Adele Neuhauser - Wo ist eigentlich mein Glück
Adele Neuhauser - Wo ist eigentlich mein Glück
Dirk von Nayhauß
Wo ist eigentlich mein Glück?
Darüber denkt die Schauspielerin Adele Neuhauser oft nach. Finden, nicht suchen – das hilft ihr. Und aufmerksam sein.
Dirk von Nayhauß
30.08.2018

chrismon: In welchem Moment fühlen Sie sich lebendig?

Adele Neuhauser: Wenn mir beim Spielen eine Szene gelingt, habe ich manchmal das Gefühl: Jetzt bin ich auf eine Weise wahrhaftig und echt, wie ich es mir immer von mir wünsche. Das erlebe ich sonst nur im sexuellen Akt, im Höhepunkt löst du dich gleichsam auf – das ist das Schönste.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Schon als ich mit Julian schwanger war, hatte ich das ­Gefühl: Da passiert etwas Göttliches in mir und mit mir. Als ich ihn dann zum ersten Mal in den Armen hielt, spürte ich eine bedingungslose Liebe. Das hatte ich vorher noch nie erlebt. Ich fand es wunderbar, die Verantwortung für ein anderes Wesen zu übernehmen. Das relativierte vieles in meiner eigenen Existenz.

Adele NeuhauserDirk von Nayhauß

Adele Neuhauser

Adele Neuhauser, 1959 in Athen geboren und in Wien aufgewachsen, hat viele Jahre am Theater gespielt, darunter in Essen, Münster und Regensburg. Bekannt wurde sie als Bäuerin Julie Zirbner in der TV-Serie "Vier Frauen und ein Todesfall", seit 2011 ermittelt sie als Kommissarin Bibi Fellner im Wiener "Tatort". Sie erhielt den Grimme-Preis und fünf Mal den österreichischen Film- und Fernsehpreis "Romy". 2017 erschien ihre Autobiografie "Ich war mein größter Feind" (Brandstätter, 21,90 Euro). Adele Neuhauser hat einen erwachsenen Sohn und lebt in Wien.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ich habe immer wieder mit ihm gerungen, vor allem in jungen Jahren. Bis ich mich ergeben und gedacht habe: Was zweifle ich? Wozu? Das bringt mich nicht weiter, im Gegenteil. Wenn ich zulasse, dass es etwas gibt, das über meinen Horizont geht, ist es oft auch heilsam. Wobei ich seltsamerweise in ganz schwierigen Momenten nicht an Gott gedacht habe, sondern an meine eigene Energie, die mich im Leben hält.

Muss man den Tod fürchten?

In nur wenigen Monaten habe ich 2015 und 2016 meinen Bruder und meine Eltern verloren. Sie sind nicht mehr da, aber ihre Energie, die meinen Körper und meinen Geist durchströmt. Manchmal kann ich sie sogar zuordnen: Das ist jetzt mein Vater, das meine Mutter, das mein Bruder. Nein, man muss den Tod nicht fürchten, er kann ein warmer, umarmender Freund sein.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Miteinander sein. Die Welt ist so klein, und wir sind so viele, wir sollten einfach aufrichtig und herzlich sein, ­offen und freundlich. Das will ich leben, Tag für Tag. Und natürlich macht mich die Liebe zu meinem zweiten ­Bruder, zu seiner Familie und zu meinem Sohn glücklich. Julian und ich stehen manchmal zusammen auf der ­Bühne. Er spielt mit seiner Band Edi Nulz, und ich lese. Das Besondere ist, dass wir uns so lieben und so großartig, fast kritiklos miteinander agieren können. Wir tauschen natürlich ­Kritik aus, aber ohne dabei persönlich zu werden, das ist unbeschreiblich schön.

"Verdrängung ist der falsche Weg"

Wer oder was hilft aus der Krise?

Ich habe mehrmals versucht, mir das Leben zu nehmen. Ich war bereit, über Grenzen zu gehen, über die man nicht gehen sollte. Ist jemand schwer krank, kann es eine kluge Entscheidung sein. Jedoch nicht, wenn man jung ist, beim letzten Suizidversuch war ich 21 Jahre alt. Diese Zeit hat mich aber auch mutig gemacht. Was kann mir denn noch passieren? Ich selbst kann mir das größte Leid antun. Und mich wieder rausholen! Verdrängung ist der falsche Weg, das verstehe ich heute, das kommt ­irgendwo wieder raus. Mein Buch hat ja den Titel "Ich war mein größter Feind". Ich habe immer nur das ­Negative gesehen. Und heute? Nein, mein bester Freund bin ich nicht, aber ich mag mich. Das ist schon ziemlich viel. In traurigen Zeiten hilft mir das Gehen: Wenn ich meinen Rhythmus gefunden habe und mein Atem gleichmäßig läuft und ich so wenig Geräusche wie nur möglich ­mache und allein bin. Hinauf und hinunter oder durch einen richtig schweren Wald mit Fichten und Tannen und Moosboden.

Was ist Glück?

Als ich meine Mutter zum allerletzten Mal sah, fragte sie mich plötzlich: "Adele, wo ist jetzt eigentlich dein Glück?" Irgendwie war diese Frage nicht mehr aus ­dieser Welt gestellt, sie kam so unvermittelt, aber trotzdem sehr klar und liebevoll. Darüber denke ich oft nach. Ich komme immer mehr dazu, dass das eigentliche Glück in einer einfachen Zufriedenheit liegt. Es ist ja sehr, sehr kurzlebig, das sind Sekunden. Ich finde es, indem ich mich nicht mehr treiben lasse von Sehnsüchten, sondern versuche, den Moment wahrzunehmen. Dafür braucht es nicht viel, ein kurzes Ausatmen kann genügen.

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Nun wissen wir dank chrismon, dass sich die Schauspielerin Adele Neuhauser beim Geschlechtsverkehr lebendig fühlt und dass ihr letzter Suizidversuch achtunddreißig Jahre zurückliegt. Mir missfällt dieses exhibitionistische Zurschaustellen von ganz Privatem. Es ist in vielen Medien heute gang und gäbe, aber muss chrismon dabei mitmachen?

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