Bürgermeisterin von Tunis Souad Abderrahim
Die Bürgermeisterin von Tunis Souad Abderrahim bei einem Fototermin im Rathaus / 050718 *** Candidate of the Islamist Party Ennahdha, Souad Abderrahim, poses in his office after being elected mayor of the city of Tunis on July 5, 2018. Abderrahim the 53-year-old pharmacist became the capital's first ever female mayor, a post previously appointed by the President. ***
SIPA/Mohamed Hammi/action press
Mehr Frauen in die Parlamente
Tunesien und Frankreich haben es, sogar Ruanda und Bolivien: Ein Gesetz, das den Frauenanteil in den Parlamenten erhöht.
Tim Wegner
28.11.2018

Souad Abderrahim hat schon im Arabischen Frühling für Tunesiens Frauen demonstriert, sie wurde Abgeordnete des neuen Parlaments – und in Tunis die erste Bürgermeisterin des Landes. Die neue Verfassung: für sie ein Sieg der Frauen für Frauen. Seither haben die noch mehr bewegt: freie Berufswahl, Schutz vor häuslicher Gewalt, das Recht, Nichtmuslime zu heiraten – das hat ein Paritätsgesetz begünstigt, eine Frauenquote in der Politik. 2011 wurde sie eingeführt, und seit 2018 wird eine Partei nur zur Wahl zugelassen, wenn sie die Listenplätze und Spitzenkandidaturen je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt. Immerhin 31 Prozent der Abgeordneten sind nun Frauen.

In Deutschland sind nur noch 30 Prozent der Bundestagsabgeordneten Frauen – obwohl sie mit 51 Prozent die Bevölkerungsmehrheit stellen. Zwar haben einige Parteien freiwillige Regelungen, aber die werden auf kommunaler Ebene selten eingehalten, bei den Spitzenkandidaten fast nie. Das Land Berlin prüft jetzt ein Paritégesetz, eine Ausnahme. In mehreren Bundesländern hingegen sind ähnliche Bestrebungen gescheitert, in Bayern wurde eine Popularklage des Aktionsbündnisses Parité abgewiesen, die Verfassungsbeschwerde ist noch offen.

Frankreich hat Ende der 90er Jahre stufenweise eine Paritätsregel eingeführt. Parteien, die sie nicht einhalten, erhalten weniger staatliche Förderung. Das Resultat: Das Land ­kletterte in drei Wahlperioden vom Schlusslicht zu den Vorreitern mit einem Frauenanteil im Parlament von 38,8 Prozent. Damit es in Deutschland klappt, "muss sich aber auch die politische Kultur ändern", stellt der Politikwissenschaftler Christian Steg fest. "Parteipolitisches Engagement ist auf den männlichen Alleinverdiener zugeschnitten", sagt er. "Es herrscht eine Omnipräsenzkultur, und Frauen erfahren – meist unterschwellig – Diskriminierungen." Archaisch anmutende Umgangsformen wie Platzhirschgehabe oder Kungeleien zu später Stunde machten ihnen die Politik wenig erstrebenswert. Ein Paritätsgesetz dürfte beim Kulturwandel helfen.

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Bei der Lektüre dieses Artikels stellt sich mir einmal mehr die Frage, ob Frauen eigentlich wirklich wollen, wofür Frauenaktivistinnen kämpfen. Warum gehen nicht mehr Frauen in die Parlamente, egal ob in Städten oder Gemeenden, Kreisen, Ländern oder treten als Bundestagsabgeordnete an, wo sie mit einem Anteil von 30 Prozent gegenüber ihrem Anteil von 51 Prozent in der Bevölkerung unterrepräsentiert sind? Vielleicht weil es gleichermaßen für Männer und Frauen ein steiniger, zäher und überaus zeitaufwendiger Weg ist? Vielleicht wollen sie aber auch gar nicht, weil Politik ihrer Begabung, ihren Interessen und ihrer Lebensidee nicht oder nur wenig entgegenkommt?
Wir haben die verfassungsrechtliche Gleichberechtigung von Mann und Frau und benötigen deswegen kein Paritätsgesetz oder Frauenquoten. Entscheidend ist, dass jeder die Chance hat alles zu werden, nicht jede Position ist aber von Mann und Frau gleich begehrt. Zwingende Vorgaben einer Parität im Parlament rütteln an der Grundfesten der Demokratie, denn sie garantiert, dass alle in freien, gleichen und geheimen Wahlen abstimmen und sich zur Wahl stellen können - aber nicht, dass dabei eine repräsentative Volksvertretung herauskommen muss. Sie beleidigen eine freie Gesellschaft und Wirtschaft. Wir brauchen Vorausdenker und Innovatoren, egal ob Mann oder Frau!

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Es wäre leichter, den allgegenwärtigen Ruf mancher (nicht aller) Frauen nach einer Quote nachzuvollziehen, wenn denn wenigstens die einfachsten logischen Zusammenhänge dabei nicht vollkommen vergessen (oder absichtlich unterschlagen?) würden.

Denn woraus rekrutieren sich Parlamentsabgeordnete? Richtig: In den allermeisten Fällen aus den Mitgliedern der Parteien. Und hier einzutreten oder auch nicht ist - Gott sei Dank - rein freiwillig. Jeder Mann, jede Frau kann in eine Partei eintreten und wird angesichts der allgemein sinkenden Mitgliederzahlen vermutlich herzlich begrüßt.

Aber wie sieht denn der Frauenanteil in den Parteien aus? Mal kurz nachgeschaut: Der weibliche Mitgliederanteil z. B. der CDU beträgt aktuell 26,2 %, der der SPD 32,5 %. Merken Sie was?

Die (nebenbei ziemlich undemokratische) Forderung einer Parlaments-Quote folgt in etwa derselben Logik wie das 50/50-Gleichstellungsziel für Unternehmen einer Branche, für deren Ausbildungs- und Studiengänge sich nur zu 20 % Frauen entscheiden. Aber auch hier gilt leider nach wie vor: Ruf nach Quote ersetzt Logik und Mathematik.

Starten wir eine Kampagne für einen höheren Frauenanteil in Parteien! Da wäre ich sofort dabei.

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Frau Oberpriller mag bitte einmal die Fakten zur politischen Beteiligung nach Geschlechtern recherchieren. Die weiblichen Mitgliedsanteile in den bekannten politischen Parteien zum 31.12.2017 sind wie folgt: Bündnis90/Die Grünen 39,8%; Die Linke 36,5%; SPD 32,5%; CDU 26,2%; FDP 21,9%; CSU 20,5%; AFD 17%. Grob überschlagen liegt damit der weibliche Parteienanteil im Bundestag bei der derzeitigen Zusammensetzung bei ca. 30%. Damit ist die Parität erfüllt. Aber mit Sicherheit ist die Parität, was die soziale oder geographische Herkunft anbelangt, nicht erfüllt. Wenn schon Quote, dann bitte auch für alle.

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