Dirk von Nayhauß
Nur Disziplin macht auch keinen Spaß
Streng sein will Thomas de Maizière mit sich selbst. Wer das nicht tut, der verlottert. Aber nur Disziplin macht auch keinen Spaß
Dirk von Nayhauß
15.12.2011

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich etwas abweichend von der Routine erlebe, vielleicht ein intensives Gespräch, beruflich oder privat. Besonders lebendig fühle ich mich nach einer starken körperlichen Belas­tung. Ab und zu gehe ich in ein Fitnessstudio oder fahre Fahrrad. Oft komme ich allerdings nicht dazu, in der Politik verbringt man so viel Zeit, oft sinnlos. Deswegen liebe ich in Michael Endes Buch „Momo“ das Bild von den grauen Herren, die den Menschen ihre Zeit rauben. Diese grauen Herren sind meine täglichen Begleiter.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Das Fragen. Wir Erwachsenen fragen politisch korrekt und verdrechselt. Kinder fragen direkt und ohne Scheu: „Was tust du eigentlich den ganzen Tag?“, „Was ist gut und böse?“, „Warum gibt es Krieg?“ Das sind geniale Fragen. Kinder sagen auch: „Das habe ich nicht verstanden.“ Das trauen sich Erwachsene nicht, ich traue mich das oft. Selbst wenn mich mein Gesprächspartner zuerst für blöd hält, ist es dann meistens für den anderen peinlicher als für mich. Kinder stellen indiskrete Fragen, kürzlich wollte eine Neunjährige von mir wissen: „Welche Geheimnisse teilen Sie mit Angela Merkel?“ Nun ist ein Geheimnis nur dann ein Geheimnis, wenn es nicht ausgeplaudert wird, aber ich habe gesagt: Es gibt zwischen Frau Merkel und mir eine Art, über Dritte zu reden, wo wir uns zu 100 Prozent sicher sind, dass das zwischen uns bleibt. Und nur dann kann man über Dritte reden.

An welchen Gott glauben Sie?

An den dreieinigen, wobei mir Jesus Christus mit seiner Doppelnatur am nächsten steht. Das ist ja der Sinn der Dreieinigkeit: Dieser konkrete Jesus Christus, der zu uns gekommen ist, um den neuen Bund des Lebens mit der Menschheit zu schließen. Ich bete regelmäßig. Das hilft mir, meine Verantwortung zu tragen und zu teilen. Wobei es nicht so ist, als ob andere Menschen keine Verantwortung hätten, die eines Busfahrers, einer Krankenschwes­ter oder eines Lehrers wiegt nicht geringer als die meine.

 

Hat das Leben einen Sinn?

Oh ja, den Auftrag, die Freiheit umzusetzen. Es ist das Großartigste an Religion, dass die Freiheit den Menschen nicht nur theo­retisch-philosophisch gegeben ist, sondern dass es christlicher Auftrag ist, diese Freiheit verantwortlich wahrzunehmen. Die Folgen des eigenen Handelns können schrecklich sein, man kann sich falsch entscheiden, aber das darf man nicht der Freiheit anlasten. Sie ist bedrohend, und zugleich ist sie eine große Gabe, die den Sinn des Lebens so richtig prall macht.

Muss man den Tod fürchten?

Es ist ein Unterschied, ob jemand mit 35 Jahren halb zerfetzt wird und furchtbar qualvoll stirbt oder mit 90 Jahren friedlich zu Hause. Wenn alte Menschen sterben, ist das traurig, vor allem wenn es die eigenen Eltern sind. Aber es ist auch etwas Wunderbares, nach einem erfüllten Leben zu Hause einen guten Abschied zu finden. Als Christ sage ich: Man muss den Tod nicht fürchten, es gibt die Zusage der Auferstehung, die auch in schwierigen Situationen tröstet. Wir müssen wissen, dass unser Leben einen Beginn und ein Ende hat. Im Brahms-Requiem gibt es diese wunderbaren Zeilen: „Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss.“ Es ist sogar so, dass ich mich im Angesicht des Todes manchmal besonders lebendig fühle. Der Umgang mit Beerdigung und Trauer macht denjenigen, der lebt, besonders lebendig. Und angesichts des Todes entsteht Nähe zwischen denen, die leben. Förmliche Grenzen, die es sonst gibt, sind plötzlich nicht mehr so wichtig.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Einen großen Lebenstraum habe ich nicht, aber ich hätte gern mehr Zeit, privat zu reisen. Wer einmal im Jemen war, schwärmt von dem Land, es sei eines der schönsten der Welt. Auf absehbare Zeit halte ich allerdings eine Reise dorthin für ausgeschlossen, selbst wenn ich morgen nicht mehr Verteidigungsminister wäre.

Wie wäre ein Leben ohne Disziplin?

Ich werde ja immer als Disziplinmensch beschrieben, aber das ist nur eine Seite von mir, so zeige ich mich öffentlich. Natürlich versuche ich, streng mit mir zu sein. Wer nicht streng ist mit sich selbst, verlottert und macht zu viele Fehler. Auf der anderen Seite: Ein Leben nur mit Disziplin, das wäre schrecklich! Das bestünde nur aus Haltung, man würde sich immer zusammenreißen und nie etwas machen, das Spaß macht.

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen für die Veröffentlichung dieses Interviews. Es macht mir Mut und gibt mir Zuversicht, dass in Berlin mit dem Bundesminister der Verteidigung Thomas de Maizière ein aufrichtiger und authentischer Christ im Kabinett arbeitet und seinen Auftrag konsequent und mit großem Fleiß umsetzt. Herr Dr. de Maizière ist für mich insbesondere deshalb ein Vorbild, weil er selbst wichtige persönliche Interessen um seines Auftrages willen hintan stellt und die für einen Volksvertreter notwendige Bodenhaftung im Glauben und in seiner Lebensumwelt nie verloren hat. Ich durfte Ihren Gesprächspartner im Rahmen seiner leider viel zu kurzen Tätigkeit als Innenminister in Sachsen auch einmal kurz persönlich kennen und schätzen lernen und kann den in Ihrem in den Fragen klug formulierten Interview deutlich werdenden Duktus eines vorbildlichen Protestanten nur unterstreichen. Glückwunsch zu diesem Interview und Glückwunsch zu einem solch aufrichtigen und christlich bekennenden Bundesminister.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Prof. Dr. Dieter Müller aus Bautzen
Bundesvorsitzender der Christlichen Polizeivereinigung (CPV)

Da kann man wirklich nur gratulieren, zu dem inhaltlich tollen Interview
mit unserem Verteidigungsminister und dem ebenso treffenden Kommentar von Herrn Prof. Dieter Müller. Menschen mit dieser Gesinnung braucht unser Land. Danke und Gottes Segen für die Redaktion dieses erfrischenden Magazins.

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Ich bewundere und würdige die Selbstdisziplin unseres Verteidigungsministers de Maizière.
Aber geht seine Selbstdisziplin auch so weit, daß er gravierende, ihm vorgehaltene,  Fehler aushalten könnte?
Nach meinen 73-jährigen Erfahrunen schafft das kein einziger Mensch.
Eher, und für ihn leichter, bricht er die menschliche Beziehung als Gescholtener zu mir als Fehlervorhalter ab; denn er fühlt sich beleidigt und will seinen Fehler behalten und nicht ausbügeln, weil ihm dies zu anstrengend ist.
Die Folgen einer solchen unausrottbaren Todsünde der Menschheit, Fehler nicht aushalten zu können, sind geistiger Stillstand und nur ganz wenig Fortschritt.

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