Dirk von Nayhauß
"Wie willst du lernen zu vertrauen, wenn nie jemand hinter dir gestanden hat?"
Für Moritz Bleibtreu ist die Mutter die Quelle des Lebens
Dirk von Nayhauß
15.01.2013

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Ich bin mal in New York überfallen worden, ein Typ wollte Geld von mir. Ich bin mit dem sogar ins Gespräch gekommen, aber ich hatte irre Muffe, weil ich das Gefühl hatte, dass das jede Sekunde kippen könnte. Ich bin schließlich zitternd weggegangen, aber danach wurde mir klar: Da hast du dich sehr lebendig gefühlt! Eigentlich suche ich gefährliche Situationen nicht, im Gegenteil, die haben mit Kontrollverlust zu tun, und das ist überhaupt nicht meine Welt. Ich bin in meinem echten Leben der totale Lang­weiler. Ich bin nicht sonderlich gesellig, habe keine großartigen Hobbys und gerne meine Ruhe. Mit mir ist nicht viel los.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Mein vierjähriger Sohn erinnert mich daran, wie ich bestimmte Dinge wahrgenommen habe. Kürzlich hatten wir eine typische Situation: Sein T-Shirt war nass, er sollte es ausziehen, aber das wollte er natürlich nicht. Das war ein Riesendrama, und ich stand davor und dachte: Alter, das kann doch nicht wahr sein! Aber als ich ihm in die Augen guckte, verstand ich ihn und erinnerte mich daran, wie ausweglos sich damals solche Situationen angefühlt haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es viel schlauer ist, mit ihm über die Sache zu reden – ungefähr so: „Zeig mal das ­T-Shirt, das ist ja voll nass. Merkst du das am Bauch? Ist das kalt? Was können wir denn jetzt machen?“ Dann findest du innerhalb von 20 Sekunden eine Lösung.

An welchen Gott glauben Sie?

Vieles in unserem Leben ist weit weniger zufällig, als es am Anfang erscheint; im Nachhinein macht vieles Sinn, schließlich passt vieles doch zusammen. Hat man das einmal für sich erfahren, ist es fast unmöglich, nicht daran zu glauben, dass es etwas gibt, das diese materielle Masse zusammenhält. Meinem kleinen Gott fühle ich mich sehr verbunden und sehr nah. Dieses Gottvertrauen hat sehr viel mit Urvertrauen zu tun und das wiederum sehr viel mit Liebe. Wie willst du lernen zu vertrauen, wenn du nie gespürt hast, dass jemand hinter dir steht, auf den du dich zu einhundert Prozent bedingungslos immer verlassen kannst? Ich hatte das große Glück, dass ich von meiner Mutter als Kind mit Liebe überhäuft worden bin.

Hat das Leben einen Sinn?

Ja sicher: Der Beste zu sein, der du werden kannst. Indem du versuchst, so viel wie möglich zu erfahren. Indem du versuchst, geistig und emotional so viel wie möglich mitzubekommen. Indem du Risiken nicht scheust und Widerständen nicht aus dem Weg gehst. Wenn es einen Weg zum Glück gibt, dann nur den, dass man versucht, immer sein Bestes zu geben. 

Muss man den Tod fürchten?

Ich habe Angst vor dem Tod. Als ich zehn Jahre alt war, ist mein bester Freund bei einem Autounfall gestorben. Es gab damals in meinem Herzen oder in meiner Seele keine Schublade, in der ich seinen Tod hätte unterbringen können. Es gab nichts, was ich hätte tun können, ich konnte nicht darauf reagieren. Die Jahre danach waren bestimmt von Jähzorn, von großer Wut gegen alles und jeden. Als meine Mutter vor bald vier Jahren starb, war es anders. Ich war erwachsen, und sie hatte Lungenkrebs, sie verschwand nicht so plötzlich wie damals mein Freund. Dadurch war die Situation viel greifbarer, aber letztlich habe ich mich auch hilflos gefühlt. Das ist ja das Schlimme, das Gemeine: Du bist komplett machtlos. Das ist ein Moment, in dem dir klarwird, dass du ganz viele Dinge überhaupt nicht in der Hand hast.

Was hat Sie stark gemacht?

Meine Mutter. Sie hat mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Die Quelle meines Lebens – und darum geht es in dem Film –, diese Quelle ist meine Mutter. Niemand sonst. Und das Wichtigste, das sie mir gegeben hat, ist Urvertrauen. Es reduziert sich auf dieses eine Wort, aus dem sich für mich alles herleitet. Sie war eine Festung. Ich wusste: Mir kann nichts passieren. Das hat mir eine irre Kraft gegeben. Pädagogisch betrachtet hat meine Mutter auch oft danebengegriffen, sie hat mir viel abverlangt. Selbst­ständigkeit. Geduld. Meine Mutter war eine alleinerziehende Schauspielerin, es war schwierig für sie mit einem Gör am Hals. Aber wenn etwas schiefgegangen war, hat sie mir immer alles erklärt. Und sie hat sich bei mir entschuldigt. Eltern entschuldigen sich selten bei ihren Kindern. Dabei ist man ja gerade ein gutes Vorbild, wenn man sich entschuldigen kann.

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Für einen totalen Langweiler spielt Herr Bleibtreu seine Rollen aber absolut super ! Und seine Mutter war ziemlich grandios!
Zu viel Liebe kann kein Mensch bekommen! Wenn er aber zu wenig bekommt, wird es kritisch!

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"Von meiner Mutter als Kind mit Liebe überhäuft", das kann auch gründlich schiefgehen. Nur wenn eine Mutter einerseits signalisiert, dass hundertprozentig auf sie Verlass ist, aber andererseits auch, dass man sie immer weniger braucht ("Du kannst das selbst"), dann geht es gut.

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