Christian Schmidt, 37, auf einem Spielplatz: jede  Menge Münzen!
Christian Schmidt, 37, auf einem Spielplatz: jede Menge Münzen!
Bernd Roselieb
Der Findefuchs vom Spielplatz
Er suchte ein ungewöhnliches Hobby – und fand eines: das Suchen. Als Sondengänger.
Tim Wegner
28.11.2018

Christian Schmidt: 

Früher habe ich fünf Jahre lang Kung-Fu gemacht, aber irgendwann hatte sich das überlebt. Als ich umzog, konnte ich mich auch nicht mehr so richtig auf einen neuen Trainer einlassen. Danach hatte ich lang kein festes Hobby, ich ging Schwimmen, war Skifahren. Aber dann dachte ich: Mensch, ich will jetzt was machen, was meins ist! Also kaufte ich mir ein Buch und guckte, welche Hobbys es so gibt. Bouldern war damals groß im Kommen: in Hallen an künstlichen Felswänden hochklettern. Aber ich wollte nichts, was mich einschränkt. Nichts mit Verein und bestimmten Zeiten. Ich wollte etwas, bei dem ich unabhängig bin. Und kostengünstig sollte es sein.

Laufen, Wandern, Angeln – wäre alles möglich gewesen. Angeln mache ich manchmal auch noch. Man weiß nicht, was einen erwartet. Welcher Fisch beißt? Beißt überhaupt einer? Aber man braucht ein Gewässer. Hier in der Nähe ist nichts Interessantes, das ist eher was für den Urlaub, zum Beispiel in Schweden.

Das war wie ein Kick

Ich merkte, dass ich nichts Normales suchte. Aus einer Laune heraus gab ich den Suchbegriff "Außergewöhnliche Hobbys" bei Google ein und landete auf einer Internetseite. Paragleiten, Segelfliegen . . . An neunter oder zehnter Stelle stand: Schatzsuche, mit einer Metallsonde. Ich suchte nach Videos, wie diese Sonden funktionieren – und hing da sofort drauf. Das war wie ein Kick.

Ich bestellte mir ein Gerät, für 300 Euro, ein gutes Einsteigermodell. Ich ging gleich mit meiner Frau auf den nächsten Spielplatz. Überall lag was. Bald sagte meine Frau: Wir müssen nach Hause, meine Jackentasche reißt gleich. So viele Münzen! Was ich auf Youtube gesehen hatte, stimmte wirklich.

Die Sonde liegt immer im Auto, falls wir mal irgendwo sind, wo es einen Spielplatz gibt, auf dem ich noch nie war. Ich suche aber nicht überall. Privatgrundstücke, Wälder und Bodendenkmäler wie den Limes im Taunus lasse ich aus. Dort darf man nicht herumgraben. Zu Recht, weil man als Laie archäologische Schätze ja auch kaputt ­machen kann. Wenn man überhaupt was findet. Das ist mir viel zu anstrengend.

Auf Spielplätzen liegt meistens Sand oder Rindenmulch, den kann ich schnell wieder herrichten. Für die städtischen Freibäder in Frankfurt habe ich sogar eine Sucherlaubnis. Beim ersten Mal ist der Bäderchef mitgekommen. Wir haben einige Münzen gefunden, auch ein altes D-Mark-Stück. Was einen Wert von unter zehn Euro hat, darf man behalten. Aber neun von zehn Funden sind Metallmüll, den entsorge ich. Wertvolle Dinge wie teure Uhren würde ich natürlich abgeben.

Auch im Urlaub nehme ich das Gerät mit. Eine Woche Strand auf Usedom: 38 Euro, eine D-Mark, ein Ostpfennig und zwei Zloty. Dafür kann man gut Eis essen.
Seit wir den Kleinen haben, suche ich seltener. Bis er schläft, ist es fast 21 Uhr. Es ist eine Überwindung, dann loszuziehen. Obwohl: Auf Spielplätzen suche ich am ­liebs­ten, wenn es dunkel ist. Dann hab ich meine Ruhe.

Das Gerät piepst beim kleinsten Metallteilchen

Das Gerät piepst beim kleinsten Metallteilchen, wenn ich es über den Boden schwenke. Der Kopfhörer hilft mir auch dabei, für ein Stündchen aus der Welt zu fallen. Das ist Ausgleich für meinen stressigen Job, ich bin Gruppenleiter in einem Unternehmen und zuständig für Software­tests. Viel länger als eine Stunde halte ich nicht durch. Ich muss oft auf die Knie, um zu graben. Ich habe mir schon Knieschoner gekauft, wie Skateboarder sie tragen.

Natürlich werde ich oft angesprochen, zur Hälfte von Kindern. Erwachsene wollen meist wissen, ob ich was verloren hätte. Ja, sag ich dann. Mein Hobby ist ungewöhnlich. Menschen brauchen darauf eine Antwort, und mit der sind sie zufrieden. Wenn jemand wirklich interessiert ist, ergeben sich auch längere Gespräche.

Mittlerweile habe ich eine Internetseite, ich bin der Findefuchs aus Frankfurt. Wer was verloren hat, kann sich bei mir melden. Auch meine Schwiegermutter achtet auf Aushänge, sie rief mich an, als eine Frau ihren Ring suchte. Den fand ich auf dem Spielplatz im Sand. Hatte die ein Glück! Bei Rindenmulch rutschen Sachen schneller nach unten. Im Sand nicht, den Ring hätte leicht auch ein Kind finden können. Die Frau war so glücklich! Das freut mich dann einfach. Finderlohn will ich nicht, ich mache ja nur mein Hobby.

Protokoll: Nils Husmann

Infobox

Zur Rechtslage von Sondengängern und Archäologen hat das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland eine Broschüre herausgegeben und mehrere Informationen auf seiner Internetseite zusammengestellt.

Permalink

Im Heft 12/2018 wurde unkritisch über das Hobby "Sondengänger" berichtet.

Was viele nicht wissen: Wer auf eigene Faust auf "Schatzsuche geht, zerstört unter Umständen unwissendlich Bodendenkmäler und damit wertvolles kulturelles Erbe. Solche Eingriffe in ein Bodendenkmal sind illegal!
Sondengänger sollten sich unbedingt vor dem Sondeln über die jeweiligen Vorschriften in ihrem Bundesland informieren, um sich nicht strafbar zu machen. Für den Bereich NRW gibt es beispielsweise kostenlos die Broschüre "Die Rechtslage in NRW: Sondengänger und Archäologie".
https://bodendenkmalpflege.lvr.de/de/bodendenkmal/private_suche/sondengaengerei_und_archaeologie.html

Es wäre schön, wenn Sie die LeserInnen darauf ergänzend darauf hinweisen würden.

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