Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin a. D., ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und Heraus­geberin des Magazins chrismon
Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin a. D., ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und Heraus­geberin des Magazins chrismon
Foto: Thomas Meyer
Einen Kuchen weniger backen
So viel muss erledigt, besorgt, bedacht werden. Schon wieder mitten in der Festvorbereitung? Schenken Sie sich selbst: Zeit
Irmgard SchwaetzerJulia Baumgart
14.11.2016

Freuen Sie sich auf Weihnachten oder löst schon allein der Gedanke daran bei Ihnen Stress aus? Wer alles muss ein Geschenk kriegen? Bis wann muss ich bestellt haben, damit es die Post rechtzeitig bringt? Keine Ahnung, womit ich meiner Frau eine echte Freude machen könnte. Und was soll mein Vater dieses Jahr bekommen? Karten muss ich schreiben. Oder mach ich diesmal auch einfach einen Rundbrief? Am Dienstag ist Weihnachtsfeier in der Firma, am Donnerstag das Treffen mit den Jungs aus dem Verein, am Freitag mit den Nachbarn auf dem Weihnachtsmarkt. Und Samstag kommen die Kinder. Bleibt fürs Plätzchenbacken der Mittwochnachmittag. Gut, dass wenigstens die Gans schon in der Truhe liegt.

Weihnachten macht Stress. Und zwar nicht, weil wir uns das so lange einreden, bis es stimmt. Sondern weil wir mit diesem Fest so viele Wünsche und Erwartungen verbinden. Weil es die Sehnsucht in uns weckt. Es erinnert uns an so vieles, dass es Druck erzeugt. Es gibt Menschen, die können das Wort Weihnachtsstress nicht mehr hören, weil sie darunter wirklich ­leiden.

Denn das, womit wir uns vor Weihnachten selbst unter Druck setzen oder von anderen unter Druck setzen lassen, kommt noch obendrauf – zusätzlich zu dem, was uns alltäglich in Atem hält. Der Studie einer Krankenkasse zufolge fühlt sich mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland gestresst. Bei den Männern hat den größten Anteil daran die Arbeit. Bei Frauen sind es die eigenen Ansprüche an sich selbst. Sie können dazu führen, dass sie am Ende krank werden. Weitere Stressfaktoren: zu viele Termine in der Freizeit, der Straßenverkehr, die ständige digitale Erreichbarkeit.

Am besten bereitet sich vor, wer sich selber liebt

Schalten Sie in der Adventszeit einfach mal ab! Sie ist, christlich betrachtet, eine Zeit der Besinnung und der Vorfreude auf das Weihnachtsfest, der Freude da­rüber, dass Gott den Menschen Jesus zu uns auf die Welt gesandt hat. Der Advent soll ­helfen, uns auf das Fest vorzubereiten, Atem zu holen, zur Ruhe zu kommen.

Eigentlich spüren wir es ja, wie gut es tut, wenn wir uns wirklich Zeit nehmen für uns selbst. Im Alten und im Neuen Testament gehört zum Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe von vornherein immer: „Du sollst dich auch selbst lieben.“ Im Alten und Neuen Testament wird dazu dringend geraten (3. Buch Mose 19,18; Matthäusevangelium 22,39). Das beziehe ich jetzt besonders auf das „Fest der Liebe“, auf Weihnachten. Am besten bereitet ­sich darauf vor, wer sich auch selber liebt und sich nicht auffressen lässt von seinen Akti­vitäten. Kommen wir mit unserem Partner, unseren Kindern, unseren Freunden ins Gespräch? Stellen wir uns die Frage, ob sie, aber auch ob wir glücklich sind?

Die Adventszeit ist als heilsame Unterbrechung gedacht. Das fordert Entscheidungen von uns. Wir können dann nicht mehr alles tun, was wir uns vorgenommen haben oder was wir selbst oder andere sich von uns wünschen. Vielleicht wird einiges, für das wir verantwortlich sind, dann nicht mehr so perfekt sein. Wir selbst ­werden nicht mehr so perfekt sein. Vielleicht müssen wir Abstriche an unseren Freizeit­aktivitäten machen, vielleicht einen Kuchen weniger backen. Aber nur so wird es gelingen, den Druck des Immer-Weiter-So zu überwinden.

Das dient nicht nur jedem Einzelnen, sondern dem sozialen Zusammenhalt ­und der Religionsausübung. Diese Unter­brechungen sind so wichtig, dass sie staatlich geschützt sind: als besondere Feiertage. Und wenn schon dem Staat Ihr Wohl so viel wert ist, dann sollte es Ihnen nicht weniger wert sein. Nehmen Sie sich die Zeit dafür!

Permalink

Sehr geehrte Frau Dr. Schwaetzer,

mit großem Befremden habe ich gelesen, daß auch Sie die groteske Fehldeutung von Matth. 22,39 vertreten, als habe Jesus die Selbstliebe empfohlen. Völlig abwegig ist es, aus dem Nebensatz "...wie dich selbst"

ein drittes Gebot zu machen "Liebe dich selbst", zumal Jesus hier ausdrücklich von 2 Geboten spricht. Weder von Jesus noch sonst wo  in der Bibel (AT und NT) wird der Egoismus in irgendeiner Form propagiert.

Mit dem Satz "wie dich selbst" bezieht sich Jesus auf unsere natürliche menschliche Eigenliebe. Er stellt sie als Tatsache fest, ohne sie damit zu propagieren (oder auch zu verdammen).

Mit freundlicher Begrüßung,

Johannes Hildebrandt, Marburg.

Antwort auf von Leserbrief

Permalink

Sehr geehrter Herr Hildebrandt,

da haben Sie völlig recht, dass Jesus kein Propagandist der Selbstliebe war. Wir kommen Sie denn auf diese Idee? Und wo wollen Sie das in dem Text unserer Herausgeberin entdeckt haben?

Sie lesen den Text von Frau Dr. Schwaetzer gegen seinen offensichtlichen Sinn. Sie rechtfertigt an keiner Stelle Egoismus, sie erwähnt ihn nicht einmal. Im Übrigen vermischen Sie in Ihrer Kritik Selbstliebe mit Egoismus, was etwas ganz anderes ist.

Dieses Bibelzitat "...deinen Nächsten lieben wie dich selbst" hat auch deshalb eine so außerordentliche Wirkung entfaltet, weil Jesus die (wohl verstandene) Selbstliebe keineswegs kritisiert, sondern Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe integriert. Darauf hat Frau Präses Schwaetzer hingewiesen.

Permalink

Wenn Gott nicht zu Weihnachten seinen eingeborenen Sohn geschickt hat, und darum schummelt sich die Präses herum, ist das dreifache Liebesgebot nur ein einziges Kreisen um sich selbst: Tripple Narcis so to speak.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.