Tillmann Franzen
Junge Menschen sind in besonders großer Zahl arbeitslos. Hier ist entschlossenes Handeln nötig, sagt Präses Nikolaus Schneider
Foto: Tillmann Franzen
23.01.2013

Arbeitslosigkeit macht krank. Das sagt Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. Krank macht sie wegen des Bewegungsmangels.

Arbeitslosigkeit macht krank. Das nehmen auch die Pfarrerinnen und Pfarrer unserer Kirche in ihren Gemeinden wahr. Die Gründe reichen aber noch weit tiefer. Arbeiten gehört zum Menschen. Martin Luther, der Reformator, soll es so formuliert haben: „Wie der Vogel zum Fliegen, so ist der Mensch zur Arbeit geboren.“

Arbeit kann zerstören. Und sie lässt Menschen aufblühen

Eine Übertreibung? Natürlich ist allgemein bekannt: Arbeit hat ein doppeltes Gesicht. Sie kann menschliches Leben zerstören, wenn sie keine Rücksicht auf Belas­tungsgrenzen von Körper und Seele nimmt. Sie kann aber auch dazu beitragen, dass Menschen aufblühen, wenn sie ihre Arbeit als sinnvoll für sich und andere erleben und, im besten Fall, als eine persönliche Bereicherung.

Es sind die zwei Seiten der Arbeit – beide werden bereits in der Schöpfungsgeschichte der Bibel angesprochen. Zum einen ist es die Aufgabe des Menschen, die Schöpfung „zu bebauen und zu bewahren“ (Genesis 2,15). Zum anderen ist Arbeit mühsam, und sie gehört zu den Strafen für den Sündenfall des Menschen: „...verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang“ (Genesis 3,17).

Trotz dieser Ambivalenz: Arbeit gehört zum menschlichen Leben, bezahlte Arbeit wie ehrenamtliches Engagement. Denn Arbeit bietet Menschen die Möglichkeit, für sich und ihre Familie zu sorgen, aus eigener Kraft eine wirtschaftliche Basis für das Leben zu schaffen. Das stärkt das Selbstwertgefühl.

Erfahrungen, die demütigen

Und Arbeit bindet Menschen sozial ein. Arbeit ist mit Gespräch, Austausch, Beratung, Verhandlungen, also mit vielen Formen zwischenmenschlicher Beziehungen verbunden. Und Beziehungen sind eine Grundbedingung des Lebens.

Arbeitslosigkeit macht also nicht nur krank, sie ist vielmehr auch eine tiefgehende Bedrohung für ein erfülltes und gelingendes menschliches Leben.

Das gilt in verschärfter Weise für junge Menschen, die einen Zugang zu Arbeit ­suchen. Die Tore zum Arbeitsmarkt waren in den vergangenen Jahrzehnten für zu viele junge Menschen wie verbarrikadiert. Viele Jugendliche – auch mit ordentlichem Schulabschluss! – schrieben eine Vielzahl von Bewerbungen und erhielten nur ne­gative oder überhaupt keine Antworten. Das waren demütigende Erfahrungen.

Die EU-Kommission denkt über eine Beschäftigungsgarantie nach

Dass bei diesen jungen Leuten der Eindruck entsteht, sie seien nicht erwünscht, gefragt oder sogar überflüssig, ist gut nachvollziehbar. In unserem Land gab es, Gott sei Dank, Initiativen und „Bündnisse“, um möglichst vielen Jugendlichen den Zugang zu Ausbildung und Beruf zu ermöglichen. Aber in anderen Ländern der europäischen Gemeinschaft sieht das anders aus.

Es darf niemanden wundern, wenn ­Jugendliche, die sich als abgelehnt und überflüssig empfinden, entsprechend reagieren. Einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes (epd) entnehme ich: Der Berliner Bildungsforscher Klaus Hurrelmann warnt vor einer politischen Radikalisierung junger Europäer. Die Ablehnung der Demokratie nehme zu, sowohl in der Bundesrepublik und noch einmal stärker in Ländern wie Spanien und Griechenland. Er unterstützt deshalb den Vorschlag der EU-Kommission, eine Beschäftigungsgarantie für junge Arbeitslose und Schulabgänger zu geben.

Auch wenn dieser Vorschlag utopisch klingen mag: Ich plädiere dafür, ernsthaft darüber nachzudenken, wie sich dieser Vorschlag realisieren lässt.

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Das klingt wirklich utopisch, so ähnlich wie Grundeinkommen. Ich finde die Argumente total verständlich, vielleicht gäbe es dann mehr Kinder in Deutschland.
Aber wer sind "die Jugendlichen", sind z.B. ausländische Studierende eingeschlossen, oder Deutsche, die im Ausland ihren Master machen? Wer soll sie beschäftigen (die Institution, die sie ausgebildet haben?, eine neue zentralstaatliche Einrichtung?) Wer soll sie bezahlen?

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Es ist immer wieder erstaunlich, wer sich mit wirtschaftswissenschftlichen Fragen auseinandersetzt. Seine Meinung kund tut, selbst wenn sie noch so verkehrt ist. Eine Beschäftigungsgarantie ist sozialistische Planwirtschaft und kann nur den Gedanken von statisch denkenden, aber hochbezahlten und versorgten Beamten entspringen. Dabei hat der Sozialismus vor 23 Jahren bereits zum 2. Mal Konkurs angemeldet und trotzdem wollen die besserwisserischen Gutmenschen nichts daraus lernen. Sie glauben mit einfachen schwarz-weiß Modellen aus der Teufelskiste des Sozialismuses die Probleme lösen zu können. Dem ist aber nicht so!

Schafft die unsäglichen, unsozialen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen ab, mit welchen sich die Arbeitsbesitzer vor den Arbeitslosen schützen, dann schafft eine Marktwirtschaft die Arbeitslosigkeit von ganz alleine ab. Jeder redet zwar von Ludwig Erhard, aber fast niemand hat Vertrauen zu seinen Methoden, Vorgaben und Politik der sozialen Marktwirtschaft. Das, obwohl diese funktionierte und uns beispielhaften Wohlstand bescherte, währenddessen der Sozialismus bankrott ging.

Noch ein Wort zum Arbeitsamt und diesem Herren Alt. Er sollte zuallererst bei seiner Arbeitsagentur in seinem eigenen Haus beginnen. Dort findet ein grauenvolles, menschenverachtendes Mobbing der sozial Schwachen, nämlich der Arbeitslosen, statt.

Das beginnt bereits bei der neuen Bezeichnung für die ARGE: "Jobcenter". Ein Wort, welches es in der deutschen Sprache überhaupt nicht gibt und die meisten Deutschen deshalb nicht verstehen.
Dafür gibt es das Wort jedoch im Englischen und heißt übersetzt "ARBEITSAMT". Haben nicht einmal mehr die deutschen Behörden die Zivilcourage sich so zu benennen, wie sie auf Deutsch in Deutschland wirklich heißen, nämlich Arbeitsamt?

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