Foto: Elias Hassos
Den anderen ins Wort fallen, sich einander niederquatschen. Bei Diskussionen wird eines allzu oft vergessen: Nur wer zuhört, kann verstehen.
16.01.2012

Ein Abend unter Freunden. Die Gespräche wechseln von seligen „Weißt du noch?“-Sequenzen zu heißen Debatten über die Finanzkrise. Die Frauen unterbrechen sich mit Wonne: „Da sind wir doch am Gardasee gewesen, ganz ohne Männer... – „Von wegen: Du hast ständig geflirtet und sogar...“, „Du träumst ja!“ Alle fallen sich ins Wort: „Die Rating-Agenturen...“„Gehören verboten!“ Man versteht sich, hat Spaß am Diskutieren, am sprachlichen Florettfechten oder holt schon mal den verbalen ­Säbel heraus: „Das siehst du völlig falsch! Die Engländer...“ „Quatsch! Splendid isolation...“ „Politik von vorgestern!“

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Man muss nicht alles immer ernst und gleich wichtig nehmen. Es kann Zeichen von Harmonie oder von anregenden Unterhaltungen sein, wenn andere sofort und unbedingt etwas sagen müssen. Es ist bei aller Lust am Reden nur wichtig, dass auch die eher Stillen reden können – und Dauerredner ab und zu zum Schweigen verdonnert werden. Manchmal allerdings ist es nur nervig, wenn Menschen einander ins Wort fallen. Wenn sie ein­ander permanent niederquatschen, um ihre Position zu behaupten und die Argumente der anderen ins Lächerliche zu ziehen.

Wenn es an Respekt vor dem Gegenüber fehlt

Im Fernsehen genauso wie im richtigen Leben ist es nur noch zum Abschalten, wenn es Diskutanten zwar nicht an Temperament, dafür aber an jedem Respekt vor dem Gegenüber fehlt. Da gibt es die Frau, die die Sätze ihres Mannes souverän zu Ende bringt, bevor der selber ausreden kann. Das spricht zwar dafür, dass sie weiß, was in ihm vorgeht und ihm vielleicht genau das beweisen will. Aber partnerschaftlich ist es nicht. Dem anderen das Wort aus dem Mund zu nehmen, ist gelegentlich verständnisinnig, öfter aber unachtsam. Und es hat den Hauch von Bevormundung. Der Mann hingegen ist vielleicht einer von denen, die in Konferenzen gnadenlos die Vorrednerin unterbrechen, um selber mal klarzustellen, was Sache ist.

Der Ärger darüber, dass der andere schon lauthals verkündet, was einem selber noch auf der Zunge liegt, ist verständlich: Man hat das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. „Lass mich bitte ausreden“ ist ein selbstverständlicher Wunsch von Männern und Frauen. Er drückt aus, dass jemand gehört werden möchte mit den eigenen Einfällen, Meinungen und Worten. Lass mich ausreden: Jeder Mensch soll die Aufmerksamkeit bekommen, die er verdient. Lass mich ausreden: Jeder sollte die Zeit bekommen, die er braucht, um Ausgefeiltes und Unfertiges zu äußern, um vielleicht erst beim Reden allmählich die Gedanken zu „verfertigen“, wie der Schriftsteller Heinrich von Kleist sagt.

Genüssliches Zuhören ist besonders schön

Das jüdische Glaubensbekenntnis beginnt mit den Worten „Höre, Israel“. Eine lebendige Beziehung zwischen Gott und Mensch fängt mit dem Hören an. Unter Menschen ist das kein bisschen anders. Verliebte lauschen stundenlang darauf, was der oder die andere zu sagen hat. Diese zärtliche Wissbegierde kann auch die Beziehungen älterer Paare, die von Eltern und Kindern, von Freunden und Kollegen auszeichnen. Ihre Beziehungen sind immer dann gut, wenn sie hören und sich ausreden lassen – auch dann, wenn sie darauf brennen, die eigene Botschaft loszuwerden, zu kommentieren, zu widersprechen. Solche Worte sind auch dann noch aktuell, wenn sie erst nach dem Punkt des anderen laut werden.

Nur wer wirklich zuhört, kann verstehen. Und was beim genüsslichen Zuhören besonders schön ist: Man hört auf, nur um sich selber zu kreiseln, achtet stattdessen auch auf andere Menschen und landet dann bereichert wieder bei sich selbst.

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Meine eigene Erfahrung mit Unterbrechen ist weniger die Unhöflichkeit der Unterbrecher sondern die Unverschämtheit der Dauerquatscher, die sich selbst andauernd das Rederecht verschaffen mit "Unterbrich mich doch nicht!"

Für mich ist Unterbrechen in den allermeisten Fällen simple Notwehr der an die Wand Gelaberten.

Manfred Bühner (71 Jahre)

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Frau Breit-Keßler schildert in ihrem Artikel „Hört, hört“ sehr zutreffend in der Welt der Erwachsenen einerseits Respektlosigkeiten, aber anderer- seits auch positive Aspekte beim Zuhören. Gutes Zuhören kann und muss man lernen. Das sollte in der Schule beginnen.
Ich beschäftige mich sehr mit dem Jugendkompetenzprogramm Lions- Quest „Erwachsen werden“. Dessen Hauptziel ist es, die psychosoziale Kompetenz von Schülerinnen und Schülern zu fördern und sie zu be- fähigen, verantwortlich eigene Entscheidungen zu treffen. Das setzt ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein voraus und dass man sich anerkannt fühlt. Dabei ist z.B. die Erziehung zum guten Zuhören wichtig. Die äußert sich gegenüber dem Gesprächspartner in Zuwendung (Blickkontakt), Konzentration (ruhige Körperhaltung) und Ermutigung (interessiert nach- fragen). In diesem Programm erlernen die Kinder diese Fähigkeit im Rollenspiel - und als Gegensatz auch Gesprächskiller und nonverbale Signale für schlechtes Zuhören.

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Zitat aus dem Artikel: "Eine lebendige Beziehung zwischen Gott und Mensch fängt mit dem Hören an. Unter Menschen ist das kein bisschen anders." _______________________________ Wie immer ganz unabhängig von jedem Inhalt des Gesagten muss das anständige Benehmen beim Diskutieren gewahrt werden. Solchermaßen geübt in der unter dem Namen Höflichkeit firmierenden systematischen Verlogenheit kann dann auch bei Gott nichts mehr schief gehen. Den darf man auch nicht unterbrechen. Höflich wie auch Gott ist belohnt er einen damit, dass er sowieso nie was sagt. Es sei denn, man hört bereits Stimmen....

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sind es z.B. in den TV-Talkshows gerade die Religiösen, die den anderen ständig ins Wort fallen, da reicht die Bandbreite von Bischöfen (Huber) bis zu christlichen Journalisten (Mattussek) oder Moderatoren (Kerner).

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Von der Vorstellung, dass TV-Talkrunden Gespräche sind, habe ich mich verabschiedet. In eitler Manier wird auf Stichworte gewartet, um dann Monologe zu halten und damit Dominanz zu zeigen.
Wohltuend ruhig geht es dann zu, wenn der Gast wirklich etwas zu sagen hat. Einen Helmut Schmidt oder einen Richard von Weizäcker läßt man ausreden und hört ihm zu. Dann aber fallen die Plappermäuler wieder schnatternd und plappernd übereinander her.
Ich unterbreche und schalte ab.

Im Umgang mit meinen Mitmenschen würde ich auch gerne manchen "Dauerquatscher" abstellen.
Wer kennt nicht das Gefühl:" ich falle gleich vom Stuhl wenn er/sie nicht sofort aufhört zu reden." ??
Warum redet er/sie so viel? Ist es ein unglücklicher Versuch Kontakt zu bekommen? Wer redet hört nicht.
Oder ist es ein geglückter Versuch keinen an sich heranzulassen?
Was auch immer die Motivation der Quasselstrippe ist, wenn es mir als Zuhörerin unangenehm wird ziehe ich die Reißleine und unterbreche. Halt Stopp !

und bevor ich vom Stuhl kippe stehe ich auf und gehe.

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Ja, ja, es ist schon schlimm mit den 2,26 Milliarden Christen weltweit http://de.wikipedia.org/wiki/Christentum. Sie fallen anderen häufiger ins Wort als der Rest der Menschheit (4,75 Milliarden Menschen abgezogen der Christen von insgesammt 7,01 Milliarden Menschen Weltbevölkerung http://de.wikipedia.org/wiki/Weltbev%C3%B6lkerung) und haben Kontakt zu einem Gott der nichts sagt. Da scheinen 2,26 Milliarden Menschen ganz schön komisch drauf zu sein. Sie halten nichts von der Sinnlosigkeit der nur beschreibenden Naturwissenschaften, die immer noch nicht wissen warum es Leben gibt und sind auch noch so frech, den anderen Menschen die vielleicht an das Nichts glauben, entgegen zu setzen, dass es noch mehr gibt als Nichts zu sein... echt schlimm, diese hoffnungsvollen Christen, die manches hören was andere nicht hören und in Diskussionen sogar eine Meinung vertreten, die nicht dem individuellen Mainstream entspricht und das dann auch noch sagen... ;-)

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Christian (nach neuerer redaktioneller Praxis werden wir alle nicht mehr mit dem Zusatz "nicht überprüft" versehen) schrieb am 10. Februar 2012 um 20:33: "diese hoffnungsvollen Christen, die manches hören was andere nicht hören" ______________________________________ Dann schreiben Sie doch frisch von der Leber weg, was Gott Ihnen so erzählt hat! Ich bin sehr gespannt. Bei mir hat sich der Meister aller Klassen nämlich noch nicht gemeldet. Die 6-Wochen-Frist, die Sie gesetzt haben, ist aber bald abgelaufen. Dabei ist mir sowieso nicht ganz klar ist, ob Sie diese Frist vornehmlich Gott oder mir gesetzt haben. ________________________________ Zitat: "Da scheinen 2,26 Milliarden Menschen ganz schön komisch drauf zu sein." Sie meinen, so viele können sich nicht irren? Wieso soll eine große Anzahl vor Irrtum schützen? Ob eine Vorstellung zutrifft, kann man gerade nicht daran erkennen, ob diese Vorstellung von Vielen oder nur von Wenigen geteilt wird. _______________________________ Zitat: "von der Sinnlosigkeit der nur beschreibenden Naturwissenschaften". Hier steckt ein Irrtum und eine richtige Feststellung drin. Der Irrtum besteht im "nur beschreibend". Naturwissenschaft fängt dort an, wo die Beschreibung aufhört. Dass die Lawine abgegangen ist, steht als Beschreibung in der Zeitung. Warum der Schnee zu Tal gegangen ist, erklärt die Physik. Richtig ist hingegen Ihre Feststellung, dass die Physik sich nicht an der Sinngebung für einen Lawinenabgang beteiligt. Da ich Ihrer Aufforderung nach noch ein Weilchen so tun soll, als gäbe es Gott, schreibe ich: Gott sei Dank, dass die Naturwissenschaft die Finger lässt vom gefährlichen Unfug, die Menschheit mit Sinngebung durch den Kakao zu ziehen. Was vermissen Sie denn so schmerzlich an einem sinnlosen Lawinenabgang oder einer sinnlosen Evolution des Lebendigen aus unbelebter Materie?

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Ja, die Sinnlosigkeit der Evolution könnte ein beschreibendes Problem der Naturwissenschaften bleiben. Wenn ich Sie richtig verstanden haben sollte? Weshalb gibt es Leben, weshalb gibt es ihre Schneelawine? Die Physik beschreibt die Zusammenhänge von physikalischen Eigenschaften von Schnee, Erdanziehungskraft usw. Sie beschreibt... aber weiß immer noch nicht weshalb es Masse, Urknall und das vor dem Urknall gab. Oder haben Sie eine Antwort darauf, da wäre die Welt sehr gespannt darauf, das können Sie mir bestimmt glauben ;-) Um aufs Thema zurück zu kommen, "Nur wer zuhört, kann verstehen." Auf der Suche nach Gott ist das Zuhören sehr wichtig, eine Frist gibt es da nicht. Ich habe Ihnen nur vorgeschlagen es 6 Wochen auszuprobieren, mehr nicht. Wenn Sie ein echtes Interesse an Gott haben wird er Ihnen antworten. Aber zuhören müssen Sie schon selber. Gott ist doch kein Automat, in den Sie eine Münze werfen um eine Antwort zu erhalten. Das sollten Sie schon Gott überlassen.Ihre Zweifel werden Sie nicht weiter bringen, im Gegenteil, fragen Sie sich ernsthaft mal, ob Ihre Zweifel Sie zu einem glücklicheren Menschen machen?

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Christian schrieb am 16. Februar 2012 um 20:58: "weshalb gibt es ihre Schneelawine?........Oder haben Sie eine Antwort darauf" Sie versuchen, etwas als Frage darzustellen, an der sich zeigen soll, dass die Physiker zu beschränkt sind, sie zu beantworten. In Wirklichkeit liegt hier aber überhaupt keine Frage vor, sondern eine aus dem Glauben stammende unsinnige Behauptung. Die Physik erklärt das Entstehen von Lawinen zur Genüge. Bei dieser Erklärung kommt der liebe Gott allerdings weit und breit nicht vor. Es kommen auch sonst keine Mächte vor, die den Menschen gut oder böse gesonnen sind. Es taucht nur so langweiliger Kram wie Druck, Temperatur und Dichte auf. Das können die Gläubigen und andere Irrationalisten nun überhaupt nicht ausstehen. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, dass irgendwelche Absichten am Werke gewesen sein müssen. Darin besteht ja der Glaube, sich die Welt dermaßen falsch zusammenzureimen. Und weil Rationalisten bei diesem Humbug nicht mitmachen, wird die eigene falsche Behauptung flugs umgewandelt in eine angebliche Frage, die die Atheisten blamieren soll. ____________________________ Zitat: "Aber zuhören müssen Sie schon selber." Aha! Wenn es also mucksmäuschenstill ist, dann liegt das nicht daran, dass niemand da ist, der spricht, sondern daran, dass ich nicht zugehört habe. Eine eher überraschende Art, sich das Verhältnis von Reden und Hören vorzustellen. ___________________________________ Zitat: "Ihre Zweifel werden Sie nicht weiter bringen" Da muss ich Sie leider bitter enttäuschen, lieber Herr Christian. Es stimmt schon, dass ich an manchem Zweifel habe. Am Wissen, dass die verbreitete Fiktion namens Gott eine hundsgefährliche Illusion ist, habe ich allerdings keinen Zweifel. Wieso auch?

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Thomas Mann, der Vater, zu Erika, der siebenjährigen Tochter: " << Du bist ja jetzt schon sieben. Du bist ja kein kleines Kind mehr, und du weißt ja im Grunde, was Du tust, jetzt lügst Du die ganze Zeit, schau, stell Dir bitte einmal vor, was passieren würde, wenn wir alle immerzu lögen. Wir könnten uns ja gegenseitig gar nichts mehr glauben, wir würden uns gegenseitig gar nicht mehr zuhören, weil es ja viel zu langweilig wäre und es wäre gar kein Leben. Ich bin überzeugt davon, dass Du das einsiehst und dass du das blödsinnige Lügen jetzt lässt. >> Ich sagte gar nichts, sondern ging, da er nicht fortfuhr zu sprechen, hinaus und dachte mir zunächst: Ach, was der redet, lügen ist eine sehr gute Sache und ich mache das auch so weiter. Ich habe es aber nicht weiter gemacht; es hat mir den größten Eindruck gemacht, und ich habe von Stund ab, zunächst einmal, nicht mehr gelogen. Als wir größer waren, mit vierzehn, fünfzehn, logen wir wieder lustig- aber damals war das entscheidend für mich. " Ein Auszug aus "Mein Vater, der Zauberer", von Erika Mann.

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Fragen die uns bewegen, oder darf man das?
Schon allein diese Überschrift und die dann aufgegriffenen Themen von Frau Breit-Keßler, sind immer so treffend dargestellt und beantwortet, dass eine weiterführende Diskussion mit Freunden immer noch anregend ist. Egal welcher Beziehung, welchem Alter man zuhört und auch ausreden lässt, es ist immer eine Bereicherung für beide Teile und man landet bereichert wieder bei sich selbst. Das ist tatsächlich so, aber nur wenn man zugehört hat und danach entscheiden kann, was gut oder nicht so gut war. Ich freue mich schon wieder, auf den nächsten Artikel von Frau Breit-Keßler.

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Uschi Stark schrieb am 20. Februar 2012 um 17:54: "...darf man das? Schon allein diese Überschrift.........und man landet bereichert wieder bei sich selbst." In der Tat! Wer dadurch bereichert wird, dass er sich sagen lässt, wo es lang geht, kann durch die regelmäßige Lektüre dieser Kolumne steinreich werden. Was ist erlaubt, was ist verboten, was gehört sich, was ist ungehörig, was ist psychologisch anzuraten, wovon ist seelenkundlich abzuraten und nicht zuletzt, was lässt Gottes gütiges Antlitz noch heller erstrahlen und wo runzelt er die Stirn? Auf solche Fragen bieten die Artikel reichlich Antworten. Vorgesetzter und Untergebene, Vater und Tochter, Arbeitgeber und Arbeitnehmerin, Henker und Gehenkter können alle gleichermaßen von solchen guten Ratschlägen profitieren. Wie kann diese unsere schöne Welt durch einfühlsames, liebesvolles, korrektes und anständiges Benehmen in allen Lebenslagen noch schöner werden? Und wenn diese wertvollen Tipps auf eine Leserschaft treffen, die genau nach solchen Wegweisungen sucht, wird auch mir mächtig warm um's Herz......

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