Tim Wegner
01.11.2011

Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, und als ich klein war, spielte ich zwischen Manfred Kaltz, Felix Magath und Horst Hrubesch. Natürlich nicht zwischen den echten, nein, mein großer Bruder hatte die Kühe nach HSV-Spielern benannt. Das war mein Start in Fanleben, ich konnte nicht entkommen. Ich bin auserwählt, ich konnte es mir nicht aussuchen.

Als ich klein war, erlebte der HSV seine größte Zeit. Er wurde Meister in Serie und gewann das, was heute Champions League heißt: den Europapokal der Landesmeister. Die ersten bewussten Erinnerungen als Fan verbinde ich mit dem Sieg des DFB-Pokals 1987.

Spieler, die niemand mehr kennt

Das war's dann aber auch mit den Erfolgen. In der Schule blamierte ich mich mit menschengroßen Plakaten, auf die ich die Mannschaftsaufstellung - man muss es so sagen - "malte". Spielernamen, bestehend aus geschwungenen, riesigen Buchstaben. Das Problem war nur: Diese Namen kannte schon damals kaum jemand, Sascha Jusufi, Carsten Kober, Tobias Homp... Der HSV dümpelte im Mittelmaß, und nicht selten scheuchten Neonazis und Hooligans alles Fremde durch den Volkspark. Es war finster, schrecklich und entsetzlich.

Ich habe versucht, mich loszusagen; ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr zu interessieren. Geklappt hat es nie. Ich mag einige Monate ohne Sportschau ausgekommen sein, und ohne Radiokonferenz. Aber der spätestens am Montag suchte ich in der Zeitung nach der Tabelle. Wo steht der HSV?

Die Chance, micht loszusagen

Als ich anfing zu studieren, in Leipzig, weit weg, war die Chance da, endgültig mit meiner Leidenschaft zu brechen. Aber ausgerechnet in der Fremde lernte ich Leute kennen, denen es so ging wie mir. Dieselbe Geschichte! Das ist nun 14 Jahre her, aber wir kennen und bis heute, und wenn es irgend geht, besuchen wir ein, zwei Auswärtsspiele pro Jahr.

Ich weiß, der Satz ist überstrapaziert, "das Leben ist ein Auswärtsspiel". Aber er ist richtig: Ein echter Fan kann es sich nicht aussuchen. Leid ist im Fußball letztlich unteilbar. Wir wurden von Werder gedemütigt, Meisterschaft, Pokal, Euroleague - alles dahin, ein paar Tage im Mai. Das verlorene Derby, im letzten Winter. Spott und Häme für anhaltende Trainersuchen, für Chaos im Verein - als hätte man es selbst angerichtet. Na, und?

Es kommt der Tag!

Der Tag wird kommen, dass mein Verein was reißt. Irgendwas Großes, und wenn es nur der Nichtabstieg ist. Oder ein verrücktes Spiel, 4:3 nach 0:3 Rückstand bei drei Grad und Nieselregen. Oder... Meister? Und so, wie mich Leid, Häme und Spott ungefiltert treffen, kommt mir auch die ganze Freude zu. Ungeteilt.

Lieber Felix, zwei Seelen schlagen in Deiner Brust? Das ist nicht verboten, aber es ist so beliebig. Läuft's bei dem nicht, erfreue ich mich halt am Schlaudraff, wenn er ein Jahrhundertor macht. Ein Fähnlein im Wind, es geht um Konjunkturen, es geht um Moden - wer ist gerade toller?  Das kann doch jeder!

 

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Das sieht nach einem lustigen Artikel aus. Leider fehlte ein Lektor, der die schlimmsten Schnitzer beseitigt.

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Christian Schwarz (nicht überprüft) schrieb am 14. Dezember 2011 um 9:42: "Leider fehlte ein Lektor, der die schlimmsten Schnitzer beseitigt." -------------------------------------------- Diesen Job dürfen die Leser gerne kostenlos erledigen. Zitat aus dem Artikel: "Er wurde Meister in Serie". Nun ja, wo zwei oder drei in des Herren Namen versammelt sind, ist er bekanntlich unter ihnen. Und so hatte auch der HSV eine Meisterserie, nämlich zweimal hintereinander 1981/82 und 1982/83. Alle anderen Serien bestanden aus jeweils nur einer Meisterschaft. Quelle: http://www.dfb.de/index.php?id=82905

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