Dirk von Nayhauß
Ein Haus in der Südsee
Die RBB-Intendantin muss den ganzen Tag senden. Und wie schaltet sie auf Empfang?
Dirk von Nayhauß
02.09.2011

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich mich bewege. Kommt gutes Wetter hinzu, vielleicht im Frühling oder im Herbst, und eine Landschaft, in die ich gern schaue, fühle ich mich im Einklang mit der Natur und der Welt, die mich umgibt. Dann habe ich oft dieses Gefühl, es könnte alles möglich sein. Ich gehe jeden Tag um 6.20 Uhr für 20 Minuten joggen. Ich bin sehr vielen Reizen ausgesetzt. Ich muss sehr viel sehen, lesen, hören und kommunizieren, und diese gesamte Stille beim Joggen, die ist sehr erfreulich. Ich muss oft senden, und beim Joggen schalte ich um auf Empfang. Wenn dann ein kleiner Vogel flötet, fühle ich mich sehr lebendig.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Sehr viel. Zum Beispiel keine Vorurteile zu haben; Menschen, Dinge, Ereignisse so zu nehmen, wie sie sind. Keinen Subtext zu denken. Unmittelbar und offen – bis schmerzhaft offen – zu sein. Das sollte man allerdings nicht unbedingt übernehmen, denn zum Erwachsensein gehört das Einhalten bestimmter Konventionen. Als Erwachsener muss man sich auch in Diplomatie üben.

An welchen Gott glauben Sie?

An den Gott, der die Menschen mit dem, was sie anrichten, nicht alleinlässt. In existenziellen Situationen meines Lebens habe ich erkannt, dass er in der Nähe ist. Wenn Menschen schwer krank waren. Und als sich ein Freund umgebracht hat. Das hat damals eine tiefe Verzweiflung in mir ausgelöst, ich hatte den Eindruck, ins Bodenlose zu fallen. Ich habe Gott vorgeworfen, dass er sich abgewendet und das zugelassen hat. Ich habe damals gehadert, ich habe mir eine Auszeit von ihm genommen. Irgendwann jedoch kam Gott wieder ins Spiel. Wie, das weiß ich nicht, man kann ja nicht alles erklären. Er kam wieder ins Spiel. Und ich habe gelernt, meinen Frieden zu machen. Niemand konnte diesen Freund halten, aber ich habe die Zuversicht wiedergewonnen, dass doch einer da ist, der ihn hält. Ich habe Gott in Haftung genommen, ich habe gesagt: „Du musst dich jetzt um ihn kümmern. Ich kann es nicht mehr, er hat sich davongemacht.“ Ich glaube, dass Gott das tut. Ich würde es ihm auch raten.

Hat das Leben einen Sinn?

Wenn man das Leben für sinnlos hielte, würde man sicher versuchen, sich davon zu trennen. Der Sinn des Lebens besteht darin, in der Zeit, die uns gegeben ist, zusammen mit anderen Menschen etwas Gutes hinzukriegen. Was gut war und ist, das sind meine Söhne Fabian und Benjamin, mein Mann Rudi, mehr kann ich über mich nicht sagen.

Muss man den Tod fürchten?

Das Sterben fürchten die meisten Menschen, und das verstehe ich. Mein Gefühl aber sagt mir: Das kann nicht alles gewesen sein. Und der Tod hat ja auch kuriose Seiten, ich sammle be­sondere Todesanzeigen: sprachliche Vexierbilder, inhaltliche Entgleisungen. Ein Schornsteinfeger aus Rosenheim: „Er kehrt nie wieder“ – das ist doch wunderbar! Oder: links die Anzeige der Familie, rechts die der Geliebten – habe ich ganz viele, wunderbar. Es dürften insgesamt 500, 600 Todesanzeigen sein, geordnet nach 61 Rubriken. Die erste, die ich mir aufgehoben habe, ist besonders schön: „Mein Schwiegervater, die Personifizierung geistigen Hochmutes und menschlichen Versagens, starb am 8. März 1980 im 91. Lebensjahr.“ Bei mir soll es einmal ganz knapp ausfallen: Namen, Daten, Fakten – das reicht. Willy Brandt hat gesagt, es möge da stehen: „Man hat sich bemüht.“ Das gefällt mir sehr.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ich möchte in der Südsee in einem Glasboden-Bungalow auf dem Bauch liegen und den Fischen zugucken. Aber mein Mann will nicht. Erstens, sagt er, sei die Südsee abgelegen. Und zweitens: „Stell dir vor, du mietest dir für diese Nacht den Glasboden-­Bungalow für schätzungsweise 1000 Dollar, und dann ist gerade Sturm, und du guckst in eine mausgraue Brühe und siehst keinen einzigen Schleierschwanz. Was machst du dann?“ Dennoch, das ist mein Traum.

Wie gehen Sie mit Selbstzweifeln um?

Die gehören zum täglichen Leben, ich bin ja kein Mann. Mir begegnen Selbstzweifel erheblich häufiger bei Frauen. Habe ich mal einen Job zu vergeben und ich frage einen Mann, sagt der: „Sehr gern, wann soll ich anfangen?“ Frage ich eine Frau, sagt sie: „Wie kommen Sie denn gerade auf mich?“ Männer trauen sich mehr zu als Frauen.

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Sehr geehrter Herr Brummer,

mit dem letzten Heft (08/2011) war ich absolut unzufrieden, was ich in einem E-Brief an Sie zum Ausdruck gebracht habe.  Das aktuelle Heft dagegen ist eine wahre Freude, vielleicht Ihr Bestes überhaupt.  Herausheben möchte ich Ihren Beitrag sowie den von Bischof Ring, die "Fragen an das Leben" bzw. die Antworten von Frau Reim (was für ein Gegensatz zu Friedmann, und übrigens vielen Anderen), und selbst Frau Käßmann reizt mich diesmal nicht zum Widerspruch.  Darf ich mir noch viele solche Hefte wünschen?

Mit guten Grüßen
Joachim H. Schlüter

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