chrismon-Chef­redakteur Arnd Brummer
Sven Paustian
Die Griechen? Die Griechen! Kein hoffnungsloser Fall von Liebe
Genug gemeckert. chrismon Chefredakteur Arnd Brummer plädiert dafür, die Griechen zu lieben.
Lena Uphoff
23.03.2015

Vor mehr als drei Jahrzehnten verbrachte ich längere Zeit im schönen Florenz. Abends besuchten wir mit Vorliebe die netten kleinen Bars rund um die Piazza Santo Spirito. Es wurde gelacht, geschäkert und heftig diskutiert. Felice, Gianni und Eva hatten mich, den „tedesco“, liebgewonnen und mir die Türen geöffnet. Eines Abends fragte mich einer in froher Runde: „Arnaldo, was machst du am Wochenende?“ Ich sagte, ich hätte vor, nach Rom zu fahren und, wenn die Zeit reichte, weiter in Richtung Neapel.

„Wohin?“, knatterte entsetzt Freund Gianni, „nach Afrika?“ Afrika begann aus toskanischer Perspektive in Rom. Und Neapel? „Griechenland! Neapolis! Die können nicht mit Geld umgehen.“ Auch der Norden Italiens erfreute sich am schönen Arno keiner größeren Zuneigung. Mailand? Lombarden! „Unsere Deutschen!“ Die Erklärung folgte sofort: „Nur arbeiten, niemals lachen!“

Europa ohne Griechenland - undenkbar

Was wäre Europa ohne seine Vorurteile? Wie langweilig, wenn Schwaben und Sachsen, Preußen und Bayern, Rhein­länder und Westfalen keine Witze übereinander reißen könnten! Ein Hamburger Spruch lautet: Südlich von Lüneburg beginnt der Balkan. Für die Vorarlberger beginnt er am Arlbergpass: „Tirol, Tirol, du bist mei’ Freud’, hohe Berg’ und blöde Leut.“

Einig sind sich an mitteleuropäischen Stammtischen derzeit viele in ihrer Haltung gegenüber den Griechen. Wenn es um ­deren ökonomische Inkompetenz geht, kommt mir sofort der böse Spruch aus Florenz in den Sinn. Und dann muss ich ein Plädoyer für die Hellenen halten.

Was wäre Europa ohne sie? Ohne Platon und Mikis Theo­dorakis? Ohne Melina Mercouri und Aristoteles? Ohne Nana Mous­kouri und Antigone? Ich summe „Griechischer Wein“ – danke, Udo Jürgens – und erhebe mein Glas auf meinen Griechischlehrer am Gymnasium, der versuchte, mir den Aorist, eine Vergangenheitsform der altgriechischen Sprache, beizubringen.

Europa ist der Name einer Prinzessin, in die sich Gott Zeus verliebte, die er in Stiergestalt auf die Insel Kreta schleppte und dort verführte. Europa als Name war zunächst ein Synonym für griechisches Festland, ehe es der – griechische – Autor Hero­dot vor 2500 Jahren auf alles Land nördlich des Mittelmeers und west­lich des Schwarzen Meers anwandte. Ein Hoch auf die Griechen!

Und den Fußball haben sie wohl auch erfunden...

„Du bist ein hoffnungsloser Romantiker!“, bellt mich Freund Rudi an, ein Frankfurter Banker. „Und du ein hoffnungsloser Öko­nom! Ökonomie – ein interessantes Wort, lieber Freund. Rate mal, aus welcher Sprache es kommt?“ Natürlich aus dem Griechischen. In Athen haben sie schon mit Münzen gehandelt, als die Germanen noch voller Met auf Bärenfellen lagen. Met! Bier! Ich muss die Griechen lieben, schon weil ich eindeutig den Wein bevorzuge.

###autor### Rudi grinst: „Wenn, dann lieber französischen Rebensaft als diesen griechischen Fusel!“ Haha! Das erfordert den nächsten Schlag gegen diesen historisch Ungebildeten. Die Phoker, schon mal von ihnen gehört? Griechen! Sie kamen im 6. Jahrhundert vor Christus an die französische Mittelmeerküste, gründeten den Handelsstützpunkt Massilia (heute Marseille) und begannen, im Rhonetal Wein anzubauen. Den Kelten dort hat das gut gefallen.

Die Kelten. Übrigens auch ein von den Griechen erfunde­ner Name. Die „Keltoi“ waren eine Zusammenfassung für militärisch fitte, lernwillige, aber seltsame Fremdsprachen nutzende Nachbarn der Griechen.

Rudi reichte es langsam. „Wenn man dir so zuhört, gibt es offenbar nichts Gutes, was nicht von den Griechen kommt. Wahrscheinlich haben sie auch den Fußball erfunden.“ Hatte er mich jetzt erwischt? Nein. Oder: höchstens teilweise.

Ja, es stimmte, was Rudi sogleich mit hörbarem Hohn ver­kündete: „Fußball wurde wahrscheinlich vor mehr als zwei­tausend Jahren erstmals in China gespielt.“ Aber – tut mir leid, dass ich das sagen muss – aus dem alten Sparta existieren noch Vasen und Reliefs, die Ballspieler zeigen, Fuß-Ballspieler. „Herr Ober! Zahlen bitte!“, rief Rudi. „Griechisch bezahlen! Die Rechnung geht auf Arnd. Du hast doch in dieser Kneipe hoffentlich noch Kredit?“ Dann nehmen wir noch einen!

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Sehr geehrter Herr Brummer,

 

historisch gesehen war Griechenland weniger die Wiege der Demokratie als vielmehr ein Land der Autokraten und Militärdiktaturen.

 

Leider verstehen Sie m. E. auch nicht das heutige Griechenland. Es ist seinem Lieblingsfeind Türkei ähnlicher als den meisten europäischen Staaten. Hier ist es noch am ehesten vergleichbar mit Bulgarien, Rumänien und anderen Balkanstaaten, die Jahrhunderte lang zum Osmanischen Reich gehörten. Mit Staaten wie Portugal, Spanien oder Italien hat Griechenland kaum etwas gemein.

Seine politische und wirtschaftliche Bedeutung ist sehr gering, viel geringer als es Brüssel oder Berlin suggerieren.

 

Noch einige Worte zu "Würde" und "Respekt". Keine griechische Regierung der letzten Jahrzehnte -im Unterschied zu vielen einfachen Griechen-  verdient Respekt, im Gegenteil. Was momentan abläuft, ist eine Schande für jeden Europäer. Würdelos verhalten sich Brüssel und Berlin. Einerseits sehen wir uns billigen Naziparolen (Merkel mit Hitlerbärtchen etc.), andererseits dreisten Forderungen gegenüber. M. Draghi wies darauf hin, dass Griechenland bereits seit Jahren zu mehr als 70 % von der EU bzw. dem EZB finanziert wird. Wie Berlin und Brüssel die griechischen Beleidigungen und Frechheiten schlucken ist würdelos.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Carlo Wagner

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