Theologin Susanne Breit-Keßler
Sorgen und Angst vor der Zukunft? Die Theologin Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen
Foto: Monika Höfler
Besser als Sternegucken
Eine Überschrift fürs neue Jahr. Aufgestöbert, ausgesucht, oder in der Bibel gefunden. Sie kann der Zukunft einen Rahmen geben.
15.12.2015

Das Jahreshoroskop ist gelesen, das Blei gegossen. Manchmal mit einem leisen Lächeln, gelegentlich verbunden auch mit einer Menge Hoffnung und Sehnsucht. Es wäre schon schön, wenn die große Liebe endlich käme oder der Berufswechsel bald klappen würde. Wenn man ein Jahr voller Erfolg hätte, wieder richtig ­gesund würde oder das Geld hätte, eine tolle Reise antreten zu können. Aber natürlich weiß jeder, dass die Verheißungen und Warnungen der Horoskope genauso wie die Form der Metall­figuren gar nichts sagen. Davon wird 2016 nicht bestimmt. 

Warum der für 2016 gewählte Bibelvers keine Schicksalslotterie auf christlich ist, erklärt Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler. Vielmehr sei er mit einem guten Wunsch bei der Konfirmation zu vergleichen.
Wie startet man in ein neues Jahr, ohne dass Sorgen und Angst übermächtig werden? Neben den privaten Problemen denkt man an die Terroranschläge ganz in unserer Nähe, die Not in allen Ecken der Erde, die Flüchtlinge, die in großen Zahlen zu uns kommen, und die Herausforderungen, die daraus entstehen.

Man kann das natürlich auch komplett zur Seite schieben und den kommenden Monaten entgegengehen mit ziemlich wenig Gedanken darüber, was sein wird. „Que sera, sera“, hat Doris Day gesungen, was kommt, das kommt. Da ist was dran. In vielen Dialekten wird diese Einsicht ausgedrückt – „Wat kütt, dat kütt“, sagen die Kölner. In Bayern gibt es eine lässige Variante: „Jetzt mach ma erst amoi nix, dann schaug’n ma, dann wer’ ma scho seng.“ Es gibt eine Alternative zu allzu großen Befürchtungen auf der einen und allzu viel Gelassenheit auf der anderen Seite.

Aber bekanntlich versetzt der Glaube Berge

Für jedes Jahr wird von einer Institution namens Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen ein Bibelvers ausgewählt. Der kann, wenn man möchte, für einen selbst als Überschrift über dem neuen Jahr stehen. 2016 lautet dieser ausgewählte Vers: „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ ­(Jesaja 66,13). 

Das ist ein prophetisches Wort aus dem Alten Testament – ­also auch eines, das sich auf die Zukunft richtet. Eine Art freundliche himmlische Absichtserklärung für die kommenden zwölf ­Monate. Ganz klar macht es denen Schwierigkeiten, deren Mutter vielleicht nicht sonderlich sensibel mit ihnen umge­gangen ist. Sie könnten stattdessen Vater, Tante oder Freund einsetzen – je nach den guten Erfahrungen, die sie im Leben machen konnten. 

Natürlich kann man sich selber ein geistreiches Motto aus­suchen. Aus der Literatur, einem Film oder dem, was nette Menschen mal gesagt haben. Ich selber stöbere nicht so gern, sondern lasse mich immer von dem gewählten Bibelspruch über­raschen – und trage ihn mit mir herum. Was das bringt? Man kann den Fokus ein Jahr lang auf diesen einen Gedanken richten und ­seine Erfahrungen darunter einordnen. Es ist ja wahrscheinlich, dass auch dieses Jahr wieder die eine oder andere Träne fließt – selbst wenn zu hoffen ist, dass die meisten aus Freude geweint werden.

Es ist ein gutes Gefühl, eines, das innerlich stabilisiert, wenn man darauf baut, dass man mit Sicherheit getröstet wird. Dass man die Kraft kriegt, zu schaffen, was einem abverlangt wird: im Beruf, in der Familie, im Freundeskreis und wo man noch so tätig ist. Natürlich ist das eine Glaubenssache – was sonst? Aber bekanntlich versetzt der Glaube Berge. Und die feste Über­zeugung, dass man das Quantum Trost bekommt, das man braucht, lässt einen schon mal zuversichtlicher in die Zukunft sehen. ­Besser als Sternegucken oder Blei.

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Sagen wir es so: Sicherheit ist gut, aber es ist schön, wenn das Leben noch einige Überraschungen bereit hält. Insofern : lieber den Leser selbst entscheiden lassen, was er mag, oder nicht mag.
Wenn der Titel schon alles verrät, wird es doch uninteressant. Haltet euch doch mit eurer Weisheit zurück, Wie wär`s damit ?
Mich zumindest interessiert der Rest überhaupt nicht mehr. Viellicht geht es anderen genauso.
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Sicherheit ist so trügerisch, wie nur irgendwas, und der Trost ist wie das Sternegucken : reine Werbung !
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"Sorgen, Angst und Übermacht...." werden mir erst durch die Suggestion solcher Texte bewusst, d.h., liebe Leser, lasst euch nicht Bange machen : Luther war jemand, der wusste, was er tat : inspiriert durch den Geist Gottes, wusste er, wessen der Mensch bedarf. Und ob Christ, Moslem oder Jude, ein Mensch ist ein Wesen, dass von einer Mutter abstammt.
"Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet."
Eine Mutter kann manchmal gar nicht trösten. Weil sie selbst ohne Trost ist.
Das "Sternegucken " ist hier reine Ver..arsche.
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Ich hoffe, das Licht geht dem einen oder anderen Leser dabei auf, und der Applaus fällt aus.
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Und wer " Blei gießt" , spart sich mit Sicherheit, den Gottesdienst. Ich zumindest brauche keine `charmante` Bischöfin, die mir sagt, was ich zu tun und zu denken habe.

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Mein Motto für das Neue Jahr ist :
Liebe, Liebe und noch mal Liebe, trotz aller Besserwisserei.

P:S. Lieber Iwan d.S.: was ist Ihr Motto für das neue Jahr ?

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Gast schrieb am 29. Dezember 2015 um 3:47: "Lieber Iwan d.S.: was ist Ihr Motto für das neue Jahr ?" Danke für die dem Motto "Liebe" entspringende Nachfrage, die ich in bewährt besserwisserischer Weise beantworten will! Ein Motto ist so ziemlich das Letzte, was ich mir oder dem interessierten Leserpublikum antun möchte.
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Wozu soll ein Motto dienen? Laut Autorin ist ein Motto deswegen empfehlenswert, weil angeblich gilt: "Man kann den Fokus ein Jahr lang auf diesen einen Gedanken richten und seine Erfahrungen darunter einordnen." Da würde ich doch ganz schnöde empfehlen, dem Erleben, den Erfahrungen und den Gedanken nicht von vornherein einen Deckel zu verpassen in Form von Fokusvorgaben und Ordnungsschemata. Wie wäre es mal damit, zu den angenehmen und unangenehmen Vorkommnissen jeweils zutreffende Gedanken zu fassen und auf alle Vorgaben zu pfeifen?
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Zitat aus dem Artikel: "die feste Überzeugung, dass man das Quantum Trost bekommt, das man braucht" setzt die ebenso feste Überzeugung voraus, dass einem gehörig was "abverlangt wird: im Beruf, in der Familie, im Freundeskreis und wo man noch so tätig ist." Da fände ich es schon einen Gedanken wert, zu klären, in welchen Berufen wem was warum regelmäßig und reichlich abverlangt wird. Ebenso interessant finde ich, warum die idyllische Familie und der zu pflegende Freundeskreis gerne und häufig zu einem Quell von nachhaltigem Verdruss werden. Zutreffende Gedanken dazu bergen allerdings die große Gefahr, dass danach Gottes Trost nicht den glatten Sieg nach Punkten über Bleigießerei und Astrologie davon trägt, sondern als mindestens genau so gefährlicher Irrtum erkannt wird wie Horoskope und ernstgenommener Silvesterklamauk.

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Sehr geehrte Frau Breit-Keßler,

 

Ihr Artikel "Besser als Sternegucken" gefällt mir sehr gut. Nur schade, daß Sie Sternegucken (Astronomie) und Sternedeuten (Astrologie) zusammenmixen. Mein Mann und ich gucken gern in die Sterne. Nichts ist beeindruckender als ein sternklarer Himmel mit der Milchstraße und den milliarden Sternen. Das gibt uns Frieden und Freude und ein dankbares Gefühl für eine durchdachte Schöpfung. Aber wir deuten nicht, wie jetzt gerade wieder die Planeten stehen (die schauen wir uns auch lieber an durch ein Teleskop) und wir nehmen das nicht als Lebensgrundlage.

 

Also für ein nächstes Mal: Bitte beide Bereiche trennen!

 

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für ein gutes und erfolgreiches Jahr

Irmgard Schmidt, Haar

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