ich habe dieses Erlebnis nach unserer Rückkehr nach Europa aber erst einmal verdrängt. Erst bei der Tumordiagnose habe ich mich wieder an João de Deus erinnert.

João de Deus ist Wunderheiler in Brasilien. Der Journalist Thomas Bruckner hat ihn und andere Heiler aufgesucht

Jetzt wird João de Deus bezichtigt, massenhaft sexuell übergriffig geworden zu sein.

Ja, ich fahre auch wieder hin, um zu sehen, wie die Leute damit umgehen. Es passt auch zu dem, was ich in meinem Buch sage: Ein Heiler muss kein Heiliger sein. Er kann auch ein Vergewaltiger sein, und trotzdem kann er diese Kräfte entwickeln. Er ist genauso Mensch wie jeder ­andere und hat eventuell auch seine Triebe nicht im Griff. Und natürlich ist das nie gesund, wenn jemandem derart viel Macht zugesprochen wird wie João. In seinem Fall ist das aber auch für mich eine große Enttäuschung, wenn sich die Anschuldigungen bewahrheiten. Ich kenne in meinem Umfeld keinen einzigen Vergewaltiger. Das traue ich ­niemandem zu. Aber man kann es vermutlich auch bei niemandem ganz ausschließen.

Sie schreiben in Ihrem Buch "Wundersuche": Mit ­Ihrer ­Diagnose hätten Sie sich tiefer auf Wunderheiler ein­lassen können, als es ein Gesunder je tun würde. ­Warum?

Natürlich war es auch verbunden mit der Hoffnung auf Heilung. Gleichzeitig war es aber eine Bankrotterklärung für meinen Verstand, dass ich überhaupt zu jemandem gehe, der sagt, er sehe durch meinen Körper hindurch. Ich war immer Journalist und Hoffender zugleich – ein schwieriger Zugang, der vielleicht unvermeidbar ist, wenn man hier der Wahrheit näherkommen will.

Viele fühlen sich verstanden

Lassen sich auch die Wunderheiler besser auf die ­Kranken ein, als es Ärzte tun würden?

Im Krankenhaus geht es schon sehr nüchtern zu. Man fühlt sich nicht wirklich gehört. Das ist meist das Erste, was man bei Heilern bemerkt: Die nehmen sich Zeit. João de Deus ist dafür gerade ein unpassendes Beispiel.

Und sie hören zu.

Ja, und das ist schon für viele Menschen ein Segen: dass sie sich verstanden fühlen. Das fehlt im wissenschaftlich medizinischen Betrieb. Aber das war nicht der Hauptgrund dafür, dass ich Wunderheiler aufsuchte. Sondern die Hoffnung, dass es mehr gibt im Leben als die Wissenschaft. Und dass ich wenigstens ein Stück weit einer Wahrheit näherkomme.

Was für einer Wahrheit?

Dass ich etwas mehr vom Leben zu verstehen hoffe, auch durch die Auseinandersetzung mit wissenschaftlich nicht klar nachweisbaren Phänomenen. Auf der wissenschaftlichen Ebene erscheint die Welt erklärbar, sicher: Machst du das eine, ergibt es das andere. Nur: Das Leben hält sich nicht immer daran. Zumindest meines nicht.

Es spricht sich herum

18 000 sogenannte Humanenergetiker sind laut Wirtschaftskammer allein in Österreich gemeldet, schreiben Sie. Wo fängt man da an?

Eine Bekannte hatte mir vom Herrn Stangl erzählt. Er lebt anderthalb Stunden von mir entfernt. Es war für mich zu dem Zeitpunkt ohnehin unmöglich, weitere Reisen zu machen. Auch dachte ich, dass mich der Herr Stangl nicht so überfordern würde wie João de Deus. Da habe ich mich auf mein Gefühl verlassen.

Einen Wunderheiler zeichnet also aus, dass andere von guten Erfahrungen mit ihm berichten?

Genau. Die Geschichten gleichen sich: Jemand kennt ­jemanden, der wurde von jemandem geheilt, und der sieht was, und der kann was. Allzu viele klare Informationen gibt es eigentlich nie.

Herr Stangl lebt auf einem Hof inmitten von Feldern und Wiesen. Er wirbt nicht im Internet für sich, sondern man erfährt von ihm nur über Mundpropaganda. Wirkte er deshalb auf Sie glaubwürdig?

Wie heilt Joao de Deus? Vieles bleibt im Unklaren. Auch Brückner war bei ihm, und er erlebte sonderbare Dinge

Das war auch ein Kriterium. Herr Stangl ist kein Selbstvermarkter, er ist überhaupt nicht darauf aus, dass viele Leute zu ihm kommen. Er ist ein Bauer und lebt auch nicht von seinen Heilkünsten. Er meint, er könne Menschen und Tiere heilen, also macht er es. Fertig.

Herr Stangl habe Ihnen Ihr Selbstvertrauen wieder­gegeben, schreiben Sie. Warum war es weg, und wie kam es wieder?

Ich war nach der medizinischen Diagnose am Boden. Und mich hat überrascht, dass auch das Selbstvertrauen ver­loren geht, wenn die Gesundheit weg ist. Wie das Selbstvertrauen wiederkam, war sehr banal: Ich konnte wieder mit einem Menschen auf Augenhöhe kommunizieren. Und ich hörte auf, immer nur den Tumor in meinem Kopf zu beob­achten. Ich war nicht mehr in meiner Gedankenschleife gefangen. Das war eigentlich das Besondere, dass ich wieder funktionierte. Was nicht unbedingt an Herrn Stangl lag. Es hätte auch jede andere Person sein können. Ent­scheidend war, dass ich mich wieder auf den Weg machte.

David, der Wender

Sie haben später auch eine Frau besucht, die glaubte, ein Wunderheiler namens "David, der Wender" habe sie von einer Lähmung befreit – erst durch meditative ­Fernheilung, dann durch angebliche Reinigung ihres Krankenzimmers. Allerdings erst nach einer Operation, bei der Ärzte fünf von sechs Gehirnblutungen verklebt und gestillt hatten. Warum glaubte diese Frau, "David, der Wender" habe sie geheilt und nicht die Ärzte?

Genau diese Frage habe ich ihr auch gestellt, aber da kam kein Argument. Sie sagte: "Ja, ich wurde operiert, und ich wurde auch von Therapeutinnen behandelt." Und: "Nein, David war der Grund. Er hat geholfen, und ich bin so glücklich darüber. Alles andere war begleitend." Als ­hätte sie die Vernunft ausgeschaltet. Ich war lange bei dieser Frau und ihrem Freund, total bodenständige Menschen, Mitte ­zwanzig. Sie waren gar nicht esoterisch. Er arbeitet in einem handwerklichen Beruf, ein richtiger Praktiker, der das ganze Haus umbauen kann. Und dann kommt man auf dieses Thema zu sprechen, und auch er sagt: "David war’s." Dem war nicht beizukommen. Irgendwann habe ich mir gedacht: Ich will sie nicht mit Zweifeln schwächen. Vermutlich wäre es egal gewesen. Sie wären dabei geblieben.

Warum wollen manche Leute lieber glauben, ein Wunder sei geschehen, statt der Medizin zu vertrauen?

Das Großartige an den Wissenschaften ist ja, dass sie ­alles immer wieder hinterfragen und teils auch widerlegen. Dieser wissenschaftliche Zweifel, die Wunderheilung sei Manipulation oder ein Placeboeffekt, ist aber für einen Kranken schwer durchzuhalten. Er schwächt ihn. Wohl jeder versteht, dass vor allem die austherapierten Patienten lieber an Wunderheiler und ihre Versprechungen glauben, als einfach aufzugeben. Es gibt aber auch jene, die sowieso lieber glauben, als etwas rational verstehen zu wollen. ­Die Verantwortung abzugeben, ist manchmal angenehm. Da wird ein Gesunder einen Kranken wohl nie verstehen.

Haben Sie mal erlebt, dass Sie bei der Wunderheilung Wärme durchströmt?

Ja, oft sogar. Ein Philippiner hat seine Hände aus einem halben Meter Entfernung auf mich gerichtet – und ich habe sofort die Wärme gespürt. Und eine Frau, die mich vor gar nicht langer Zeit wegen meines Buches kontaktierte, hat mich mit ihren Händen behandelt, ohne mich zu berühren. Die Behandlung war extrem schmerzvoll. Bei beiden ging die Wirkung über das hinaus, wo ich sagen würde: Das habe ich mir eingeredet.

Nicht erklärbar

Kann es dennoch auf Suggestion beruhen?

Das kann ich nicht ausschließen. Aber da wurde auch nicht gesprochen oder gesagt, dass etwas Bestimmtes gleich passieren würde.

Noch mal zu João de Deus. Hat er noch andere Dinge getan als Handauflegen?

Ja, sichtbare Operationen. Er verwendet kein Antiseptikum, es kommt aber nicht zu Infektionen. Auch das ist nicht ganz nachvollziehbar.

Er führt zum Beispiel eine Schere in die Nase ein . . .

So weit, bis man nur noch den Griff sieht. Dann dreht er sie. Oder schabt mit einem Skalpell an der Augenlinse, ­ohne Narkose. Die Leute spüren da schon etwas, ich ­habe mit ­einigen gesprochen. Dann schneidet er am Ober­körper, drei bis fünf Zentimeter lange Schnitte. Man sieht die Wunde, er fährt mit einem Haken hinein und zieht irgend­etwas hinaus. Dann fährt er mit der Handfläche darüber, und dann ist nur eine leichte Rötung da. Ich habe einmal assistiert und neben ihm gestanden. Es war verrückt. Ich weiß natürlich, dass auch Illusionisten die unglaublichsten Dinge vor den Augen von Hunderten von Zuschauern aufführen. Trotzdem, so verrückt das auch klingen mag: Ich glaube nicht, dass João bloß ein Illusionist ist. Ich glaube, er kann das wirklich.

Hat das mal jemand wissenschaftlich untersucht?

Eine Universität in São Paulo soll das überprüft haben. Die Untersuchungen sehen auf den ersten Blick wissenschaftlich aus. Aber ich habe das nachgeprüft, und da blieb nichts bestehen. Vieles bleibt unklar, die genannten Personen und Ereignisse lassen sich nicht nachvollziehen. Dennoch: Der Massenauflauf ist unfassbar. Dreimal die Woche tritt João auf, jedes Mal kommen tausend Menschen. 

Die Umwelt färbt ab

Als Sie wieder nach Wien heimkamen und anderen von Ihren Erfahrungen berichteten, so schreiben Sie, hätten Sie Erfahrungen wie die mit João de Deus verdrängt und verleugnet. Wie soll man sich das vorstellen?

Die Erfahrung mache ich oft: Die unmittelbare Umwelt oder Gesellschaft, in der man sich bewegt, färbt auf einen ab, ob man will oder nicht. Bei João de Deus oder auch bei William Nonog auf den Philippinen stört es keinen, dass es Wunderheiler gibt. Ist man einige Wochen da, verschiebt sich das Denken, weil alle von sonderbaren Vorkommnissen erzählen und solche Phänomene für möglich halten. Verlässt man das System und kehrt in unsere rationale Welt zurück, übernimmt unser hiesiger Werte- und Glaubenskomplex das Kommando. Und man fragt sich: Habe ich mir das alles nur eingebildet? Bleibt man allzu lange in der anderen Welt, wird man von ihr verschluckt, wie ich auch hier von unserer rationalen Welt verschluckt werde.

Ist also alles relativ?

Die Grenzen unseres Denkens sind nicht so eindeutig. Es ist immer nur ein Ausschnitt oder eine Teilwahrheit. Und wenn man es wieder auf einer anderen Ebene betrachtet, sind die Zusammenhänge wieder anders. Wissen Sie, was ich meine?

Nein.

Die Wahrheit an und für sich können wir als Menschen nicht erkennen. Wir können uns nur herantasten. Niemand kann einen anderen Menschen ganz erkennen und verstehen. Das glaube ich zumindest.

Sie verstehen die Frau nicht, die "David, dem Wender" ihre Heilung zuschreibt, obwohl ihr wahrscheinlich eher die Ärzte geholfen haben.

Ich kann nur deuten, was sie erlebt hat. So wie ich bei der Behandlung von João de Deus auch nur gedeutet habe, und vielleicht auch falsch. Als er mir Übungen gab, wie ich meinen Kopf bewegen soll, dachte ich, dass da mein Tumor behandelt wird. Am Ende habe ich ganz ähnliche Übungen mit meiner Physiotherapeutin gemacht, um den Bandscheibenvorfall zu behandeln. Ganz offensichtlich habe ich João de Deus in diesem Fall falsch gedeutet.

Vieles passt nicht zusammen

Als Heiler hat es João de Deus Ihnen angetan.

(Lacht) Ich meine es allgemein. Es kann immer sein, dass ich etwas falsch deute. Es muss jedem klar sein: Man kann nur über die eigenen Sinne wahrnehmen. Und die sind eine Art Filter.

Sie ließen die Wunderheiler Ihre Diagnose raten. Kein Einziger erkannte Ihre tatsächliche Krankheit. Wie rea­gierten die Heiler, wenn Sie sie damit konfrontierten?

Die meisten waren abgebrüht. Es hat sie nicht weiter gestört. Viele sagten, der Tumor habe keine Auswirkung. Und sie sähen nur Dinge mit Auswirkung. Andere waren mitfühlend, haben sich entschuldigt und gesagt: "Das sehe und spüre ich nicht." Warum, haben sie offengelassen. Sie haben auch nicht den Anspruch an sich gestellt, dass sie alles erkennen müssen. Das war mir sympathisch.

Der Tumor hat ja auch keine Auswirkungen.

Das stimmt bis jetzt. Ich hoffe, dass das so bleibt. Die Erklärungen der Wunderheiler, dass sie deshalb den Tumor nicht erkennen konnten, halte ich trotzdem für frag­würdig. Die meisten Wunderheiler behaupten ja, sie könnten Krankheiten erkennen, lange bevor sie auf­kommen. Und ich finde es dann schon eigenartig, wenn etwas auf dem MRT sichtbar ist, in meiner Aura das für den Heiler aber nicht erkennbar sein soll.

Mitte Dezember 2018 fuhr der 76-jährige Joao de Deus zur Polizei, um sich zu stellen. Hunderte Frauen hatten ihn beschuldigt, sie sexuell missbraucht zu haben. Er streitet die Vorwürfe ab

Unter die Bauchdecke greifen? Einfach so?

Philippinische Geistheiler tun so, als griffen sie mit bloßen Händen unter die Bauchdecke und zögen Blutgerinnsel ­heraus, die sie dramatisch auf der Haut ablegen. Am Ende bleiben keine Narben. Wie hat das auf Sie gewirkt?

Wahrscheinlich hat William Nonog nicht unter die Bauchdecke gegriffen. Zumindest kann ich es mir jetzt nicht mehr vorstellen. Interessant war, dass es mir dort nicht wichtig war: Macht er es wirklich oder nicht? Ich habe daran geglaubt, weil ich eine Beziehung zu dem Heiler hatte. Für mich wäre es genauso irritierend zu erfahren, dass er nur ein Gauner ist, der einem etwas vormacht. Und während ich das sage, denke ich: "Was für ein Wahnsinn, das passt nicht zusammen." Die Vernunft sagt mir: "Er kommt nicht mit seinen Fingern einfach so unter die Bauchdecke!" Und das Gefühl sagt mir bei William Nonog: "Es gibt mehr, als wir wissen." Ich bin ihm sehr wohlgesonnen.

Warum?

Seine Art, wie er aufgetreten ist, war völlig verrückt und widersprüchlich. Ich weiß nicht, wie man mit dieser Art jemanden manipulieren könnte.

Beschreiben Sie ihn näher.

Er stand mit einer "Star Wars"-Unterhose vor mit und ­redete irgendein widersprüchliches Kauderwelsch. Plötzlich, in irgendeinem Moment, schob er das Essen beiseite und sagte: "Ich operiere dich schnell." Dann sind seine Hände geschickt und flink, er fährt mit seinen Händen durch deine Bauch- und deine Schädeldecke durch. Und nach der Operation ist er wieder irrsinnig behäbig, und seine Hände zittern. Und wenn ich nach seiner Behandlung frage: "Kann ich duschen gehen?", und er sagt: "Nein, nicht duschen" – aber Surfen geht dann . . . Das ist rein ­rational völlig unmöglich. Und solche Irritationen hat es immer gegeben. Und trotzdem hat er es geschafft, dass ich an seine Heilkräfte glaubte. Das irritiert mich bis heute.

Der philippinische Heiler Jun Labo verlangt 100 Euro Vorkasse. Klingt nach wenig Geld für eine schöne Illusion.

Es bleibt ja im Normalfall nicht bei einer Operation. Es kommen viele Nachoperationen. Da ist bald ein Tausender weg. Das ist immer noch leistbar, wenn es um die Gesundheit geht. Und wer ihm glaubt, sagt vielleicht: Das ist es mir wert. Mich hat Jun Labo aber nicht überzeugt. Es sah mir alles nach zu offensichtlicher Strategie aus.

Manche wollen Vorkasse

William Nonog hat Sie unentgeltlich behandelt. Was war das für eine Strategie?

Es scheint bei ihm gar nicht um Geld zu gehen. Da steht ­irgendwo eine total verstaubte Spendenbox, mehr nicht. Bei dem einen Menschentyp funktioniert mehr das Paket, das Jun Labo anbietet – mit Vorkasse. Bei anderen funk­tioniert mehr William Nonogs chaotische Art. Das sehe ich schon. Aber trotzdem glaube ich Nonog. Ich kann einfach nicht beweisen, dass er nicht fähig ist.

Mit welchem Erfolg behandelte er Sie?

Ich hatte in den Wochen, in denen ich bei ihm war, ein Körpergefühl wie lange nicht mehr. Ich fühlte mich wie im Körper eines 20-Jährigen. Ich bin zwar ­wieder schwächer geworden. Von diesem Gefühl blieb nur die ­Erinnerung. Ich werde noch einmal hinfliegen und ­prüfen, ob es noch einmal so kommt.

Was machen Wunderheiler besser als richtige Ärzte?

Sie sprechen andere Ebenen an. Da geht es mehr ums ­Glauben, um Dinge, die man nicht erklären kann. Für manche Menschen ist das sehr anziehend, speziell für austherapierte Patienten. Da ist plötzlich wieder eine ­Hoffnung da. Viele Heiler treten auch sehr überzeugt auf.

Man muss also daran glauben?

Wenn man es schafft, hundertprozentig zu glauben, ­mag das eine starke Auswirkung haben. Aber wie komme ich dazu, etwas zu glauben? Beim Wissen ist das einfach: Ich bilde mich, lerne. Dann weiß ich es. Aber wie schaffe ich es, dass ich mich auf etwas einlasse?

Womit haben Sie in der Zeit Geld verdient?

Ich habe auf meine Ersparnisse zurückgegriffen.

Wissen Sie nun, ob Wunderheiler helfen können?

(Lacht) Können wahrscheinlich schon, aber nicht zwangsläufig. Schön wäre natürlich eine klare Antwort: Glaube an deine Gesundheit, und du findest sie zu hundert Prozent – wie es in vielen Ratgebern steht. Aber so ist es nicht. Die Welt, das Leben, die Gesundheit – das alles ist viel zu komplex für solche simplen Schlüsse. Mit klaren Antworten könnte ich vielleicht einen Bestseller schreiben und gut damit verdienen. Das Problem ist nur: Das wäre gelogen.

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Herzlichen Glückwunsch, daß Sie m.W. ein ganz heißes Eisen erstmals anpacken !
Wunderheilungen sind von Jesus bezeugt, aber seit der sog. Aufklärung tun sich religiöse und atheistische Kreise zunehmend schwer damit. Ein abschreckendes Beispiel für die Reaktion einer ganzen Gesellschaft, die sich mit aller Macht gegen aufsehenerregende Wunderheilungen biblischen Ausmasses gewehrt hat, war Bruno Gröning. Nachdem in den 1950er Jahre oftmals Zehntausende zu ihm strömten, um Heilung zu erlangen, wurde Gröning durch Zusammenwirkung von Ärzteverbänden, Justiz und Kirchen kaltgestellt und letztlich in den Tod getrieben. Die großenteils öffentlich unter den Augen von Tausenden und Fernsehkameras erlebten Heilungen von Schwerstkranken und -behinderten konnte diese Kreise - wegen Gefährdung der herrschenden Moral- und Machtverhältnisse nicht hinnehmen, und man zog ihn durch Entzug der "Heilerlebnis" aus dem Verkehr.Diese und vergleichbare Tatsachen wurden später möglichst unter den Teppich gekehrt, u.a. wurden ausnahmslos alle Kopien eines Kinofilmes über die Heilungen vernichtet.Übrigens hat die Bruno-Gröning-Bewegung heute noch Zehntausende Mitglieder in aller Welt,meistens Menschen mit Heilungserfahrungen, wovon über 3000 einen eigenen Verband von Ärzten und Heilberufen bilden.
Diese bemerkenswerten Fakten werden naturgemäß von fast allen Medien völlig verschwiegen, auch von religiösen.
Dies schreibe ich, um die Brisanz dieses Thema anzudeuten, das heutzutage immer noch als Nebenerscheinung einer "obskuren Sektiererei" von Geldmachern und Esoterikern abgewertet wird.
Herr Weitz hat sich bemüht. im Interview mit dem Buchautor Thomas Bruckner mit offenkundiger Skepsis einigermaßen neutral zu wirken, er hat diesen aber überwiegend Suggestivfragen in negativen Belangen, wie der angeblichen Verfehlungen von de Deus, gestellt, was aber nur zum Teil gelungen ist. Bruckner hat trotz aller Tendenz zur Skepsis etliche Erlebnisse geäußert, die beweisen, daß es viele unerklärliche Phänomene gibt, die von der materialistischen Wissenschaft als "unmöglich" deklariert werden.
Wer diesen Artikel überfliegt, bleibt wohl meistens an den suggestiven Fotos und Bildunterschriften hängen, die großenteils vermeintliche sexuelle Verfehlungen des Wunderheilers de Deus illustrieren. Und die den Leser in der Meinung bestärken, daß man es hier nur mit Scharlatanen und Betrügern zu tun hat. Dann kann er/sie beruhigt weiterblättern.
So gesehen habe ich vor allem Gewinn aus dem zugrunde liegenden Buchtitel "WUNDERDSUCHER" gezogen, das ich mir gerne kaufen werde, in der Erwartung , weitgehend objektive Fakten kennenzulernen.
Aber ich habe auch ein bißchen Hoffnung, daß CHRISMON nach dem ersten mutigen Schritt zur Grenzüberschreitung weiter am Ball zur Spurensuche in einem gesellschaftlich überragend wichtigen Gebiet zwischen Weltanschauung und praktischer Lebenswelt bleibt.

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