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Ein Anhänger von Aufklärung und religiöser Toleranz
Auf Schloss Rheinsberg in Brandenburg wandelte sich der preußische Kronprinz Friedrich, aus dem später "der Große" wurde, zu einem Anhänger der Aufklärung. Hier liegen die Wurzeln seiner religiösen Toleranz. Ein Beitrag zu seinem 300. Geburtstag am 24. Januar 2012
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
04.01.2012

Der junge Mann, der da im August 1736 auf Schloss Rheinsberg in Nordbrandenburg eintraf, war tief traumatisiert. Trotz seiner erst 24 Lebensjahre war er bereits durch die Hölle gegangen. Jahrelange Demütigungen und häufige Prügelstrafen hatte er erdulden müssen. Seine Wünsche, seine politischen Ideale waren öffentlich verächtlich gemacht, sein Charakter aufs Übelste bloßgestellt worden. Ausgerechnet sein Vater, Friedrich Wilhelm I., hatte den vermeintlich „hasenfüßigen“ Sohn Härte spüren lassen. Er verachtete den Sohn, der sich schon als Kind vor dem Abfeuern von Kanonen gefürchtet hatte.

Der größte Eklat in einer langjährigen Kette der Erniedrigungen lag sechs Jahre zurück. Der Monarch hatte den Prinzen gemeinsam mit seinem Freund, dem Leutnant Hans Hermann von Katte, vor ein Kriegsgericht stellen lassen. Das Verbrechen, das ihnen zur Last gelegt wurde: versuchte Desertion. Doch während sich die Richter sträubten, den Thronfolger zu verurteilen, verhängten sie auf Betreiben des Vaters über seinen Freund die Todesstrafe. Im Gefängnis von Küstrin musste Friedrich der Enthauptung seines Freundes beiwohnen. Die Leiche des Exekutierten musste auf höchste Anordnung stundenlang im Sand des Richtplatzes liegen bleiben. Der Kronprinz, von Weinkrämpfen geschüttelt, fiel nicht weniger als drei Mal in Ohnmacht.

Ein besonnener junger Mann, der die Freuden der Liebe nicht genießen konnte

In Rheinsberg erhoffte sich Friedrich endlich Seelenruhe. Er mag dem jungen Mann geglichen haben, den heute eine Statue vor
dem Schloss zeigt: ein besonnener junger Mann, dessen Mund ein
Hauch von Lächeln umspielt, der den Blick in die Ferne richtet und
seine Paradeuniform offensichtlich eher gegen die Kälte als zur Repräsentation
trägt. In Rheinsberg wollte sich Friedrich, später „der
Große“ genannt, intensiv in die Literatur der französischen Aufklärung
und Philosophie versenken. Seit drei Jahren war er, politischer
Räson folgend, vermählt mit einer braunschweigischen
Prinzessin, gleichwohl fehlte es ihm an Antrieb, die Freuden der
Liebe entspannt zu genießen. Die Beziehung war von Anfang an
emotional und sexuell gestört. Die Ehegemeinschaft sollte nur bis zur Thronbesteigung
Friedrichs vier Jahre später dauern.

Der wissbegierige Kronprinz schuf sich in Rheinsberg viel eher
einen Ort,wo seine philosophischen und religiösen Gedanken frei
fliegen konnten und er sich auf die Übernahme der Regierungsgeschäfte
vorbereitete. Es ist bis heute ein unglaublich inspirierender
Ort: das runde Turmzimmer im Südflügel des Rheinsberger
Schlosses. Aus diesem intimen Raum des Obergeschosses, in
dem Kronprinz Friedrich seine Bibliothek, sein „Kabinett“ eingerichtet
hatte, geht der Blick weit über einen See, der wiederum von
einem Landschaftsgarten eingerahmt ist. Es ist ein Ort der Stille, der Konzentration. Hier hat er eine nicht große, aber gut gewählte Sammlung von Büchern in Glasschränken stehen. Ein Deckengemälde zeigt mythische Szenen aus Kunst und Literatur. Alle lauten Feste fanden weit abgerückt im Nordflügel des Schlosses statt.

Rund 800 Schreiben zeugen vom intensiven Gedankenaustausch zwischen dem Aufklärer Voltaire und dem Kronprinzen

Friedrich brauchte und nutzte die Ruhe. Schon kurz bevor er nach Rheinsberg übergesiedelt war, hatte er Briefkontakt zum
französischen Aufklärer Voltaire aufgenommen. Es entwickelt
sich bald ein intensiver Briefwechsel. Insgesamt rund 800 Briefe
schreiben sich der Philosoph und der Prinz. Friedrich
bettelt Voltaire geradezu an, ihn zu besuchen und bei ihm in Rheinsberg zu leben
– ein Wunsch, dessen Erfüllung ihm versagt blieb.

Ohne die Jahre in Rheinsberg wäre Friedrich nicht der geworden,
der er war: ein aufgeklärter, religiös liberaler Regent, auch
wenn er sich bald in Kriegen und Machtgerangel verstricken sollte.
Einen Hugenotten, Abkömmling französischer Glaubensflüchtlinge,
hatte er sich in jungen Jahren zum Vorleser gewählt.
Die evangelischen Glaubensflüchtlinge, die aus Frankreich (nach
der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes 1685) und Salzburg
(1732) nach Preußen gekommen waren, fanden bei ihm
Schutz und Unterstützung. Unter Friedrich wurde die religiöse
Toleranz zur Staatsmaxime, was Preußen gegenüber Frankreich
und Österreich kulturell und politisch auszeichnete.

Friedrich schaffte der Folter ab, später auch die öffentliche Kirchenbuße

In Rheinsberg, gerade in jenem beschaulichen Kabinett im Südturm, liegen die geistigen Anfänge dieser Politik. Sofort nach seinem Herrschaftsantritt 1740 reformierte Friedrich eine ganze Reihe von Rechtsnormen: Er schaffte die Folter ab, später auch die öffentliche Kirchenbuße. Er verbot das Ertränken von Kindsmörderinnen und schränkte die Todesstrafe ein.

Die Versöhnung mit dem Vater kam erst unmittelbar vor dessen Tod im Mai 1740 zustande, unter Tränen und etlichen Schuldbekenntnissen
von beiden Seiten. Erst danach, nun als Regent, traf
Friedrich zum ersten Mal mit Voltaire zusammen, auf Schloss
Moyland am Niederrhein. Aber es wurde eine schwierige Freundschaft:
Voltaire wurde ein heftiger Kritiker der Schlesischen Kriege
Friedrichs, die den Anfang von dessen Regentschaft markieren.
Friedrich, dem die Aufklärung so wichtig war, blieb zeitlebens ein
Machtpolitiker und ein uneingeschränkt herrschender Monarch.

Vielleicht haben die Rheinsberger Jahre Schlimmeres verhindert.
Im Alter tat Friedrich den viel zitierten Ausspruch: Das Unglück
habe ihn immer verfolgt, nur in Rheinsberg sei er glücklich
gewesen.

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