Mitglieder des Bundesrates nehmen am Freitag (08.05.15) in Berlin an der Bundesratssitzung teil.
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Die Reform der Erbschaftssteuer: so peinlich, dass wir auf eine Debatte hoffen dürfen
Tim Wegner
21.07.2015

Wenigstens ist sie ehrlich, die Große Koalition: Als das Kabinett den Entwurf zur Erbschaftssteuer verabschiedet hatte, teilte die Bundesregierung mit: „Der Gesetzentwurf ändert
die bisherigen Verschonungsregeln im Grundsatz nicht.“ Eine Reform war also nicht erwünscht. Na so was.

Der Reihe nach: Mit der Erbschaftssteuer wird sich der Bundes­tag in den kommenden Monaten nur deshalb be­schäftigen, weil das Bundesverfassungsgericht die ­bis­herigen ­Regeln im Winter gekippt hatte. Wenn Erben von Groß­unternehmen ohne konkrete Bedürfnisprüfung von der Erbschaftssteuer verschont würden, verstoße dies gegen das  Gleichbehandlungsgebot, urteilten die Verfassungs­richter.

###autor### Der Neuentwurf formuliert jede Menge Ausnahmeregelungen, die eine ernsthafte Prüfung wohl eher vorgaukeln. Erst ab einem Betriebswert von 26 Millionen Euro will der Fiskus eine Besteuerung im Erbfall überhaupt in Betracht ­ziehen. Und auch dann kann ein Erbe eine „Verschonungsbedarfsprüfung“ beantragen. Aha. In Steuerberatungskanzleien dürften die Champagnerkorken knallen, wenn so ein Wort­ungetüm Gesetzeskraft erlangt. Aufgrund einer Anfrage der Grünen im Bundestag wurde deutlich, dass von der neuen Regelung weniger als zwei Prozent der Familienunternehmer betroffen sein werden.

Das Gesetz, das möglichst wenig verändern darf, hat auch sein Gutes: Die Empörung über den Kleinmut der Großen ­Koalition ermöglicht eine Diskussion darüber, dass sich wirklich etwas ändern muss. Deutschland blickt auf 70 Jahre ­Frieden zurück, zum Glück! So konnten die Vermögen wachsen. Die Erbschaften steigen, geschätzt sind es bereits 250 Milliarden Euro pro Jahr. Laut Bundesfinanzministerium hat der Staat im vergangenen Jahr aber nur 5,3 Milliarden Euro aus der Erbschaftssteuer eingenommen, die damit nicht einmal ein Prozent am Steueraufkommen ausmacht. Zugleich – die EKD hat dies zuletzt in ihrer Denkschrift zur Arbeitswelt beklagt – wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. Ein auf Ausnahmen angelegtes Erbschaftsrecht zementiert diese Kluft.

Die Erbschaftssteuer fließt den Ländern zu, das Gesetz muss also durch den Bundesrat. Vielleicht schauen sich die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten ja noch einmal genau an, ob das, was sie beschließen sollen, „sozial“ ist.

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Die Erbschaftssteuer ist eine reine Neidsteuer. Die meisten Bundesländer zahlen drauf, weil die Erhebung mehr kostet, als die Steuer einbringt. Viele Betriebe geraten trotz der vielen Sonderregelungen in wirtschaftliche Not, wenn der Eigentümer verstirbt. Außerdem gibt es immer das Bewertungsproblem für die Vermögensgegenstände. Ich streite mich gerade mit dem Finanzamt über den Wert von Immobilien. Die setzen Werte an, die sonst als Wucher gelten würden. In Österreich und der Schweiz ist die Steuer weitgehend abgeschafft, und die fahren sehr gut damit. Es soll endlich jeder mit seinem Geld machen können, was er will, ohne staatliche Eingriffe. Das sorgt für Arbeitsplätze und bringt den einfachen Leuten viel mehr.

Antwort auf von Thorsten Maverick (nicht registriert)

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Thorsten Maverick schrieb am 30. August 2015 um 13:04: "Das sorgt für Arbeitsplätze". Für die mühselige, lausige und unsichere Abhängigkeit namens Arbeitsplatz sorgt einzig das Interesse des Kapitals, sich zu vermehren. Nur wenn dieses Interesse bestmöglich bedient wird, darf einer oder eine für überschaubares Geld ordentlich ranklotzen und bei nächstbester Gelegenheit auch wieder rausgeschmissen werden. Wie der Staat Erbschaften der besseren Sorte besteuert, hat direkt überhaupt nichts mit der Frage zu tun, wann es sich für Unternehmer lohnt, Arbeitsplätze abzubauen, weiterzuführen oder neue einzurichten. Bei Fragen der Ausgestaltung der Besteuerung von ererbten Unternehmen geht es darum, dass der Staat Geld will, aber seine Lieblingsbürger, die Unternehmer nämlich, nur sehr gedämpft zur Kasse bitten möchte. Dass besagte Unternehmer am liebsten nie irgendeinen müden Euro an den Staat abdrücken möchten, ist ebenso einsichtig wie bekannt. Deshalb das Gejammere und Gezerre.
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Zitat: "und bringt den einfachen Leuten viel mehr." Ein einfacher Leut ist deswegen ein einfacher Leut, weil er auf Gedeih und Verderb auf einen Arbeitsplatz angewiesen ist. Ein besserer Leut ist einer, der genügend Zaster hat, um diese quälende Abhängigkeit des einfachen Leuts zur Mehrung seines Zasters benützen zu können. Und wenn der bessere Leut von Papi ein schönes Unternehmen erbt, dann soll der einfache Leut dem besseren Leut ideell zur Seite springen, wenn der möglichst keine Erbschaftssteuer bezahlen will. Solche Segnungen der einfachen Leute hält die demokratisch betreute Marktwirtschaft in Fülle bereit. Und kaum einer lacht, obwohl es zum Heulen ist. Statt dessen soll der einfache Leut sich den Kopf des besseren Leut zerbrechen, weil er von dem brutal abhängig ist, und sich die Sorgen des Staates zu den eigenen machen.

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