Worum geht es eigentlich bei dem Streit um das Betreuungsgeld - um Parteipolitik natürlich
Tim Wegner
03.05.2012

Ein Gutes hat der Streit ums Betreuungsgeld: Er zeigt, dass die Familienpolitik ohne Systematik ist. Es geht allein um Parteipolitik. Zunächst 100, später 150 Euro im Monat sollen Eltern, die ihr unter drei Jahre altes Kind zu Hause betreuen, vom Staat erhalten. So will es die bayerische CSU. Das ist das Gegenteil dessen, was die Schwesterpartei CDU mit Krippenausbau und Elterngeld erreichen wollte: Beides sollte Eltern – besonders den Frauen – ermöglichen, schneller in den Beruf zurückzukehren. Die CDU gab sich modern. Nun soll belohnt werden, wer länger zu Hause bleibt. Ein einziger Widerspruch!

Freiheit als Grundlage der Familienpolitik

Eine gute Familienpolitik ermöglicht den Eltern die freie Entscheidung, wie sie leben wollen. Aber machen 150 Euro im Monat – 1800 Euro im Jahr - frei? Ist dieses Geld angesichts der hohen Mieten und Immobilienpreise in Ballungsräumen für Familien wirklich Anreiz genug, auf ein Einkommen zu verzichten? Die CSU kann ja mal bei den Wählern nachfragen. Die Antwort sei vorweg genommen: Wer sein Kind aus Überzeugung nicht in die Krippe geben möchte, behält es auch ohne Betreuungsgeld zu Hause. Eine respektable Entscheidung, die gut verdienende Ehepaare aber ohnehin mit dem Ehegattensplitting subventioniert bekommen, das den Staat jedes Jahr 27 Milliarden Euro kostet. Dagegen wirken die zwei Milliarden für das Betreuungsgeld wie Kleingeld.

Was wollen die Eltern?

Aber was wollen die Familien? Viele Eltern setzen schon ihr Ungeborenes auf die Wartelisten in den Krippen, weil sie beides wollen – Kind und Beruf. Hier muss eine Politik ansetzen, die Entscheidungsfreiheit ermöglichen will: Krippenplätze ausbauen, mehr Erzieherinnen und Erzieher ausbilden und endlich fair bezahlen, damit sich auch mehr Männer für diesen verantwortungsvollen Beruf entscheiden.

Humankapital? Das ist der Papa, der das Kind pflegt!

Und was ist mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Die Wirtschaftsverbände wettern gegen das Betreuungsgeld, weil sie den Fachkräftemangel fürchten. Hoffentlich haben sie nicht nur das betriebswirtschaftliche Humankapital im Sinn – sondern auch Verständnis, wenn Papa mal zu Hause beim kranken Kind bleiben, weniger Überstunden machen oder auch in Teilzeit seine Führungsposition behalten will. Ohne Zeit keine Freiheit: Erst jüngst hat ein Bericht ergeben, dass sich Väter wie Mütter nicht nur Karriere, sondern mehr Zeit mit ihren Kindern wünschen.

Es war der Familienbericht der Bundesregierung.

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Worum geht es in Ihrem Kommentar? Ist jemand dumm oder gar rassistisch, wenn er oder sie seine Kinder zu Hause betreut? Kann es sein, dass es unter dem Deckmantel der "Bildung" und "Gleichberechtigung" darum geht, Kinder den Eltern zu entziehen? Aus welchem Grund will man Millionen Euro in Kitas investieren, scheut sich aber andererseits, den Eltern ein gewisses angemessenes Einkommen zuzugestehen? Beruf und Familie lassen sich nie vollständig vereinen, irgendwo müssen sich Eltern entscheiden. Da frag ich mich nur, wie die Menschheit bisher überleben konnte.
Ich habe jedenfalls meine Bedenken, wenn sich ein Staat aller Kinder annehmen will; nein, es ist kein Wollen mehr ...

Herr Husmann fordert Entscheidungsfreiheit für Eltern. Aber dann erwähnt er nur die, die eine Krippe wollen. Die anderen haben in seinen Augen offensichtlich kein Recht auf "Entscheidungsfreiheit". Dabei gibt es viele, die nur deshalb eine Krippe wollen, weil sie erwerbstätig sein müssen, obwohl sie sich lieber um ihre Kinder kümmern würden.
Sicher schaffen 150 € keine "Entscheidungsfreiheit", aber immerhin ein bisschen mehr Spielraum. Echte Entscheidungsfreiheit hätten Eltern erst dann, wenn sie über das Geld für die Kindererziehung selbst "entscheiden" könnten.
Die "Wahlfreiheit": "Nimm 1000 € für die Krippe oder 150 € für die eigene Betreuung !" ist eine Wahlfreiheit nach dem Motto "Friß oder stirb !" Aber das ist kein Argument gegen, sondern für ein höheres Betreuungsgeld. - Es ist einfach nur schlimm, wie immer mehr Leute dem von der Wirtschaft zur Profitmaximierung erfundenen Märchen, die Krippe sei besser für die Kinder als die eigenen Eltern, aufsitzen. Das Kindeswohl und die Rechte der Eltern werden gewissenlos der Profitgier der Wirtschaft geopfert. Die auf diese Weise erzielten Gewinne werden dann im Ausland angelegt, während sie bei einer familiengerechten Sozialpolitik zur Erziehung der Kinder zur Vefügung stünden.

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Widersprüchlich finde ich nicht das Verhalten der CDU, sondern Ihren Kommentar, dessen Tendenz unverkennbar ist. Zu Hause bleiben beim Kleinkind heißt Faulenzen statt Arbeiten und darf nicht auch noch belohnt werden. Sie behaupten ganz zutreffend, eine gute Familienpolitik ermögliche die freie Entscheidung, dann meinen Sie aber, da 1.800, - Euro im Jahr dazu nicht ausreichen, sollte man besser gar nichts zahlen. Und wer sein Kind aus Überzeugung nicht in die Krippe gäbe, würde es auch ohne Betreuungsgeld zu Hause behalten. Also, kein Problem.
Eine "Respektable" Entscheidung, fügen Sie noch hinzu, was im Folgenden dann wie Ironie klingt. Gutverdienende Ehepaare würden es ohnehin mit dem Ehegattensplitting subventioniert bekommen. Glückliches Land, dass nur gut verdienende Ehepaare und ein paar Sozialhilfeempfänger hat! Wo bleibt der ganze Mittelstand, und die untere Mittelschicht. Und auch bei den Wenigerverdienenden, würde ich nicht pauschal annehmen, dass die alle glücklich wären, wenn sie ihr einjähriges Kind in der Krippe abgeben könnten. Glauben Sie vielleicht diese alle würden gut und gerne auf 1.800,- Euro im Jahr verzichten können, während andere durch den staatlich mit ca. 1.000,- Euro monatlich subventionierten Krippenplatz entlastet werden? Gut dass wiedermal die eigentliche Problematik, und zwar die Normalverdienenden betreffend, mit einem Seitenhieb auf die doch geringe Anzahl der Gutverdienenden vertuscht wird.
Immerhin drücken Sie noch die Hoffnung aus, die Wirtschaftsverbände würden bei ihrer Kampagne gegen das Betreuungsgeld nicht nur das betriebswirtschaftliche Humankapital im Sinn haben, mit Hinweis auf einen jüngst erschienenen Bericht bezüglich der Präferenzen von Vätern wie Müttern. Allerdings meinen Sie damit wohl nur eine flexiblere Gestaltung des Arbeitsverhältnisses. Das heißt, wer ein geringeres Einkommen in Kauf nimmt, um beim Kind zu bleiben, ist selber schuld. Der Staat hat dafür kein Geld, weil er diese Art der Kinderbetreuung mißbilligt.

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Sehr geehrter Herr Husmann,
ich bin gegen ein Betreuungsgeld, das nicht mehr als ein Almosen ist. In unserer Gesellschaft läuft etwas grundsätzlich schief, was die Honorierung der Kindererziehung anbelangt ("Herdprämie"). Paare, die sich für Kinder entscheiden, machen das nicht wegen des Geldes. Aber sie werden auch nicht gerne zu den Zahlmeistern der Nation. Dass mit Kindern nicht nur eine hohe finanzielle Belastung, sondern oft auch eine gesellschaftliche Stigmatisierung einhergeht, zeigt sich in der aktuellen Debatte. Mütter und Väter, die in den ersten Jahren ihre Kinder zuhause erziehen wollen, sind eben jene, die am Herd stehen und dann auch noch Geld dafür wollen.

Wieso wird in unserer Gesellschaft eigentlich nicht die Erziehung zu Hause als DAS Modell propagiert? Welche entwicklungspsychologischen Vorteile das hat (jedes Kind braucht in den ersten drei Jahren eine Bezugsperson - und das muss nicht unbedingt die Mutter sein - ich fände es aber befremdlich, wenn mein Kind eine Erzieherin als Bezugsperson auswählte), ist offensichtlich.
Weshalb werden alleinerziehende Mütter finanziell nicht so bevorzugt, dass sie sich ihrer Arbeit als Erzieherin ihrer Kinder widmen kann. Weshalb muss Mutter/Vater arbeiten, um Geld zu verdienen, das dafür eingesetzt wird, dass eine Erzieherin genau das macht, was Mutter/Vater machen würde, wenn sie zuhause blieben? Hier wird ein wirtschaftlicher Kreislauf initiiert, der letztlich absurd ist. Die Erzieherin wird für die selbe Arbeit bezahlt, für die Mutter/Vater nicht bezahlt werden. Noch absurder wird es, wenn man bedenkt, dass Kinder anfangs zwar kosten, später aber als Erwachsene diese Kosten nicht nur aufwiegen, sondern den volkswirtschaftlichen Nutzen vervielfachen (Rente, Steuern). Dafür, dass Mama und Papa Kinder in die Welt setzen, die nachher ALLEN Mitgliedern der Gesellschaft, gerade auch den Kinderlosen, nutzen, sollen sie die "Aufzucht" ihrer Kinder auch noch bezahlen. Kennen Sie einen Gärtner, der seine Möhren sät, sie dann von seinem Kollegen hegen und pflegen lässt, ihn sogar noch dafür bezahlt, um später das reife Gemüse zu verschenken? Dieses Handeln wäre unsinnig. Oder: Wäre es nicht das Einfachste, wenn jede Mutter ihre eigenen Kinder der Nachbarin zur Erziehung gäbe und dafür die Kinder der Nachbarin zur Erziehung übernähme? Natürlich bezahlen sich die Mütter für die gegenseitige Leistung. Jede Mutter hätte dann einen Job. Und der Staat hätte auch noch was davon: Steuern!

Zum Ehegattensplitting: Dabei werden gerade auch kinderlose Ehepaare steuerlich besser gestellt, bei denen ein Teil mehr verdient, als der andere. Gerechter wäre ein Familiensplitting. In Frankreich beispielsweise zahlt eine Familie mit drei Kindern gar keine Steuern mehr.

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