chrismon-Chefredakteurin Ursula Ott
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Foto: Katrin Binner
Zwischen Show-Brauen und Badewannenrennen
Was ist heute noch ein Erlebnis? Schon das Dorfradrennen oder erst der Besuch im Erlebnisrestaurant?
Tim Wegner
08.08.2016

Letzten Sonntag fuhr ich ins Bergische. Ich wollte meine alte Tante im Heim besuchen und hatte mich auf eine beschauliche Landpartie eingestellt. Schon bei der Abfahrt von der Autobahn blieb ich das erste Mal ­stecken, ein „Erlebnisbauernhof“ hatte mit seiner Hüpfburg und seinen Tret-Karts so viele Familien aus der Großstadt angelockt, dass die Sharans und Zafiras alles zuparkten. Ich bog ab auf eine kleinere Landstraße, die mich zu einer „Erlebnisbrauerei“ führte ‒ auch dies ein Hotspot im Grünen, der viele Autofahrer anzieht. Dass an dieser kurvigen kleinen Landstraße etliche nette Damen mit gelben Westen auf Klappstühlen saßen, fiel mir erst gar nicht auf. Bis ich merkte: Hier findet gleich ein Radrennen statt. Schnell verließ ich den Parcours, leider so schnell, dass ich im einst beschaulichen Bröltal durch den Radar fuhr.

Kein Mitleid! Natürlich muss ich auf meinen Tacho gucken. Und natürlich hätte ich vorher googeln ­können, ob sonntags hier eine Freizeitveranstaltung ge­plant ist. Hätte ich auch gemacht, wenn es sich um die Pyrenäen oder den Mont Ventoux gehandelt hätte. Kann mir mal einer erklären, warum jeder Dorfverbund sein Rad­rennen braucht, jeder Bauernhof seine Wiegemeisterschaft und jede Brauerei ihr Show-Brauen mit Hopfomat?

Klar sitze auch ich nicht rund um die Uhr auf dem Sofa. Ich verschenke eine Floßfahrt an Freunde, ich schwimme beim Triathlon, ich gehe ins ­Theater. Aber der Duden sagt, ein Erlebnis sei ein „beeindruckend erlebtes Geschehen“. Wie soll mich ein Erlebnisbauernhof noch beeindrucken, wenn dort dieselbe Hüpfburg steht wie im Erlebnisrestaurant und im Erlebnisbad? Bad ist ein ganz schlechtes Stichwort, denn ich versuchte an jenem Sonntag noch im Freibad zu schwimmen, dort fand allerdings ein „Badewannenrennen“ statt, das mich am Verstand der örtlichen Wasserbetriebe zweifeln ließ.

Apropos Verstand. Meine Tante, angeblich dement, erkannte mich sofort. Und sagte, mein ­Besuch sei das schönste Geschenk in 95 Jahren. Schon war die blöde Anfahrt vergessen. Und ich war am Ende sehr zufrieden mit diesem Sonntag, den ich als durchaus beeindruckend erlebte.

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Im Augenblick denke ich darüber nach, mir endlich ein schönes Lümmelsofa anzuschaffen, das Schwimmen zu vergessen und den Sport an den Nagel zu hängen. Ehrlich ! !

" Apropos Verstand ! (...) Und sagte, mein Besuch sei das schönste Geschenk in 95 Jahren. " Sind Sie sicher, dass Sie gemeint waren ? In 95 Jahren haben Sie Ihre Tante nur dieses eine Mal besucht ? ! Oder Sie gar nur dieses eine Mal erfreut ? Kann es sein, dass Ihre Tante Sie möglicherweise mit jemand anderem verwechselte ? Wie dem auch sei.
Auf jeden Fall kann ich Ihren Ärger und ebenso Ihre Freude sehr gut nachvollziehen.

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Zum Sofa : Ich lass es noch. Zum Sport : natürlich nicht. Wichtig ist, dass man auch die Seele baumeln lässt, ohne anderen hinterher zu rennen. Vor allem im übertragenen Sinne. Ich schwimme aktuell im Ozean der Träume, in stimmungsvoller Musik, und plane den nächsten Schritt.

Viele Grüße ins Bergische.

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Es ist schon erstaunlich, mit welcher Arroganz und zugleich Unkenntnis Frau Ott Freizeitaktivitäten und die Menschen, die sie betreiben aburteilt. Ihre eigenen Aktivitäten ausgeschlossen.
Das Beispiel Radrennen: Bei einer besseren Recherche hätte Frau Ott wissen können, dass in den letzten Jahren immer mehr Radrennen verschwinden, die Aussage "jeder Dorfverbund braucht sein Radrennen "ist absolut falsch. Vielleicht meinte Frau Ott eine RTF -im Bröhltal gibt es aber seit Jahren kein klassisches Radrennen mehr. Und warum besitzt eine Fahrt auf den Mont Ventoux eine höhere Qualität als das Radfahren im Bröhltal? RTFs sind gemeinschaftsfördernd, gesundheitsfördernd und machen den Teilnehmer_innen Spaß! Hat sich Frau Ott einmal gefragt, warum dort Streckenposten in Warnwesten stehen? Weil es für Radfahrer_innen immer schwieriger wird, sich vor unvorsichtigen, schnellen Autofahrer_innen zu schützen, die rücksichtlos und schnell durch das Bröhltal rasen und dann noch über die blöde Anfahrt schimpfen. Die Kreuze am Wegesrand erzählen davon.
Apropos Verstand: Ich denke, es ist nicht notwendig genauer zu erläutern, warum immer mehr Bauern keine Viehzucht mehr betreiben oder sich Brauereien ein zweites Standbein aufbauen. Das gehört zur Allgemeinbildung.

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... bin ich über die Arroganz mit der Frau Ott das Freizeitvergnügen anderer Menschen abkanzelt. Was ist im Gegensatz zu den beschriebenen Radrennen so toll an ihren Triathlon-Aktivitäten? Nur, dass sie nicht in einem Dorf stattfinden? Oder, dass sie diese selbst betreibt und damit aufwertet? Zudem fand ich den Text noch nicht einmal geistreich oder witzig, sondern nur verletztend. Das würde ich mir bei einem christlichen Blog doch entschieden anders wünschen.

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