Entscheidung - Friedrich Ebert
Marco Wagner
Soldaten gegen Spartakus
Friedrich Ebert war der erste demokratische gewählte Präsident des Deutschen Reiches. Ein standhafter Demokrat, unter dessen Führung die Linke zerbrach und die reaktionären Kräfte erstarkten. Bis heute streiten die Historiker um seine Rolle.
23.10.2018

Januar 1919. Der Erste Weltkrieg ist beendet, noch gibt es keinen Friedensvertrag. Die Menschen hungern, Soldaten meutern. Seit der November­revolution ist Friedrich Ebert Reichskanzler, jetzt wollen Kommunisten, Sozialisten und Spartakusbund seine Regierung stürzen. Gibt es Bürgerkrieg? In 13 Tagen soll die erste demokratische und geheime Wahl auf dem Boden des Deutschen Reiches stattfinden.

In höchster Not trifft Ebert sich mit seinen Getreuen im Kanzler­büro. Sein ganzes Leben hat er für die Einführung der parlamentarischen Demo­kratie gekämpft. Die Wahl muss stattfinden, um jeden Preis. Ebert entscheidet sich für ein Ein­greifen der Armee gegen den Sparta­kusaufstand. Freie Hand für Gustav Noske, verantwortlicher Genosse für das Militär: "Meinetwegen", soll ­dieser gesagt haben, "einer muss ja der Bluthund sein." Freikorps ­schlagen den Aufstand nieder.

"Das deutsche Volk ist frei, bleibt frei und regiert sich in aller Zukunft selbst" Friedrich Ebert vor der National­versammlung am 6. Februar 1919

Die Gewalt eskaliert. Karl Liebknecht, Sohn des SPD-Gründers Wilhelm Liebknecht, und Rosa Luxem­burg werden ermordet. Soldaten foltern und töten. Aber: Die Reichstagswahl findet statt. Millionen Frauen dürfen erstmals wählen, es gibt Meinungs- und Pressefreiheit. "Das deutsche Volk ist frei, bleibt frei und regiert in aller Zukunft sich selbst", sagt Friedrich Ebert zur Eröffnung der Nationalversammlung am 6. Februar 1919. Am 11. Februar wird er zum Reichspräsidenten gewählt und bleibt es bis zu seinem Tode 1925.

Geboren wurde Friedrich Ebert 1871 in Heidelberg als Sohn eines Schneidermeisters, die Mutter stammt aus einer Bauernfamilie. Mit 14 ­Jahren hatte er eine Sattlerlehre begonnen, später ging er auf Wanderschaft, wurde zum "politischen Lehrling", wie sein Biograf Walter Mühlhausen schreibt.

Reichskanzler Otto von Bismarck verabscheute die Linken. Der Kampf gegen sein "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der ­Sozialdemokratie" von 1878 schweißte die Arbeiterschaft zu­sammen. 1890 ­wurde dieses Gesetz aufgehoben. Da ist Ebert längst Parteimitglied. Er zieht nach Bremen, heiratet und macht politisch Karriere – wird ­Mitglied des Reichstages und orga­nisiert die stark wachsende Partei. 1913 erringt er nach dem Tod von "Arbeiterkaiser" August Bebel, zusammen mit Hugo Haase, den Parteivorsitz.

Tim Wegner

Dorothea Heintze

Die Idee zu diesem Text kam Dorothea Heintze, als sie nach der Premiere von "Revolution?!" (s. Artikel unten) im Hamburger Museum für Geschichte mit anderen Zuschauern über die Rolle Friedrich Eberts diskutierte: War er nun der Retter der Demokratie oder einer der Steigbügelhalter der Nazis?
Fast alle Bilder, die von Ebert exis­tieren, zeigen einen ernsten, fast vierschrötigen Mann, volle Haare, Schnauzbart, gerade Haltung. Fünf Kinder hat das Paar, zwei Söhne ­fallen im Ersten Weltkrieg. Ebert war kein Pazifist. Tochter Amalie schreibt zum Kriegsbeginn 1914 in ihr Tagebuch: "Das Herz hätte einem springen mögen vor Schmerz und doch wieder vor Begeisterung." Bis heute streiten sich die Histo­riker über Friedrich Ebert. Er hasste Revolutionen, hatte panische Angst vor dem "Bolschewismus" und nahm in Kauf, dass die vor dem Krieg so starke SPD in einen linken und rechten ­Flügel ­zerbrach. Er baute stattdessen auf die alten Verwaltungsstrukturen in ­Militär, Verwaltung und Justiz. Ihm ging staatliche Ordnung über alles.

Andererseits: Ebert war Wegbereiter der Demokratie. Die Weimarer Verfassung gilt als Grundlage des deutschen Grundgesetzes und als ­eine der Wurzeln der Bundesrepublik Deutschland. Zwölf Regierungen ­kamen und gingen unter seiner sechsjährigen Präsidentschaft. Ebert war ein Fels in der Brandung, ein Garant des parlamentarischen Wandels in diesen Jahren. Aber: Rechte machten ihn verantwortlich für den "Schandfrieden" von Versailles, Linke nannten – und ­nennen – ihn einen "Volks- und Revolutionsverräter". Dutzende von Verleugnungsklagen aus allen politischen Richtungen musste Ebert ertragen. Psychisch auch dadurch stark angegriffen, starb er am 28. Februar 1925 mit nur ­54 ­Jahren in Berlin an einer verschleppten Blinddarmentzündung.

Infobox

Zum 100. Jahrestag des Novemberrevolution 1918 bietet die Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte ein vielfältiges Programm im Friedrich-Ebert-Haus an und erinnert damit an die Revolution 1918/19 und ihre Errungenschaften.

 

Weimarer Verfassung heißt sie, doch unterzeichnet wurde die Urkunde von Friedrich Ebert am 11. August 1919 an seinem Urlaubsort im südthüringischen Schwarzburg. Dort entsteht jetzt im Schloss ein "Denkort der Demo­kratie"

Literatur-Tipp: Joachim Käppner "1918 – Aufstand für die Freiheit. Die Revolution der Besonnenen", Piper-Verlag, 528 Seiten, 28 Euro

Permalink

Sehr geehrte Frau Heintze,
mit Interesse habe ich Ihren Artikel über Friedrich Ebert in der letzten Ausgabe von " Chrismon " gelesen. Es fehlt jedoch etwas in diesem Bericht. Einer seiner Söhne, Friedrich Ebert jr., ehemaliger Sozialdemokrat, ab 1946 Mitglied der SED, war von 1948 bis 1967 Oberbürgermeister von Ostberlin. Warum erwähnen Sie diesen gar nicht?

Mit freundlichen Grüssen

Peter Findeisen

Lieber Herr Findeisen, danke für Ihre Mail und den Hinweis – ja, das hatte ich natürlich auch gelesen – aber leider reichte der Platz im gedruckten Heft nicht aus. Schade, ich geb Ihnen ganz recht. Vielleicht nehme ich da zum Anlass, mal etwas über seinen Sohn zu machen. Lesen Sie uns gerne weiter kritisch. Herzliche Grüße

Dorothea Heintze

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