Organspendeausweis zerreißen?
Das Vertrauen in das deutsche System der Organspende ist rapide gesunken. Auch ich bin empört. Aber der Organspendeausweis steckt noch immer im Geldbeutel
Tim Wegner
10.08.2012

Nein, ich zerreiße meinen Organspendeausweis jetzt nicht. Obwohl empörende Dinge passiert sind: In Göttingen und Regensburg soll ein Arzt die Daten von Patienten so gefälscht haben, dass sie auf der Warteliste nach vorn gerückt sind; möglicherweise floss sogar Geld; vielleicht waren auch mehrere Ärzte beteiligt. Außerdem gibt es den Verdacht, dass deutsche Krankenhäuser gespendete Organe immer öfter extra als so schlecht darstellen, dass die Vermittlungsstelle Eurotransplant sie gar nicht erst in den Verteiler für die dringlichsten Patienten übernimmt, sondern erlaubt, dass das meldende Krankenhaus die Organe für eigene Patienten nutzen darf.

Trotzdem zerreiße ich meinen Organspendeausweis nicht. Denn letzten Endes sind doch alle gespendeten Organe schwer Leidenden zugekommen. Sie wurden vielleicht nicht ganz gerecht verteilt. Schlimm genug. Denn am Ende wird bei vielen Menschen von diesem Skandal im Kopf hängen bleiben, dass es bei der Organspende irgendwie „nicht mit rechten Dingen zugeht“.

Noch mehr Unbehagen, noch mehr Zweifel

Und dieser Zweifel kommt zu dem eh schon bestehendem Unbehagen, das sich kristallisiert in diesen zwei Fragen: Wie tot bin ich, wenn mein Hirn tot ist? Und wird man alles tun, um mein Leben zu retten, wenn ich einen Organspendeausweis habe? Es gibt überzeugende Antworten auf diese Fragen. Trotzdem kostet es Angehörige Überwindung, ihre Liebsten nach einem Hirntod für eine Organspende freizugeben, in der Stunde des Abschieds auch noch an das Leid anderer zu denken. Solch Großherzigkeit ist nur möglich, wenn die Menschen darauf vertrauen können, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Dieses Vertrauen ist binnen weniger Tage geschwunden, wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa zeigt. Danach sind nur noch 45 Prozent der Befragten bereit, sich im Fall eines Hirntodes als Organspender zur Verfügung zu stellen; vor wenigen Wochen waren es noch doppelt so viele.

Über Leben und Tod dürfen nicht Vereine entscheiden

Soll die postmortale Organspende in Deutschland überhaupt eine Zukunft haben, dann muss jetzt sehr viel mehr Kontrolle und Transparenz her, als von der Bundesärztekammer dieser Tage angedacht wurde. Die Bundesärztekammer will bei der Platzierung auf der Warteliste künftig das Vieraugenprinzip haben – das reicht nicht, denn auch vier Augen sehen nicht mehr, wenn sie aus demselben Krankenhaus kommen, wie die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospizstiftung anmerkt.

Auch wenn es am Ende nur einzelne tricksende Transplantationsmediziner gewesen sein mögen, Vertrauen lässt sich nur wieder aufbauen, wenn das gesamte System der Organspende und Organvermittlung transparent wird. Dazu muss es von den privat verfassten Institutionen in staatliche Hand gegeben werden. Es geht nicht an, dass Stiftungen und Vereine entscheiden, wer mithilfe eines gespendeten Organs weiterleben darf und wer nicht. Aber die DSO, die die Organspende organisiert, ist eine Stiftung; und die Bundesärztekammer, die die  Richtlinien für die Wartelistenplatzierung und für die Hirntodfeststellung aufstellt, ist eine Art Verein, ein Berufsverband.

Nicht dass staatliche Institutionen immer alles besser machen, aber wenn es um Leben und Tod geht, braucht man parlamentarisch beschlossene Gesetze und Richtlinien sowie staatliche Kontrollen. Und scharfe Konsequenzen, wenn jemand zuwiderhandelt – etwa die, einem Arzt die Approbation zu entziehen oder ein ganzes Transplantationszentrum zu schließen.

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DOCH, ich habe meinen Ausweis schon vor Wochen zerrissen. Hat mit dem Skandal aber nichts zu tun. Ich habe mich mal kundig gemacht, was Hirntod eigentlich bedeutet, sollte jeder mal tun!! Darüber lesen wir ja nichts in der Presse. Darüber streiten sich nämlich mittlerweile anerkannte Wissenschaftler, Ärzte, Rechtswissenschaftler und Philosophen. Sooo tot ist man nämlich gar nicht, es funktionieren unter Umständen durchaus noch Bereiche im Hirn, die nur nicht auf die üblichen Tests reagieren. (Bitte selbst mal danach googeln). daher habe ich beschlossen, mich nicht ausweiden zu lasse bei "lebendigem Leib" und ohne Narkose!!! Nur mal so zur Info ein Satz aus dem Transplantationsgesetz: "Der Spender sollte so tot wie möglich und so lebendig wie nötig sein. " Also ein "Bißchen tot". Ein bißchen schwanger gibts auch nicht. Informiert euch mal alle, bevor ihr leichtfertig einen Spenderausweis unterschreibt. Die meisten Ärzte haben nämlich keinen Spenderausweis, warum wohl?

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Hallo, Gast,
Sie schreiben, im Transplantationsgesetz stünde dieser Satz: "Der Spender sollte so tot wie möglich und so lebendig wie nötig sein." Hm, ich konnte diesen Satz da nicht finden.

Freundliche Grüße
Christine Holch, Redaktion chrismon

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"Hm, ich konnte den Satz da nicht finden. Freundliche Grüße..." Eine neutrale Bemerkung, ohne " hm " wäre an sich freundlich genug, so klingt sie nur schnippisch, unpassend. Bei mir öffnet sich sofort das entsprechende Schubfach...!
Bitte, Redaktion, bemühen Sie sich um Neutralität, das hilft uns allen am meisten, für die Kommentarschreiber habe ich da schon mehr Verständnis. Es ist wichtig, Kritik konstruktiv anzugehen, statt sie abzuwehren. Danke. Unbeteiligter, aber grundsätzlich interessierter Gast.

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