Das gehört nach Afrika!
Frankreich gibt geraubte Kunst aus der Kolonialzeit zurück. Und Deutschland?
30.01.2019

Die Starken erklären die Schwachen für unvernünftig. So können sie sie weiter entmündigen. Deswegen haben Männer Frauen lange das Wahlrecht und die Gleichberechtigung verweigert. Und über viele Jahrhunderte haben Europäer andere Völker unterdrückt, die sie für weniger vernünftig hielten.

Tim Wegner

Michael Güthlein

Michael Güthlein ist Redakteur am Magazin-Desk von chrismon, epd Film und JS-Magazin. Zusammen mit Konstantin Sacher schreibt er die Kolumne "Väterzeit". Er hat Journalismus, Geografie und Germanistik in Mainz und Bamberg studiert. Er schreibt am liebsten über gesellschaftspolitische Themen und soziale Gerechtigkeit.

Seit vergangenem Jahr spaltet eine Debatte die europäische Kulturszene: Frankreich gibt geraubte Kunst aus der Kolonialzeit an afrikanische Staaten zurück. Die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der senegalesische Ökonom Felwine Sarr hatten in einem Gutachten gefordert: nicht lange forschen, einfach zurückgeben, so bald wie möglich. Dadurch gerät auch Deutschland unter Druck. Zum Beispiel sollen im Humboldt-Forum, das derzeit in Berlin entsteht, Objekte mit umstrittener Herkunft ausgestellt werden.

Diese Haltung lässt sich kaum rechtfertigen - weder moralisch noch juristisch

Wenn ehemalige Kolonien wie Nigeria, Benin und Namibia jetzt ihre Kunstwerke zurückfordern, die durch Raubzüge, Forschungsexpeditionen und unfairen Tausch in europäische Museen gelangt sind, halten das auch heute noch viele für unvernünftig. Wertvolle Kunstschätze würden in afrikanischen Staaten von korrupten Eliten verkauft oder in Bürgerkriegen zerstört. In Entwicklungsländern gäbe es gar nicht genug Museen, um die Exponate auszustellen. Die europäischen Museen hingegen stünden in Zukunft leer. In Zeiten von Globalisierung und internationalem Recht lässt sich diese Haltung kaum rechtfertigen - weder moralisch noch juristisch.

Klar ist es riskant, die Kontrolle über Kunstwerke abzugeben, die zum Weltkulturerbe zählen. Was wird damit passieren? Und trotzdem: Da geht es um Werte, die nicht "uns" gehören, und es ist die Gelegenheit, endlich mal auf Augenhöhe zu verhandeln. Multilaterale Verträge abschließen, die Kunst zurückgeben, Stück für Stück. Klingt doch vernünftig.

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Wer aus Europa kann oder wird nach Afrika reisen, um sich dort vor Ort die alten Kunstwerke anzusehen? Kaum jemand, auch die vielen Schulklassen, die bis heute in Museen Informationen und Einblicke in die afrikanische Kunst erhalten, jedenfalls nicht mehr. Daher die etwas harte Frage, wem nutzt diese Aktion? Wenn diese Exponate aber heute zum Weltkulturerbe gehören, muss man sich fragen, wo alle diese Stücke wären, wenn sie in Afrika geblieben wären, was hätte man davon gewusst, hätten sie sich überhaupt bis heute erhalten, wem wären sie in unserer Zeit noch zugänglich? Afrikanische Staaten hatten und haben leider über viele Jahrzehnte andere und wichtigere Probleme zu lösen, als sich um Kunst zu sorgen, die Existenz- und Überlebensfrage war und ist immer noch dringlicher als Kunstwerke zu schützen. Es gehört allerdings von europäischer Seite ganz sicher zu den wichtigsten Aufgaben, die Herkunft und den geschichtlichen Hintergrund der Exponate offen zu verdeutlichen, dabei auch eigene Schuld einzugestehen, aber ob es sinnvoll oder vernünftig ist, einfach alles zurückzugeben, wage ich zu bezweifeln. Allein der Status "Weltkulturerbe" ist doch so klar, es handelt sich nicht um Eigentum von Europa sondern der Welt, ein Erbe, mit dem man bewusst und sorgfältig umgehen muss.

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