Michael Ondruch
Nächstenliebe spenden
Was sagen die Kirchen zur Organspende? Sie sagen Ja. Denn es gibt viele Menschen, die ein neues Herz, eine Niere dringend brauchen. Aber ein paar Fragen sind noch offen...
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
19.01.2012

Ein neues Gesetz wird Bewegung in die Transplantationsmedizin bringen: Die Spitzen der Bundestagsfraktionen und der Regierung haben im November beschlossen: Jeder erwachsene Bürger soll einmal in seinem Leben nach seiner Bereitschaft zur Organspende befragt werden. An die Stelle der Zustimmungslösung tritt die Entscheidungslösung. Die Politiker erhoffen sich, dass dadurch die Zahl der Spender deutlich steigen wird.

Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland haben im Jahr 1990 in einer gemeinsamen Erklärung eine Organspende als Zeichen von Nächstenliebe bezeichnet. Von einer Pflicht zu spenden könne aber keine Rede sein. Sie betonen vielmehr deutlich die Freiwilligkeit der Spende und heben die Würde des sterben­den und des toten Menschen hervor.

Wie Organspende und Auferstehungshoffnung zusammenhängen

Die Kirchen haben einiges mehr zum Thema zu sagen als: Es muss mehr gespendet werden, und wir räumen für die Me­dizin ethische und religiöse Bedenken zur Seite. Manche religiösen Vorbehalte haben sich ohnedies inzwischen selbst erledigt. So pochte 1930 die katholische Kirche in ihrem Papier „Casti Connubii“ noch auf die Unversehrtheit des menschlichen Körpers und lehnte sogar Amputationen ab – außer in akuter Lebensgefahr. Sie stellte sie auf eine Stufe mit Selbstverstümmelungen. Dass die Kleriker so dachten, hing mit ­ihrer Sicht auf Tod und ewiges Leben zusammen: Für die leibliche Auferstehung der Toten sei ein unvollständiger Körper weniger gewappnet als ein vollständiger.

Aus diesem Grund war lange Zeit auch eine Feuerbestattung für katholische Christen undiskutabel. Und ein weiteres Argument spielte dabei eine Rolle: Gott ist Herr über Leben und Tod, er allein hat Verfügungsgewalt über den Menschen – in diesem Fall bis in die Unversehrtheit des toten Körpers hinein. Dieser Gedanke begegnet einem bis heute bei den Themen Abtreibung oder Pränataldiagnostik, kaum noch aber beim Thema Transplantation.

"Ethik der Interessen" kontra "Ethik der Würde"

Die kritischen Nachfragen der beiden Konfessionen haben heute viel mehr mit ethischen Grundsatzproblemen zu tun. So dürfen sie durchaus ein Warnsignal auf­ziehen, wenn Transplantationsbefürworter den Eindruck vermitteln: Die Zustimmung zur Spende gehe nur die unmittelbar be­teiligten Personen etwas an, also Spender, Empfänger, Ärzte. Richtig ist: Es gibt Prinzipien, die den Interessen der beteiligten Personen übergeordnet sind, nämlich die Würde und die Freiheit des Menschen. Da stehen in der Debatte oft eine „Ethik der Interessen“ und eine „Ethik der Würde“ einander gegenüber (Wolfgang Huber).

Der Blick auf Würde, Freiheit und In­tegrität des Menschen wirft Fragen über Fragen auf. Zum Beispiel nach dem christlichen Menschenbild. Für Christen ist die menschliche Person mehr als der- und diejenige, die die Welt um sich herum wahrnehmen und eigenständig agieren können. Ist etwa nur ein bewusstes Leben menschliches Leben?
Es fragt sich auch: Welche Bedeutung hat der Hirntod? Ist er der Tod schlechthin oder nur eine Stufe des Sterbens? Das Herz eines Hirntoten kann eventuell weiterschlagen, der Stoffwechsel weiterfunk­tionieren. Vielleicht gibt es sogar noch ein Schmerzempfinden. Manche evangelische Ethiker und Theologen sagen: Mit dem Hirntod ist das Leben nicht zu Ende, sondern es geht zu Ende. Eine intensivmedi­zinische Behandlung könnte deshalb ein fragwürdiger Eingriff ins Sterben sein, da es das Sterben verlängert. Es gab Fälle, in denen Hirntote „am Leben“ gehalten wurden, zum Beispiel bei einer Frau, die ihr Kind austragen sollte, was dann doch nicht gelang.

Nur der Spender selbst darf die Zustimmung geben

Zur Freiheit des Menschen gehört nach evangelischer Auffassung, dass nur der Ster­bende die Zustimmung zur Organspende geben darf. Angehörige dürfen sie nicht anstelle des betroffenen Spenders treffen. Sie dürfen den Ärzten allenfalls mitteilen, ob der Sterbende die Spende ausdrücklich gewollt hat. Weitherzige Interpretationen sind ethisch problematisch.

Es ist gut, nein: es ist notwendig, dass sich mehr Menschen zur Organspende bereiterklären. Das sagen auch die Kirchen. Es ist dann gut, wenn die Spender es aus freien Stücken tun.

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Wenn nur der Sterbende seine Zustimmung zur Organspende nach evangelischer Auffassung geben kann, wann kann er dies tun?
Erst im Sterbezustand oder jederzeit vorher mündlich - wem gegenüber oder schriftlich?

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zum Artikel "Was sagen die Kirchen zur Organspende?" gibt es einiges zu sagen.

(1) Die evangelische und die katholische Kirche......Sie betonen....... und heben die Würde des sterben­den und des toten Menschen hervor.

Nicht nur durch die Explantation sondern auch bereits durch die Hirntod-Diagnose wird die Menschenwürde mit Füßen getreten. Als Beweis für diese Behauptung dient mir z.B. der Vortrag von Roberto Rotondo "Die Untoten - Life Science & Pulp Fiction - WIE TOT IST HIRNTOT?" mit einem schockierenden Filmausschnitt am Beginn.

(2) Es muss mehr gespendet werden, und....

Es muss vor allem vollständig und umfassend über Hirntod und Explantation aufgeklärt werden, damit jeder Mensch sich frei entscheiden kann. Die moralische Keule - der Ruf nach mehr Organspenden - ist in diesem Fall völlig daneben. Sie übersehen dabei, dass im Falle der Hirntod-Organ"spende" der "Spender" bei bzw. durch die Organentnahme getötet wird. Ich weise in diesem Zusammenhang auf mein Schreiben vom 5.12.2011 an Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Anhang!) hin.

(3) Welche Bedeutung hat der Hirntod? Ist er....

Der "Hirntod" ist das Fundament des auf ihm ruhenden Zweiges der allogenen Transplantation beim Menschen.
"Moderne wissenschaftliche Erkenntnisse haben das einstmalige ‚Hirntodkonzept‘ längst überholt. Dies geben international auch immer mehr Ärzte und Politiker zu. Man weiß heute: Der ‚Hirntod‘ ist nicht der Tod des ganzen Menschen. Es gibt daher keine ‚post-mortale‘ Organspende, denn diese Patienten leben noch…." Dies ist ein Zitat aus: "Ärztliche Ad-hoc-Gruppe Hirntod - Blog von Winfried Schley".

(4) Es gab Fälle, in.....zum Beispiel bei einer Frau, die ihr Kind austragen sollte, was dann doch nicht gelang.

Das ist nur die halbe Wahrheit, denn es gibt auch Fälle, wo es gelang.
"Meyer: Herr Bavastro, Sie haben als Chefarzt in Stuttgart eine hirntote Patientin behandelt, die schwanger war. Sie haben diese Schwangerschaft über 84 Tage hinweg aufrecht erhalten, sodass das Kind dieser Patientin per Kaiserschnitt entbunden werden konnte. Wie hat denn diese Erfahrung mit dieser hirntoten Patientin Ihre Auffassung vom Hirntod verändert?" Dies ist ein Zitat aus: " Kardiologe: Begriff Hirntod ist eine "arglistige Täuschung ....", einem Interview im Deutschlandradio.

(5) Es ist gut, nein:....Das sagen auch die Kirchen....

"- gerade kirchliche Kreise sollen sich nicht beteiligen an der derzeitigen Meinungsmache pro Organtransplantation. -Die „Gemeinsame Erklärung der Kirchen zur Organspende“ von 1990 ist zu aktualisieren." Das ist ein Zitat aus: Pressemeldung + Offener Brief * 10-1-2012, gw der AGH – Ärztliche Ad-hoc-Gruppe Hirntod , Ärzteinitiative für Lebensrecht und Menschenwürde in der Transplantationsmedizin (siehe Anhang).

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Ich verstehe nicht, dass die großen Kirchen auch zur Organspende aufrufen. Dies ist m. E. ein Zugeständnis an  Politik,   Medizin- und  Pharmainteressen.

Zunächst die faktische Seite:
Für mich ist der Tod erst abgeschlossen, wenn das ganze "System" Mensch gestorben ist, also alle Millionen Zellen des Körpers. Es verlangt die Menschenwürde, den Sterbevorgang zu respektieren und nicht die Menschen in diesem Fragenkomplex zu verunsichern.
Eine verantwortungsvolle Aufklärung statt einer allgemeinen Werbung zur Organspende ist erforderlich. Daß man im Einzelfall gerne helfen möchte, darf m. E. die grundsätzliche Betrachtung nicht behindern.-
Als Christ bin ich der Meinung, daß der Medizin vom Schöpfer Grenzen gesetzt sind.  Organtransplantationen und Eingriffe in die Gen-Strukturen sind daher zu unterlassen. Wir müssen akzeptieren, dass die Lebenschancen in dieser Welt ungleich verteilt sind und wir mit unseren Anstrengungen dies nur teilweise ausgleichen können und dürfen.


9. Februar 2012

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