Illustration: Marco Wagner
Lehrerin, Texterin, First Lady
Sie setzte sich für arbeitende Frauen ein und gründete das Müttergenesungswerk
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
26.09.2012

Was sie wohl zum Betreuungsgeld für Eltern gesagt hätte, die nicht arbeiten, sondern zu Hause bleiben? Vermutlich hätte auch sie „Herdprämie“ gespottet. Dabei war dieser Weg für sie vorgezeichnet: Ehe, Kinder, schöne Künste. Elly Knapp war höhere Tochter, Jahrgang 1881. 

Doch die Straßburger Professorentochter zog es vor, auf eigenen Füßen zu stehen und andere Frauen zu ermutigen, es ebenso zu tun. Sie wurde Lehrerin. Schon mit 18 war sie Mitgründerin einer Privatschule. 1905 zog sie nach Berlin, wo sie eine Ausstellung über Frauen in Heimarbeit vorzubereiten half. Jeder sollte wissen, wie schlecht diese Frauen bezahlt wurden, wie viel sie schuften mussten.

Sie heiratet Theodor Heuss. Albert Schweitzer traut die beiden

Elly Knapp musste ihre Freiheit nicht erkämpfen. In ihrem Elternhaus verkehr­ten Befürworter der höheren Mädchen­bildung: der entfernt verwandte Theologieprofessor Adolf von Harnack zum Beispiel. In Berlin begegnete sie Friedrich Naumann. Der evangelische Pfarrer und Mitgründer einer liberalen Partei nannte es einen Gottesdienst, dem eigenen Volk zu dienen. Auch das bestärkte sie.

Über Naumann lernte Elly Knapp den drei Jahre jüngeren Journalisten Theodor Heuss kennen. Ihr Jugendfreund Albert Schweitzer (Konzertorganist und Theo­logieprofessor, später Urwaldarzt) traute das Paar 1908. Elly Heuss-Knapp bekam einen Sohn und arbeitete weiter: als Lehrerin an einer Sozialen Frauenschule, mit Deutschstunden für Ausländer, an der ­Ausstellung „Die Frau in Haus und Beruf“ und ehrenamtlich als Schöffin, in der Armen- und Nachbarschaftshilfe. Und sie studierte evangelische Religionspädagogik.

Nach feiern war ihr 1933 nicht zumute

Der allgemeine Begeisterungstaumel beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs blieb ihr fremd. „Ich empfinde es als Heuchelei, wenn wir beginnen, den Krieg an sich zu loben“, schrieb sie und fügte mit dem ihr eigenen Sarkasmus hinzu: „Als in Hamburg die Cholera ausbrach, haben Ärzte und Krankenpflegepersonal im ­Heroismus sich selbst übertroffen. Wer ist danach auf die Idee gekommen zu sagen: ‚Die Cholera ist das Erhabenste, Reinigendste, Begeisterndste, das es gibt, die heilige Cholera!‘“
1933 stimmte Theodor Heuss, inzwischen liberaler Abgeordneter im Berliner Reichstag, Hitlers Ermächtigungsgesetz zu. Er beugte sich der Fraktionsdisziplin – der schwerste Fehler seines Lebens, wie er später beteuerte. Widerstandshelden waren die Heussens nicht, auch keine ­Mitläufer. Im April 1933 war Elly Heuss-Knapp überhaupt nicht zumute, ihre ­Silberhochzeit zu feiern. „Ich ersticke fast an kollektivem Schuldgefühl“, schrieb sie.

Im Juli 1933 verlor ihr Mann sein Reichstagsmandat. Als Journalist bekam er Publikationsverbot. Das Paar war nun auf Elly Heuss-Knapps Einkünfte angewiesen. Da auch sie nicht mehr als Lehrerin ar­beiten konnte, wurde sie Werbetexterin. Bis dahin hatte man im Radio Zeitungsannoncen vorgelesen. Elly Heuss-Knapp dichtete nun Verse. Zum Beispiel für Hals­pastillen: „Auf Schritt und Tritt, nimm ­Wybert mit. Ob’s windet, regnet oder schneit, Wybert schützt vor Heiserkeit.“ Dazu eine Werbemelodie der Firma – Elly Heuss-Knapp gilt als Erfinderin des Jingles.

Erste Präsidentengattin der Bundesrepublik

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ihr Mann Kultusminister im neuen Bundesland Württemberg-Baden. Und Elly Heuss-Knapp konzipierte Schulbücher für die Demokratie. In Kindersendungen stellte sie Vorbilder wie Friedrich von Bodelschwingh, Mathilda Wrede, Elsa Brandström vor. Sie hielt Vorträge über Kinderbücher aus aller Welt und über ihre völkerverbindende Kraft.

Von 1946 bis ’49 war sie liberale Abgeordnete im Stuttgarter Landtag. Als ihr Mann erster Präsident der Bundesrepublik Deutschland wurde, legte sie das Mandat nieder. Dass sich Elly Heuss-Knapp als First Lady für die Gründung des Mütter­genesungswerks einsetzte, passte zu ihrer eigenen Lebenshaltung. Nach dem Krieg waren die Familien zerstört, die Männer traumatisiert. Die Frauen mussten alles ­zusammenhalten. „Die Mütter können einfach nicht mehr“, schrieb Elly Heuss-Knapp 1950. In Straßensammlungen kam das Geld für die neue Stiftung zusammen. Bis wenige Monate vor ihrem Tod am 19. Juli 1952 setzte sich Elly Heuss-Knapp für die Krönung ihres Lebenswerks ein.

Permalink

Schön, dass chrismon an diese beeindruckende First Lady erinnert, die aus christlichem Geist handelte. Ich bin gerade begeistert von einer Biografie über Elly Heuss-Knapp, die deren Leben beschreibt. Autorin: Ulrike Strerath-Bolz, Titel: Elly Heuss-Knapp. Wie die First Lady ihr Herz für Mütter entdeckte, Wichern Verlag Berlin 2012.

Permalink

Für mich als Katholikin ist Elly Heuss-Knapp so etwas wie eine Heilige, weil sie ihren eigenen Weg gegangen ist. Man könnte auch Vorbild sagen. Meinen eigenen Weg zu gehen bedeutet heute nicht, wie von Politik und Wirtschaft beinahe erzwungen, meine Kinder im Stich zu lassen und in fremde Hände zu legen, sondern präsent zu sein, sie durch die sensiblen ersten Jahre selbst zu begleiten, ihnen Halt und Stütze zu sein, meine christlichen Werte weiterzugeben, auch wenn es oft Opferbereitschaft und Verzicht bedeutet. Dafür erwerbe ich als Christin die Gewissheit, dass sich meine Kinder gebunden, sicher und neugierig die Welt erobern und selbst gegen den Strom zu schwimmen imstande sind. Was sonst soll uns Christen wichtig sein?

Dass Chrismon das Wort "Herdprämie" im Zusammenhang mit Frau Heuss-Knapp überhaupt benutzt, scheint mir nicht bloß ein Ausrutscher, sondern sogar ein Fehltritt zu sein. M. E. hätte Frau HK alles getan, die Verzweckung der Familie als Wirtschaftsfaktor anzuprangern. Nur, zu ihren Lebzeiten galt noch Respekt vor der Arbeit einer Mutter. Sie hätte sich wohl nie träumen lassen, dass Mütter heute zum Schuhabstreifer der Nation werden konnten.

Permalink

Ich lese Chrismon sehr gerne, und besonders die Titelgeschichte "Wo ist Haika?" fand ich tatsächlich atemberaubend.

Aber der erste Satz auf Seite 55 (Vorbilder: Elly Heuss-Knapp von Burkhard Weitz) ist eine Unverschämtheit.
Das geplante Betreuungsgeld soll NICHT an Eltern bezahlt werden, die "nicht arbeiten, sondern zu Hause bleiben", sondern an Eltern, die junge Kinder betreuen und erziehen - eine anspruchsvolle Tätigkeit, die, wenn sie in Krippen geleistet wird, vom Staat mit bis zu 800 Euro pro Kind und Monat subventioniert wird. Man kann diese Idee falsch finden oder zu teuer oder im Einzelfall für zu kompliziert halten, aber man muss Familienarbeit nicht derart diffamieren.
Ich schreibe dies, obwohl ich als Mutter von drei Kindern immer berufstätig war und das Betreuungsgeld vermutlich nie in Anspruch genommen hätte (nicht zuletzt deshalb, weil ich den Alltag im Büro häufig als sehr viel weniger anstrengend empfand als die Zeit zu Hause).

Permalink

Frau Elly Heuss-Knapp war eine tolle Frau. Den Artikel habe ich mit Interesse gelesen. Der 1. Absatz zeigt aber, daß der Verfasser des Artikels Frau Heuss-Knapp nicht voll verstanden hat . Sie hat sich für Frauen
eingesetzt- einerlei ob sie außer Haus oder im Haus  gearbeitet haben - daher Müttergenesungswerk. Eines kann ich Ihnen sagen, Frau Heuss-Knapp hätte die 100 € Betreuungsgeld verspottet und mindestens 500 € Betreuungsgeld pro Kind verlangt. Wer schenkt uns die Renten von morgen
- Mütter, die Freude an Kindern haben,die bereit sind, auf Vieles zu
verzichten und mehr als nur ein Kind erziehen. Frauen, die sich selbst
um ihre Kinder kümmern, verdienen unsere Anerkennung und volle Unterstützung.
Schlagen Sie doch nach in Google unter MGW:" Anliegen des MGW : Mütter in der wertvollsten Aufgabe für die Zukunft unserer Gesellschaft.....zu stärken."

Permalink

Schon die ersten beiden Sätze dieses Beitrags, in denen von Eltern die Rede ist, die "nicht arbeiten" und davon, dass Frau Heuss-Knapp vermutlich über die "Herdprämie" gespottet hätte, strotzen vor Häme, vor allem gegenüber Frauen, deren Lebensentwurf Kinder in den Fokus stellt.
Sehr christlich finde ich diesen Ton schon mal nicht! Außerdem wird in der Unter-Überschrift doch festgestellt, dass Frau Heuss-Knapp sich für "arbeitende Frauen" einsetzte. Gerade mit der Gründung des Müttergenesungswerkes hat sie doch unwiderlegbar zu erkennen gegeben, dass sie explizit die Mütter als oft über ihre Kräfte arbeitende Frauen ansah.
Auch wenn die Mütter heute viele (technische) Möglichkeiten haben, sich im Haushalt Erleichterung zu schaffen, so sind sie es doch auch heute noch, die "alles zusammenhalten". Die verantwortungsbewusste Erziehung von Kindern ist ungleich schwieriger geworden. Aber im gesellschaftlichen Ansehen liegen die Mütter am Boden. Warum muss trotzdem immer weiter auf ihnen herumgetrampelt werden?

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Flugzeug aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.