Christoph Markschies in einem Park nahe der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.
Christoph Markschies in einem Park nahe der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.
Thomas Meyer/OSTKREUZ
Rückzug durchs Minenfeld
Christoph Johannes MarkschiesThomas Meyer/OSTKREUZ
15.03.2016
Miserikordias Domini
Auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, damit ihr seinen Fußstapfen folgen sollt; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Munde kein Betrug war; der nicht mit Schmähungen antwortete, als er geschmäht wurde, der nicht drohte, als er litt, sondern es dem anheimstellte, der gerecht richtet; der unsere Sünde mit seinem Leibe ans Holz hinaufgetragen hat . ..
1. Petrus 2, 21–25

Die Weihnachten meiner Kindheit waren wunderschön, auch deswegen, weil sie immer gleich abliefen. Ein einziges Mal war alles anders. Da erzählte nämlich mein Vater an einem Weihnachtsabend unter Tränen eine schrecklich e Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg: Eiliger Rückzug war angesagt, ein Minenfeld musste durchquert werden, und das konnte vorher nicht mehr geräumt werden. In einem langen Gänsemarsch liefen die Soldaten über das Feld, eifrig bemüht, in den Fußstapfen ihrer Vordermänner zu laufen und keinen Schritt zur Seite zu tun. Mein Vater mitten drin. Das Wunder geschah: Auch der letzte Mann hatte irgendwann lebend das Feld durchquert.

Ich kann mir nicht helfen, jedes Mal, wenn ich den antiquierten Ausdruck „Fußstapfen“ höre oder lese, muss ich an den Gänsemarsch meines Vaters über das Minenfeld denken. Auch dann, wenn in einem biblischen Text von „Fußstapfen“ die Rede ist. Im Ersten Petrusbrief, dem Schreiben eines unbekannten Autors vom Ende des ersten Jahrhunderts, wird die Nachfolge Jesu genau mit diesem Wort charakterisiert: Man soll als Christenmensch in die Fußstapfen Jesu treten.

Darf man das schreckliche Bild aus dem Zweiten Weltkrieg verwenden, um den biblischen Text zu verstehen? Ja, man darf, weil es im Ersten Petrusbrief auch um Todesgefahr und Lebensrettung geht, wenn Menschen den Fußstapfen eines anderen folgen. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Der Gänsemarsch der Männer, in dem mein Vater das Minenfeld überquerte, erreichte das rettende Feldende ohne Verluste. 

Der Gänsemarsch der Christen, die (jedenfalls nach dem Petrusbrief) in den Fußstapfen Jesu unterwegs sind, wird von einem angeführt, der sozusagen auf eine Mine tritt. Er gibt sein Leben am Kreuz. Mit anderen Worten: Der, dem alle nachfolgen, verliert – anders als in der Geschichte meines Vaters – sein Leben.

Antike Christenmenschen glaubten, dass alle anderen leben können, weil Jesus sein Leben sozusagen im Minenfeld des Lebens für die anderen verloren hat. Für beide Geschichten gilt aber trotz aller Unterschiede: Wer im Gänsemarsch den Fußstapfen folgt, überlebt.

Die Strenge Ansicht des Petrusbriefs 

Wenn man den biblischen Text aus dem Ersten Petrusbrief so radikal ernst nimmt, stellen sich natürlich sofort viele Fragen: Tritt man wirklich, wenn man Jesus nachfolgen will, in seine Fußstapfen? Ist wirklich Gänsemarsch angesagt? Oder heißt Nachfolge nicht viel mehr, kreativ die Maßstäbe, nach denen Jesus lebte, in unseren ganz anderen Leben umzusetzen? Und leben wir wirklich deswegen, weil Jesus am Kreuz sein Leben für uns hingab? Sind das nicht sehr archaische Vorstellungen von einem, der mit seinem Tod für alle bezahlen muss?

In der Tat: Der Erste Petrusbrief vertritt für unseren Geschmack eine ziemlich strenge Ansicht über Nachfolge und zudem eine ziemlich klassische Ansicht über die Wirkungen des Kreuzestodes Jesu. Aber er lädt auch ein, darüber nachzudenken, ob es nicht wirklich ins Leben führt, Jesus so direkt und buchstäblich nachzufolgen. Wie das geht, beschreibt der Brief ganz konkret: Nicht betrügen, auch wenn alle anderen es tun. Nicht zurückbeleidigen, wenn man beleidigt wird. Auf Gewalt verzichten, wenn einem Gewalt angetan wird.

Möglicherweise ist dieser Weg in den Fußstapfen Jesu ja tatsächlich genau der lebensrettende Weg durch das Minenfeld aus Gewalt und Todesgefahr, weil man auf diese Weise wenigstens moralisch durch das Gelände kommt. So, dass man sich nicht verbiegen lässt.

An dieser Stelle wirkt der auf den ersten Blick so sonderbare Erste Petrusbrief ganz aktuell: Lebensgewinn durch Gewaltverzicht auf den Spuren Jesu.

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I. Stellungnahme zu folgendem Satz aus obigem Artikel: „Tritt man wirklich, wenn man Jesus nachfolgen will, in seine Fußstapfen?“

Das Programm Jesu, das er am knappsten unter der Reich-Gottes-Chiffre fasste und symbolisch am eindrucksvollsten in der Offenen Tischgemeinschaft verdichtete, muss niemand glauben; es hat seine unmittelbare Evidenz in sich selbst. Es will nicht geglaubt, sondern gelebt und getan werden. Dann wird sich auch zeigen, dass es kein Programm ist, das sich für Dogmatiken und Konfessionsbildungen eignet, sondern Menschen jeder Herkunft und Denkweise zu erreichen und zu überzeugen vermag.

Was sind nun „jesuanische Maßstäbe“?

• Jesus hat nie einfach nur das äußerliche Einhalten von Geboten gefordert, sondern ihre Erfüllung im Engagement für den Nächsten gepredigt und praktiziert. Dieses Engagement für den Nächsten hat Jesus als Gottes-Dienst verstanden. Sein Petitum lautete : Menschendienst ist Gottesdienst und Gottesdienst ist Menschendienst. Dieser Dienst kennt keine Rangordnung – er ist gekennzeichnet durch den Verzicht einer Gegenleistung bzw. durch ein Vergeben ohne Grenzen.

• Jesus hat die Mächtigen seiner Zeit (für die heutigen machtbewussten kirchlichen Amtsträger gilt das genau so) daran gemessen, ob sie ihre Macht als Dienst- und Solidaritätsverpflichtung allen Menschen gegenüber (mit der Priorität gegenüber Unterdrückten, Versklavten und Entrechteten) verstehen oder ob sie ihre Macht dadurch missbrauchen, dass sie Querdenker durch Repressalien unterdrücken, sie durch Bußschweigen und Schreibverbote demütigen oder durch Amtsenthebungen und Exkommunikation aus der Gemeinschaft ausschließen

Sich Gottes Heute und Morgen zu stellen, macht es erforderlich, Überliefertes, Vertrautes und Gelerntes auch hinter sich lassen zu müssen, ohne jedoch die Erinnerung in Vergessenheit geraten zu lassen, in der Kirche sich ihrer Identität und Sendung immer wieder aufs Neue bewusst macht und machen muss.

Es geht nicht darum, die bisherige Tradition - und zumal die Quellen dieser Tradition - auszutauschen, sondern sie unter veränderten Verstehensbedingungen neu zur Sprache zu bringen. Damit wird auch die bestimmende Intention deutlich: die Tradition nicht sterben zu lassen, sie nicht zu mumifizieren, sondern sie neu zu sehen, um sie auf diese Weise für eine gewandelte Zeit weiterführen zu können.

Die Geschichte zeigt immer wieder, dass sich Identität vor allem nicht in bewusster Wiederholung des angeblich immer so Dagewesenen realisiert, sondern bedeutsam und als eigentliche Quelle für Identität erweist sich die Vermittlung von Kontinuität und Diskontinuität ;Kontinuität impliziert auch Diskontinuität, denn aus dem Entwicklungsprozess geht das Andere, das Neue, das für die Gegenwart und Zukunft Bedeutsame hervor. Die Wandlung ermöglicht eine neue Erfahrung dahingehend, dass man sich genau in ihr selbst treu bleibt bzw. erst sich in ihr wieder neu entdeckt. Biblische Erfahrungen und Vorbilder fordern gerade zu einem auch in der Gegenwart unverzichtbaren „Exodus“ heraus.

Christlicher Glaube darf nicht verstanden werden als starre Ritualisierung von in Stein gemeißelten Glaubensformeln und Liturgiekonventionen, sondern – wenn Glaube lebendig bleiben soll – muss eine Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten erlaubt, ja gefordert werden, damit die jesuanische Botschaft nicht in ein Mausoleum eingekerkert wird, sondern als blühender Garten immer wieder neue Triebe und Blüten hervorbringen kann, die das Bild dieses Gartens aus der Sterilität und Strenge eines nur von Vorschriften dominierten Gartens herausführen und Möglichkeiten eröffnen, dass vom Hl. Geist beseelte Menschen den Garten mit einem göttlichen Atem ein neues Antlitz verschaffen, so dass Menschen wieder Freude und Zuneigung empfinden, die jesuanische Botschaft vom Reich Gottes unter den Prämissen der Gegenwart in diesem Garten zu einer neuen Wirklichkeit zu verhelfen. Jedes normative System, mag es noch so heilig sein, kann durch Menschen zu einer destruktiven und tötenden Macht pervertieren. Bei Paulus heißt es: „Das Gesetz ist heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut“. (Röm 7,12) Das Gesetz wird nur in den Händen menschlicher Sünde zur Unheilsmacht. Es ist eine ambivalente Macht, denn sie bewirkt als „Geist“ Leben und als „Buchstabe“ Tod. (vgl. Röm 7,6 mit 2Kor 3,6)

Eine Kirche, die sich von der Menschenliebe und Weltoffenheit Jesu inspirieren lässt (Das hat mit Zeitgeist-Denken nichts zu tun!), wird mehr Menschen für Jesus Christus gewinnen als eine, die eine komplizierte Glaubenslehre exklusiv verwaltet. Der bedeutende katholische Theologe Karl Rahner sprach in diesem Zusammenhang vom „anonymen Christentum“. Es gibt Menschen, die den Weg Jesu gehen, ohne ihn als Gott zu bekennen. Dass es andererseits viele gibt, die Jesus »Herr!« nennen, aber seinen Willen missachten, das weiß schon das Neue Testament.

II. Stellungnahme zu zwei Sätzen aus dem obigen Artikel: „Und leben wir wirklich deswegen, weil Jesus am Kreuz sein Leben für uns hingab? Sind das nicht sehr archaische Vorstellungen von einem, der mit seinem Tod für alle bezahlen muss?“

Dass der Tod Jesu am Kreuze als „Sühneopfer“ zu verstehen ist, gehört nach wie vor zu den Kernpunkten christlichen Glaubens. Gegen eine solche Aussage erhebt sich jedoch auch zunehmend Widerstand. Nicht wenige Theologen begründen ihre Zweifel an einer solchen Aussage mit dem von ihnen vermuteten despotischen, grausamen und sadistischen Gottesbild, das einer solchen Theologie zugrunde liege. Zugespitzt lautet die Frage : Was muss das für ein Gott sein, der seinen Sohn auf so qualvolle Weise am Kreuze sterben lässt. Kulturanthropologen machen zudem darauf aufmerksam, dass es zur Würde und Freiheit des Menschen gehöre, dass keiner sich in seiner Sünde und Schuld vertreten lassen könne. Viele Fragen tun sich auf. Müssen wir heute vielleicht nach neuen Antworten suchen?

Jesus hat den gewaltsamen Tod gewiss bewusst nicht gesucht oder provoziert (wie manche Forscher behaupten). Jesus hat möglicherweise seinen bevorstehenden Tod vor dem Hintergrund seiner Auseinandersetzungen mit den Vertretern des Tempelsystems vorausgeahnt; die Priesteraristokratie sah es als ihre Hauptfunktion an, Reinigung zu bewirken angesichts der Verfehlungen Israels und damit das Verhältnis zu Gott wieder herzustellen. Jesu Botschaft lässt sich jedoch dahingehend zusammenfassen, dass er Sündenvergebung schon mit dem Anbruch der Gottesherrschaft als gegeben ansah. Jesus kann Vergebung, ohne Voraussetzungen fordern zu müssen, einfach zusprechen (Mk 2,5).

Die Anstrengungen der Tempelaristokratie , Reinigung zu bewirken, haben mit dem Anbruch der Gottesherrschaft ihre Bedeutung verloren. Der Tempel und damit auch die Tempelaristokratie ist somit seiner wichtigsten Funktion enthoben. Dass mit dem von Jesus verkündeten Anbruch der Gottesherrschaft der Tempel als das Machtzentrum in Israel plötzlich in den Augen Jesu und seiner Anhänger entmachtet war, musste den Widerspruch und die Gegnerschaft der Priesterschaft, die ihre religiöse und politische Reputation in Gefahr sahen, hervorrufen. Im Überzeugungssystem Jesu kann der Tempel mit seinen Opfer- und Reinigungseinrichtungen als Symbol des Widerstands der alten Ordnung gegen die Gottesherrschaft angesehen werden. Die Priesterschaft empfand die Botschaft Jesu als einen direkten Angriff auf die „Tempelidentität“ und damit indirekt auch auf die politische Ordnung.

Erst im 11. Jahrhundert wird mit der Schrift Anselms von Canterbury „Cur deus homo“ das Kreuzesgeschehen als Sühneopfertheologie verstanden. Nach Ansicht Anselms opfert ein beleidigter Gott seinen Sohn, weil er eine Sühne gebraucht für die Verfehlungen bzw. Sünden der Menschen.

Nach Anselm hätte es nicht genügt, über die verweigerte Liebe des Menschen über seine Abwendung vom Schöpfer einfach hinwegzusehen. Das wäre nicht barmherzig genug gewesen – und vor allem nicht gerecht. Sünde muss gesühnt werden. Der Mensch kann seine gigantische Schuld nicht aus eigener Kraft sühnen, Gott kann auf diese Sühne nicht verzichten, kann den Menschen aber auch nicht verwerfen, weil er ihn aus Liebe geschaffen hat und ewig glücklich machen will. Anselms Lösung: Weil „diese Genugtuung einerseits nur Gott leisten kann und andererseits der Mensch leisten muss, ist es notwendig, dass sie ein Gottmensch leiste“.

Dieser Argumentation verweigern heute nicht wenige Theologen ihre Gefolgschaft. Bereits Luther hatte dagegen Einspruch erhoben mit den Worten: „Das sag ich, dass man aus keiner Schrift bewähren kann, dass die göttliche Gerechtigkeit etwas Pein oder Genugtuung fordere von dem Sünder denn allein seine wahre und herzliche Reue.“

Mit Luther vertreten heute viele Theologen die Meinung, dass es nicht um einen beleidigten Gott geht, sondern darum, wie der von Gott getrennte Mensch wieder Zugang gewinnt zu Gott. Somit bringt nicht Gottes Strafbedürfnis Jesu den Tod, sondern die Sünde der Menschen. Der Tod Jesu am Kreuze eröffnet somit den Menschen eine Chance, die verloren gegangene Verbindung zu Gott wieder neu zu knüpfen.

Die mittelalterlichen Vorstellungen eines in Kategorien von Schuld und Sühne agierenden Gottes, der strafen muss, um wieder lieben zu können, wären nicht nur dem Rabbiner Jesus vollkommen fremd geblieben, sondern kommen auch mir entsetzlich fremd und lieblos vor. Der Bericht über Abraham sollte allen Juden – und damit auch Jesus – verdeutlichen, dass es keinen blutrünstigen Richtergott, der Menschenopfer fordert, mehr gibt (1 Mose 22,2-14). Dass Jesus sich selbst als Schlachtopfer für die Sünden der Menschen verstanden hätte ( Joh 3,16 und Röm 8,32 insinuieren eine solche Deutung), wäre mit seinem eigenen Gottesbild unvereinbar gewesen ; genau so unvorstellbar wäre Jesus eine Vorstellung des Essens und Trinkens vom Leib und Blut des Opfers seiner selbst; hinzu kommt, dass Jesus gewiss kein Blut hätte darreichen oder es gar selbst hätte trinken können, und sei es auch nur symbolisch, das noch gar nicht vergossen war.

Das Deutemuster von Eucharistie und Abendmahl ist in den christlichen Kirchen (leider !) immer noch geprägt von einem stark Angst besetzten Gottesbild, das sich weit von der ungetrübt jesuanischen Zuversicht und Lebensfreude entfernt hat. Jesus feierte mit seinen Jüngern das Pessachmahl in der Vorahnung seines persönlichen Scheiterns . Aber Jesus wollte seiner Botschaft treu bleiben; nämlich seiner guten Botschaft (eu–angelion) von der voraussetzungslosen Liebe und Güte Gottes – ohne irgendwelche moralischen und sonstigen Vorbehalte.

Jesus wollte seine Treue zu den Ärmsten der Armen auch angesichts seines Todes nicht verraten. Die Ärmsten, Allerverachtetsten von damals: Zöllner, Huren, Samariter, sie hat er als gleichwertig angesehen und deshalb die Schubladenspiele der tonangebenden Kreise gestört. „Reich Gottes", das hieß in der Sprache Jesu : Heil und Würde für alle. Solche Botschaft passte denen nicht, die sich deshalb über den menschlichen Sumpf erhoben fühlten, weil sie die übrigen noch tiefer in ihn hineintraten. Jesus hat seine Botschaft höher geschätzt als sein Leben und ist für sie gestorben.

Nicht Gott hat den Tod Jesu gefordert, sondern dieser nimmt seinen Tod von Menschenhand an, indem er sich seinem Gott hingibt. Entsprechend heißt es bei Paulus : „Dies ist mein Leib für euch.“ Und: „Dieser Becher ist der Neue Bund in meinem Blut.“ (1 Kor 11, 24 - 25) Diese um Jahrzehnte früher als die Evangelien geschriebener Text bedeutet, dass durch das Essen des Brotes und das Trinken des Bechers ein Blutsbund geschlossen wurde – und nicht, dass Blut getrunken wurde! „Erbarmen will ich und nicht Opfer", das sagt Jesus (Mt 9,13 u. 12,7) als guter Jude und zitiert den Propheten: Hosea (6,6), wo es wörtlich steht ; ähnlich auch bei Amos, der noch deutlichere Worte findet (5,21).

In der Eucharistiefeier feiern wir, dass Jesus in der Stunde seiner Not einen Blutsbund mit all denjenigen geschlossen hat, die sich zu ihm bekennen ; in der Feier dieses Bundes kann uns Jesus neu lebendig werden – sowohl der Auferweckte als auch der Gegenwärtige!

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Jesus sein Sterben noch nicht als „Sühnetod“ verstand, denn ein solcher passt nicht zu seiner Überzeugung von der Gottesherrschaft, wo Gott selbst von sich aus, will sagen : in seiner Barmherzigkeit Sünden vergibt. Historisch gesehen ist Jesus an den ungelösten Konflikten seiner Zeit gestorben. Seine Nachfolger haben daraus ein „für uns“ gemacht. Das „Für uns“ kann nun das Tor zu einem neuen Miteinander sein.

Die Aussage, dass Jesus „für uns“ gestorben ist, bietet den Menschen eine Möglichkeit, wie sie die von ihnen immer wieder erneut geschaffenen Opfer verringern können, indem sie nach anderen Möglichkeiten von Konfliktlösungsstrategien Ausschau halten als nur über den Weg der Macht, Gewalt, Krieg und der Tötung anderer Menschen. Es gilt die Todesspirale anzuhalten, die wir Menschen immer wieder dadurch in Bewegung setzen, dass wir andere Menschen ausgrenzen, diskriminieren und sie zu Sündenböcken machen. Somit motiviert die Passion Jesu und der Anblick des Gekreuzigten heute dazu, das Leiden der heute Gekreuzigten in den Focus unserer Beobachtung zu holen.

Ein angemessenes Verständnis von „Opfertheologie“ in der Gegenwart sollte nach meiner Ansicht davon ausgehen, dass es nicht darum geht, die Gefahr eines schädigenden Gottes hinwegzuopfern und die Gnade Gottes herbeizuopfern, sondern seinem hilfreichen Dasein Raum zu geben dadurch, dass wir selbst in diesem seinem Dasein für die Menschen mit da sein wollen, uns nicht „verdrücken“, nicht weg sind, wo wir präsent sein müssten.

Indem das Opfer als symbolische Darstellung des Kampfes um Überlebenschancen verstanden wird, eröffnet es Möglichkeiten, diesen Kampf konstruktiv zu beeinflussen – weg von jener Opfer hinnehmenden Haltung, zu einer, die solche Opfer überflüssig machen will durch bewussteres Handeln. Diese Erfahrung der Vermeidung von Opfern können die Menschen nur in einem stets neuen Miteinander machen, indem sie ihre Konflikte aktiv angehen. Zum Beispiel durch zivile Konfliktlösung. Durch schmerzliche Konfrontation ohne den Rückgriff auf Gewalt. Durch entschiedene Anstrengungen gewaltfreier Kommunikation.

Mühsam den Text gelesen. Jetzt ist mir auch klar, warum von den wissenschaftlich verunsicherten Kanzeln so haeufig so viel Inhaltslosigkeit zu hoeren ist. Ist das auch der Grund dafuer, dass sich unsere Kirche immer zu einer politischen Ersatreligion entwickelt? Egal, ob im Radio oder von der Kanzel, sie hören aus der Kirche leider häufig mehr über die Politik und die Umwelt als vom Glauben.

Hinweis an die Redaktion. Text vermutlich irrtümlich dem Essay zugeordnet. Er war aber als Antwort auf Haverkamp gedacht. .................

Ich habe alle gelesen. Mühsam. Es ist schon schlimm, wenn sich die theologische Wissenschaft mit dem Glauben so fest verbindet, dass der Glaube aus dieser Umklammerung nicht mehr heraus kommt. So wird er bis zur Unkenntlichkeit "bearbeitet". Oder wird hier aus der "Inside" einer wissen-schaftlichen Wagenburg der Glaube zerredet? So ähnlich geschieht das auch in Wein- und Kunst-Vernissagen. Auch da wird versucht, mit einer Insider-Sprache alle Umstehenden zu überzeugen. Brav nicken alle die in freudiger Erkenntnis, die sich dem Insiderkreis zugehörig fühlen. Alle Anderen nicken auch, um sich keine Blöße gegenüber den „Wissenden“ zu geben. Weil man selbst nichts (zu ehrlich!) verstanden hat und dann nach dem Verständnis fragt, wird wahr, was man schon vorher ahnen konnte: Auch nichts verstanden. Aber es gibt eine Hilfe für den Glauben. Weil man schon vor-her weis, dass alle eigenen Argumente versagen, wird versucht, den Glauben und den Werdegang seiner Entstehung wissenschaftlich zu beweisen. Damit wird zuverlässig der Glaube zum Opfer. Wenn dann noch diese Argumentation dafür benutzt wird, den religiösen Glauben mit politischen Idealen zu verschmelzen, wird die Religion abermals, wie in allen Zeiten seit der "Staatreligion" römischer Prä-gung, zu einer Farce. Respektive zu einer Überhöhung der elitären Eingeweihten, die allein über die unbedingt notwendige Einsicht verfügen, die für alle anderen zu hoch ist. Den Beweis für diese Ver-quickung des christlichen Glaubens mit der Politik können Sie nicht nur im vorigen Beitrag, sondern auch täglich auf den Kanzeln und in religiösen Sendungen des Radios nachvollziehen. Vom Glauben ist häufig nur noch am Rande die Rede. An dessen Stelle sind Klagen und Verbesserungsvorschlage für die Umwelt und die politische Systeme getreten. Absolut kein Wunder, wenn dann die neuen „Erlöserkirchen“ und christlichen Sekten das Feld der paradiesischen Verheißung besetzen

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Liebe Chrismon-Redaktion,

Dank an Herrn Markschies für die „aufklärende“ Auslegung! Das damit angesprochene Jesusbild kann Brücken bauen zu Kirchenfernen- auch zu Menschen muslimischen oder jüdischen Glaubens.

Hanna Schneider, Esslingen

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Das angesprochene "Jesusbild" hier, der wortreiche Christ dort, ich verstehe nichts. Kommunikation unter Kommunikationsverweigerern ? Kann das gut gehen ? Wenn man die Metapher des Minenfeldes als den vorgeschlagenen Weg durchs Leben betrachten soll, dann muss ich passen.
Kriegsmetaphern im Leben ?
Die Bibel kennt noch andere Beispiele absurder Führung, als da wäre z.B der Blinde und der Lahme. Sie wollten nicht geheilt werden.
Was hat es damit auf sich ?
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Die Erfahrung des Vaters, seine Lebensrettung, eine wunderbare Geschichte.

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Geht es nicht noch komplizierter? Inhalt und Sprache sind doch nur geeignet für gutmuetige Insider! Eine typisch Vernissage Situation. Alle gerne zum Verständnis Bereiten nicken zustimmend und keiner hat das Gleiche verstanden wie der Nächste. Wenn sich eine religiöse Wortakrobatik so in dem gläubigen Sinn verheddert, kann man nur noch den Kopf schütteln.

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LEIDER ein Volltreffer!

Da tut sich ja ein Abgrund der Beliebigkeit auf. Alles sagen, noch mehr meinen und letztlich nichts mehr verstehen !!. Und dabei hat man es doch so gut gemeint. Wenn man den Text jemand vorliest, der hochintelligent ist, aber auch zu einfachen Fragen in der Lage ist, gibt das nur noch Kopfschuetteln. Diese Scholastik, die mit ihrer Wortklauberei selbst das Böse noch hofiert und eine Berechtigung zur politisierenden Religiosität konstruiert, fördert den Untergang ihrer eigenen Ideale. Schlimm, wenn man am Ende eines Textes nicht mehr sagen kann, was denn im Einzelnen gewollt zusagen war!

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Der Gänsemarsch der Christen, die in den Fußstapfen Jesu unterwegs sind, verhindert zumindest gewissenhaft, dass irgend jemand auf eine Mine namens Gegenargument tritt. Lebensrettend ist das. Dem Glauben nämlich rettet dieser Gänsemarsch das Leben.
Thea Schmid

Antwort auf von Thea Schmid (nicht registriert)

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Sehr geehrte Frau Schmid, das mit dem Gegenargument und den Gänsen verstehe ich nicht. Setzen Sie mich bitte ins Bild! Gänse sind sehr wachsame Tiere. Die Gänse haben durch ihr Geschnatter die Eroberung Roms verhindert. Das steht zwar nicht in der Bibel, ist aber trotzdem fast so tiefsinnig und glaubwürdig wie die biblischen Geschichten es normalerweise sind. Oder wollten Sie auf eine angebliche mangelnde Diskussionsbereitschaft von uns Evangelischen hinaus? Dieses Forum ist doch der beste Gegenbeweis. Hier wird offen in alle Richtungen, hauptsächlich in eine, diskutiert. Wäre ich Farbsynästhetiker, würde mir jetzt sicher eine Tasse Kaffee vor mein inneres Auge treten. In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort verbleibe ich
mit evangelischem Gruß!
Adam Mair

Lieber Herr Mair, haben Sie Dank für Ihr Interesse an meinen Äußerungen, obwohl sie nicht mit den Ihren übereinstimmen. Ich habe überhaupt keinen Anlass, an der Diskussionsbereitschaft der Evangelischen zu zweifeln. Niemand hat die Absicht, ganze Kommentare einfach wegzuzensieren. Damit dieser erfreuliche Zustand anhält, müssen sich alle Diskutanten allerdings klar darüber sein, dass sie unter den Bedingungen der Meinungsfreiheit diskutieren. Also nicht etwa so, dass jeder schlichtweg hinschreibt, was er zur Sache gehörig hält und das ergibt dann zusammen in Argument und Gegenargument die Diskussion. Wo kämen wir dahin?
Die Befindlichkeiten der Kommentarfunktion wollen sorgfältig bedacht sein. Deshalb ein vorsichtiger Einstieg in die Beantwortung Ihrer Frage nach dem Verhältnis von Gänsemarsch und Argumenten durch folgende Gegenfrage: Würden Sie mit mir übereinstimmen, dass zum Vorsatz, in den Fußstapfen des Herrn zu wandeln, ganz wesentlich gehört, dem Herrn eine leitende, also führende Stellung zuzubilligen?
Thea Schmid

Zunächst herzlichen Dank an Sie, Frau Schmid, für die nicht unwesentliche Information, die Sie in hervorragender Weise in eine situationsangemessene Formulierung gebracht haben. Das weiß ich sehr zu schätzen. Sollten wir im Forumskontakt bleiben und ich auf eine Antwort von Ihnen vergeblich warten müssen, werde ich Sie nicht vor meinem inneren Moralgerichtshof wegen Feigheit vor dem Diskussionsfeind verurteilen, sondern darauf schließen, dass hier die Dinge ihren notwendigen meinungsfreiheitlichen Gang gegangen sind. Vor dem spiegelbildlichen Vorgang dürften Sie dadurch geschützt sein, dass ich in allen wesentlichen Bereichen auf Linie liege.
Jetzt zur Sache: Na klar ist mein Herr und Heiland mein Führer. Haben Sie da ein Problem damit? Ich halte es mit dem Lied:
So nimm denn meine Hände
und führe mich
bis an mein selig Ende
und ewiglich!
Ich mag allein nicht gehen
nicht einen Schritt;
wo Du wirst gehn und stehen,
da nimm mich mit!
Nachzulesen im Kirchengesangbuch für Württemberg
Mit pfingstlichem und evangelischem Gruß
Adam Mair

Antwort auf von Adam Mair (nicht registriert)

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Lieber Herr Mair, Sie wollen wissen, ob ich ein Problem damit habe, dass Sie einem geistigen Führer nachfolgen wollen. In meinem Gemütsgärtchen habe ich kein Problem damit. Meine Befindlichkeit ist hier allerdings nicht das Thema. Von der Sache her finde ich Ihre Gehorsamsbereitschaft allerdings bedenklich. Da könnte am Ende ganz was anderes bei rausschauen, als Sie sich vielleicht erhoffen. Im politisch-gesellschaftlichen Bereich gibt es bekannte Vorkommnisse, die mir eher so scheinen, als wäre Distanz angebracht, wenn zur Nachfolge eines Führers aufgerufen wird.
Thea Schmid

Antwort auf von Thea Schmid (nicht registriert)

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Jetzt mal halb lang, verehrte Frau Schmid! Ihr offensichtlicher Rekurs auf den Faschismus ist, mit Verlaub, albern. Ich nehme in Rom oder Jerusalem an einer Stadtführung teil. Also Führung, somit faschistisch? Nein, nein, es kommt schon noch sehr darauf an, wer da führt. Jesus, der Herr, hat nicht gesagt, 60 Millionen Menschen um die Ecke zu bringen. Er hat die Liebe zu Gott und dem Nächsten gepredigt. Das ist ein Unterschied.
Ich lasse mich gern von Jesus führen. Deswegen falle ich noch lange nicht auf die sich im Augenblick im Aufwind befindlichen rechten Rattenfänger rein. Ich überlege mir meine Wahlentscheidung sehr sorgfältig, wähle nicht extrem oder alternativ, zahle meine Steuern, habe meine Kinder anständig erzogen, singe im Kirchenchor und war ehrenamtlich für das Müttergenesungswerk tätig. Also nix da mit Braun nur wegen Führung!
Ihrer Antwort mit Interesse entgegensehend verbleibe ich mit evangelischem Gruß
Adam Mair

Haben Sie Dank für Ihren mit Engagement geschriebenen Beitrag! Ich pflichte Ihnen bei , dass es albern wäre, aus der Teilnahme an einer Stadtführung auf faschistisches Gedankengut zu schließen. Bloß worin besteht die Lächerlichkeit? Muss man die Führungen und Führer in gute und schlechte einteilen? Jesus und die Stadtführerin ins Töpfchen, Hitler und die Scientologen, um nur Beispiele anzudeuten, ins Kröpfchen? Ich fürchte, das führt in die Irre.
An einer Stadtführung nimmt man im Regelfall freiwillig teil. Man profitiert vom Expertenwissen der Stadtführerin. Man muss nicht selber Geschichtsbücher und Stadtplan studieren, sondern wird durch Hinterhertrotten zielsicher zu dem Gebäude geführt, das Ottokar der Krummnasige hat errichten lassen und das jeder Bildungsbeflissene gesehen haben muss.
Die Empfehlung, einem religiösen oder politischen Führer zu folgen, ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Diese Empfehlungen laufen immer darauf hinaus, irgend etwas zu tun oder sausen zu lassen, das man von sich aus anders gehandhabt hätte. Es geht also nicht um die Nutzung von Spezialwissen, sondern um Interessenverschiebungen. Das ist keine Spezialität des Faschismus. Auch und gerade die Demokratie setzt auf Führung. Der Stolz aller Demokraten besteht doch darin, wählen, also die führenden Gestalten bestimmen zu dürfen. Die sollen dann aber auch tatkräftig führen. Wer Jesus nachfolgen will, setzt auch darauf, seinen eigenen Willen gegebenenfalls einem höheren Willen unterzuordnen.
Da frage ich mich allerdings schon, ob das nicht von vornherein ein folgenreicher Irrtum ist. Könnte es also sein, dass schon die Sortierung von Führern in gute und schlechte der Fehler ist? Und nicht erst angebliche Missgriffe bei dieser Sortierung?
Thea Schmid

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Das leuchtet mir nicht ein, liebe Frau Schmid. Wenn der Führer gut führt, dann kann doch nicht einfach dadurch, dass es sich um Führung handelt, aus gut schlecht werden. Insbesondere wo Professor Dr. Christoph Markschies ausdrücklich darauf hinweist, kreativ Maßstäbe umzusetzen. Erst sind die Maßstäbe unzweifelhaft vorbildlich, dann werden die Maßstäbe schöpferisch an die heutigen Verhältnisse angepasst und das Ganze ist dann die wohlverstandene Nachfolge. Wo soll da ein Irrtum vorliegen, ein folgenschwerer überdies, wie Sie meinen, warnen zu müssen?
Mit evangelischem Gruß!
Adam Mair

Antwort auf von Adam Mair (nicht registriert)

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Was das kreative Umsetzen der Maßstäbe betrifft, habe ich eine Frage an Sie, lieber Herr Mair. Sie haben auf Stadtführungen hingewiesen. Angenommen, Sie nehmen an einer Stadtführung in der Altstadt von Vineta teil. Die Stadtführerin ist sehr liebenswürdig, einfach eine patente Frau, die alle mögen und keinerlei Anlass zur Kritik bietet. Die Führung ist zu Ende. Die Geführten wollen jetzt die neuzeitlichen Bezirke von Vineta besichtigen. Versuche, mit der Stadtführerin erneut in Kontakt zu treten, scheitern. Man kriegt sie nicht ans Telefon. Vielleicht ist sie verstorben, vielleicht sitzt sie auch zur Rechten des Oberstadtführers, von dannen sie kommen wird, dermaleinst neue Führungen durchzuführen.
Die bisher Geführten sind also auf sich gestellt. Es bricht erbitterter Streit aus. Die einen wollen die Werft besichtigen, die anderen hingegen den Flughafen. Die Gruppe A wirft der Gruppe B vor, sämtliche guten Grundsätze der Führerin schmählich zu verraten. Die Gruppe B kontert, die Gruppe A würde sich immer am Wortlaut der Stadtbeschreibung festbeißen, statt die Maßstäbe kreativ umzusetzen. Fällt Ihnen, verehrter Herr Mair, an der Diskussion etwas auf? Wenn ja, was?
Thea Schmid

Antwort auf von Thea Schmid (nicht registriert)

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Verehrte Frau Schmid, zunächst fällt mir an Ihrem Diskussionsbeitrag etwas auf. Sie nähern sich gefährlich einer Grenze. Nicht, dass wir Evangelische humorlos wären. Ganz im Gegenteil. Ein netter sauberer Scherz zur rechten Zeit kennzeichnet unsere Pastoren ebensowie ihre menschenfreundliche Güte. Und was haben wir nicht alle auf der Konfirmandenfreizeit zusammen mit Herrn Pfarrer gelacht! In Glaubensangelegenheiten, also Glaubenswahrheiten, empfehle ich Ihnen, Frau Schmid, jedoch dringend, von lockeren Untertönen Abstand zu nehmen. Sonst könnte mit Ihren Beiträgen bald passieren, was die kanadische Feuerwehr kürzlich in lobenswerter Weise vorgeführt hat: Löschungen!
Zur Sache ist zu sagen, dass mir sehr gefällt, wie vielfältig in unserer Kirche die Nachfolge Jesu diskutiert wird. Mal mehr vom Pegida- oder AfD-Standpunkt aus, mal mehr in Übereinstimmung mit der Frau Bundeskanzlerin Merkel oder dem Herrn Ministerpräsidenten Seehofer. Die ganze gesellschaftliche Fülle spiegelt sich wider. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen! Wir Evangelische sind eben kein geschlossener Ja-Sager-Verein, sondern haben unsere Flügel und Gruppierungen mit ihren bekannten gegenseitigen Vorwürfen. Und wer sich die Mühe macht, genauer hinzuschauen, entdeckt eben nicht nur Liberale und Evangelikale, sondern noch viel feinere Unterschiede. Europäische Fundamentalisten haben Differenzen mit US-Fundamentalisten. Das ist doch eine erfreuliche Vielfalt!
Mit evangelischem Gruß!
Adam Mair

Antwort auf von Adam Mair (nicht registriert)

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Zunächst besten Dank für Ihre Insiderwarnung! Ich werde in Zukunft in der Nähe von expliziten Glaubensinhalten Hab-Acht-Haltung einnehmen. Früher nannte man das Männchen bauen. Im Zuge fortschreitender Emanzipation und korrekter Ausdrucksweise muss ich wohl von Weibchen bauen sprechen.
Beim Flügelstreit innerhalb der Evangelischen empfehle ich, auf etwas zu achten, was auch bei zahlreichen anderen aktuellen Meinungsverschiedenheiten wesentlich ist: Die vielen Gemeinsamkeiten, die die so unversöhnlich Erscheinenden besitzen. Im Falle des Streites um die korrekte Nachfolge ist es das deutliche Bemühen beider Seiten, für den jeweils eigenen Standpunkt Jesu als Berufungsinstanz benennen zu können. Die unterschiedlichen Einstellungen zu Krieg und Frieden, zu abweichender Sexualität, zum wirtschaftlichen Geschehen, zur Tätigkeit des Staates usw. haben ihre Gründe in den strittigen Themen selbst. Das Ergebnis muss aber regelmäßig so dargestellt werden, als würde man damit in den Fußstapfen des Herren wandeln. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dem Herrn folgen zu wollen. Ein gefährliches Unterfangen!
Thea Schmid

Wieso denn gefährlich? Wollen Sie etwa nicht bei der folgendermaßen geregelten Nachfolge dabei sein? Alle Zitate sind aus dem Artikel, über den wir hier diskutieren: "Nicht betrügen, auch wenn alle anderen es tun. Nicht zurückbeleidigen, wenn man beleidigt wird. Auf Gewalt verzichten, wenn einem Gewalt angetan wird.", "Lebensgewinn durch Gewaltverzicht auf den Spuren Jesu." Lockt folgende winkende Siegerpalme Sie nicht, geehrte Frau Schmid? "weil man auf diese Weise wenigstens moralisch durch das Gelände kommt."
Mit evangelischem Gruß!
Adam Mair

Der dargebotene Siegerkranz ist der bemerkenswerteste Teil des Artikels. Auf Normaldeutsch formuliert: Und wenn der ganze Schnee verbrennt, wir können sagen, wir sind moralisch sauber geblieben. Das ist in der Tat der logische Schlusspunkt jeder moralischen Weltbetrachtung, nicht nur der evangelischen oder christlichen oder religiösen. Das sollte man sich gründlich durch den Kopf gehen lassen. Und sich dabei erinnern, wie Moral am Anfang gerechtfertigt wird. Immer mit einer Variante der Behauptung, dass ohne Moral alles drunter und drüber geht und jeder jedem den Kopf einschlägt.
Der empfohlene Gewaltverzicht, insbesondere im Zusammenhang mit einem Todesurteil, ist ein Widerspruch in sich. Die heute relevante Gewalt wird nicht von streitsüchtigen Bierzeltbesuchern oder gehörnten Ehemänner ausgeübt, sondern von den jeweiligen Staatsgewalten. Die haben gründlich dafür vorgesorgt, dass die dieser Staatsgewalt Unterworfenen überhaupt nicht die Wahlmöglichkeit haben, Gegengewalt auszuüben oder auf sie zu verzichten. Stichwort Gewaltmonopol, gilt in der Demokratie wie auch in Diktaturen. Der in diesem Zusammenhang empfohlene Gewaltverzicht ist somit brutale Augenauswischerei. Gelesen als Aufforderung an den Staat, sich selbst aus dem Verkehr zu ziehen, würde es sich wenigstens von der Logik her um einen korrekten Aufruf zum Gewaltverzicht handeln. Aber so ist der Aufruf zum Gewaltverzicht in der Nachfolge Jesu wohlweislich nie gemeint.
Betrügen und Beleidigen ein andermal, sonst wird das hier zu lang. Gefährlich oder verlockend sind hier nicht die Alternativen. Egal, ob einer in der Nachfolge Jesu etwas tut, was einem zusagt oder gerade nicht: Wer sich in der Nachfolge Jesu wähnt, ist in höherem Auftrag unterwegs. Das ist immer ein Fehler. So einer ist nämlich mit normalen Argumenten nur mehr bedingt zu erreichen. Das ist gefährlich verlockend oder verlockend gefährlich.
Thea Schmid

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Da muss ich deutlich widersprechen, liebe Frau Schmid. Ordnung muss sein. Selbstverständlich meine ich eine gute, gerechte, zeitgemäße Ordnung. Ob man die Hinführung zu dieser Ordnung mit dem älteren Begriff Zucht bezeichnet oder modernere Ausdrucksweisen wie Motivation verwendet, ist unerheblich. Auf jeden Fall kann der Staat nicht hinter jeden Bürger einen Polizisten stellen. Das grundsätzliche Einhalten der Ordnung muss aus Überzeugung geschehen. Das nennt man Moral und das ist auch gut so.
Klar, wenn Sie jeden Anstand und jede Moral von vornherein in Zweifel ziehen wollen, dann brauchen Sie sich um kein Vorbild und keine Nachfolge zu kümmern. Ich hingegen finde, dass der Versuch, in Jesu Fußstapfen zu treten, dem Gemeinwesen nur gut tun kann.
Mit evangelischem Gruß
Adam Mair

Antwort auf von Adam Mair (nicht registriert)

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Die Nachfolge Jesu als Wohltat für das Gemeinwesen, also das Gemeinwohl? Das wäre jetzt nach zwei Seiten hin zu überprüfen. Wer hat was vom sogenannten Gemeinwohl? Welche Rolle spielt dabei der christliche Glaube? Zwei sehr interessante und wichtige Fragen. Diese ernsthaft zu diskutieren, würde aber endgültig die Leidensfähigkeit der chrismon-Kommentarfunktion überschreiten. Da müssten Glaubensinhalte mit der schnöden Wirklichkeit konfrontiert werden. Da taucht mit Sicherheit, wie Sie, lieber Herr Mair, bereits warnend und wohlformuliert erwähnt haben, die Feuerwehr auf. Deshalb mache ich mir die mit einer solchen Diskussion verbundene Arbeit in diesem Forum nicht.
Mein Vorschlag: Wir machen hier Schluss mit unserer Debatte. Ich denke, wir beide haben unsere Argumente in halbwegs strukturierter Weise zum Vortrag gebracht. Meine Zusammenfassung: Der Vorschlag, Führern zu folgen, ist schon ziemlich alt. Wer mag, kann die jeweilige Aktualisierung dieses Ansinnens gerne kreativ nennen. Christen folgen Jesus, mittelalterliche Feudale folgten dem Heerführer, Soldaten der Wehrmacht sangen "Führer befiehl, wir folgen dir", demokratische Zivilisten wählen eine führungsstarke Regierung. Damit sind Bundeskanzler, Reichskanzler, Kaiser und zu Weltruhm gelangte Wanderprediger nicht gleichgesetzt. Es liegen aber jeweils Führungsverhältnisse vor. Das macht mich bedenklich.
Vielleicht gelüstet es auch Sie, Herr Mair, nach einem Schlusswort. Falls es auf chrismon wieder ein interessantes Thema gibt, das Sie diskutieren möchten, ich werde gerne dabei sein.
Thea Schmid

Einverstanden, machen wir hier Schluss. Ich kann Ihre Bedenken wegen der Durchnässungsgefahr durch Löschwasser nachvollziehen.
Mein Fazit fällt kurz aus: Jesus ist mein Leben.
Gerne nehme ich Ihr Angebot an, bei Gelegenheit an einem anderen Thema erneut zumindest einen Diskussionseinstieg zu wagen.
Mit evangelischem Gruß
Adam Mair

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Ich verstehe eine Gesellschaft nicht, die, obwohl sie ihr ganzes Leben lang nur sich selbst im Blick hat, sich trotzdem christlich nennt, und damit die Humanität zum Prinzip erklärt, auf Kosten eben der Menschlichkeit.

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Sehr geehrter Herr Markschiess,

vielen Dank für Ihren Artikel. Ich finde das Bild des Rückzuges durchs Minenfeld durchaus hilfreich, um mir vorzustellen, wie ich Jesus nachfolgen kann.
Allerdings wollte ich nachfragen, ob Ihr Vater in der Wehrmacht war oder in einem Heer der alliierten Streitkräfte.
Das ist meines Erachtens ein wichtiger Unterschied. In mir regt sich immer Widerstand, wenn ich Schilderungen von deutscher Seite über die Dramatik in den beiden Weltkriegen höre.
Natürlich waren viele Soldaten auf beiden Seiten sehr junge Männer. Es liegt mir auch fern, jemanden verurteilen zu wollen, weil ich selbst nicht weiß, wie ich mich in der Zeit des Dritten Reiches verhalten hätte.
Sollte Ihr Vater aber der Wehrmacht angehört haben, so muss man meines Erachtens unbedingt im Text unterbringen, dass der Krieg, in dem die Soldaten litten, auch von ihnen begonnen war. Wenn es sich um einen Soldaten der Wehrmacht handelt, muss man unbedingt folgende Überlegungen anstellen: Woher wussten die Soldaten denn so genau, wann das Minenfeld endete? Hatten sie sie nicht selbst gelegt, um eventuellen Angreifern den Weg abzuschneiden? Hatten sie einen Gedanken an die Gegner aufgewendet oder an die Zivilbevölkerung, die durch die Minen umkommen könnten?
Wie viele Menschen wurden bis heute von nicht geräumten Minen der Wehrmacht verwundet oder getötet? Wie viele Landschaften in den ehemals besetzten Gebieten kann man bis heute nicht betreten wegen Kriegsgerät und Minen? Wie viele Stätten sind bis heute mit Grauen verbunden, vor allem in Polen die Gegend um Oswiecim, aber zum Beispiel auch die Schlucht von Baby Jar, in der sowjetische Soldaten (übrigens auch überwiegend sehr junge Männer, die auf das Grauen, das sie erwartete, nicht vorbereitet waren) einen Berg Kinderschuhe jüdischer Kinder vorfanden, die dort ermordet worden waren. Die Liste ließe sich endlos fortführen.
Angesichts dieser Tatsachen finde ich, ist bei Schilderungen von Erinnerungen deutscher Soldaten höchste Vorsicht angebracht, und häufig ein respektvolles Schweigen, das m.E. nach der Bundespräsident ziemlich gut beherrscht.
Sollte Ihr Vater bei den alliierten Streitkräften gekämpft haben, betrachten Sie bitte nur die beiden ersten Sätze meiner mail.
Viele Grüße,

M.E.

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