Olaf Tiedje
Aus dem Sohn wird eine Tochter
Maria Helbert* (74) hält zu ihrem Kind, auch wenn es nun nicht mehr Richard heißt, sondern Regina. Und zwar gegen alle Widerstände in der Familie und im Dorf
11.07.2011

Ich habe schon lang gemerkt, dass die Regina*, also damals der Richard*, unglücklich war. Er wohnte ja mit seiner Frau und den Kindern direkt neben mir im Haus. Abends wurde es oft laut drüben. Aber ich traute mich nicht zu fragen, was los ist. Sonst haben sich die beiden nichts anmerken lassen. Die mochten sich, mögen sich immer noch. Früher haben wir viel zusammen unternommen. Einmal in der Woche sind wir zu viert mit meinem Mann zum Kirchenchor gefahren.

Dann kam der Brief, sie hat ihn an alle gleichzeitig verschickt, an Nachbarn, Kollegen, die Familie. Da stand drin, dass sie schon seit ihrer Kindheit wusste, dass etwas nicht stimmt, aber es selbst nicht begreifen konnte. Und dass sie sich „nach langem Heulen und Grübeln“ entschlossen habe, als Frau zu leben. „Ab sofort bin ich die Regina.“

Mein erster Gedanke war: Ich bin schuld

Ich verstand nichts. Ich hatte mich nie mit so was beschäftigt. Mit meinem Mann konnte ich nicht reden, er war damals schon dement. Vielleicht war das gut so. Ich glaube, er hätte das nicht geschafft. Am Anfang habe ich viel mit meiner Schwiegertochter gesprochen und geweint. Sie hat die Regina in Schutz genommen. Sie wusste als Einzige, wie viele Jahre sie gelitten hat. Die Ehe ist trotzdem zerbrochen, das tut mir sehr leid.

Mein erster Gedanke war: Ich bin schuld. Ich hatte mir immer eine Tochter gewünscht. Doch ich bekam vier Buben, der vierte war der Richard. Die Regina hat mich beruhigt: „Nein, Mama, das hat nichts mit dir zu tun!“ Und der Psychologe von der Diakonie hat mir erklärt: „Das nennt man Transsexualität, das ist eine Veranlagung, und das kommt öfter vor.“

Warum habe ich das nicht vorher bemerkt?

Anfangs haderte ich sehr. Warum habe ich das nicht vorher bemerkt? Die Regina war zwar schon ein wenig anders als ihre Brüder, sie war immer empfindlich, hat viel geweint, aber ich wäre nie darauf gekommen, dass sie so unter ihrem Körper leidet. Heute denke ich, vielleicht hat Gott gedacht, wer soll das schaffen, wenn nicht unsere Familie? Ich habe vier leibliche Kinder großgezogen und drei angenommene. Geliebt habe ich sie alle. Schon als Pflegemutter musste ich lernen: Jeder Mensch ist anders, und man muss ihn so annehmen, wie er ist.

Natürlich war der Übergang nicht leicht. Anfangs sah Regina noch aus wie ein Mann in Frauenkleidern. Jetzt schminkt sie sich dezenter, das sieht viel natürlicher aus. Als sie dann nach der Geschlechtsangleichung aus dem Krankenhaus heimkam, schluckte ich erst mal. Jetzt ist sie wirklich kein Mann mehr. Aber das Wichtigste ist, dass sie sich wohlfühlt. Und sie hat jetzt so was Strahlendes! Früher war sie oft gereizt, jetzt ist sie ausgeglichener, weicher. Sie umarmt mich sogar, ganz von sich aus.

Enttäuscht von der Kirchengemeinde

Für mich war klar, dass ich mich auf die Seite meines Kindes stelle. Meine Buben haben das erst nicht verstanden. Die sagten: Das kann er doch nicht machen, der muss doch an die Kinder denken und an seine Frau! Aber es ging ja auch um die Regina. Keiner hat gefragt, wie es ihr geht. Ich lese jetzt viel darüber. Früher haben sich viele das Leben genommen, weil sie sich nicht getraut haben, sich zu outen.

Am meisten enttäuscht haben mich einige Menschen aus der Kirchengemeinde. Da hieß es: „Wenn man das gewollt hätte, dann hätte man sich wieder umpolen können.“ Kurz, die Regina ist schuld an allem. Und dann hatten wir einen pensionierten Pfarrer in der Gemeinde, der hat sie bearbeitet, dass es da Selbsthilfegruppen gibt, die ihr helfen, wieder ein Mann sein zu wollen. Ich denke, das ist auch die Meinung im Dorf. Alle Freunde halten zu meiner Schwiegertochter. Niemand lädt die Regina mehr ein. Mir tut das sehr leid. Die Regina ist ein wertvoller Mensch. Sie hat viel verloren. Aber sie hat auch was gewonnen. Denn ihre Identität, ihr Menschsein, das ist doch sehr wichtig.

Langsam gewöhnen wir uns alle daran, auch ihre Brüder, die gehen jetzt wieder mit ihr wandern. Nur mit dem „sie“ vertue ich mich manchmal immer noch. Neulich habe ich sie angerufen, als ihre Tochter ein Kind bekommen hat, und gesagt: Glückwunsch, Opa! Wir haben beide darüber gelacht.

Protokoll: Ariane Heimbach

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Beeindruckend, wie Maria H..... in der Kürze ihre Empfindungen unaufgeregt und deshalb so eindringlich beschreibt! Sie ist die wahre Christin in ihrer Gemeinde! Ich selbst bin Transvestit - getragen von der Familie - und habe Dank der Hilfe einer Freundin der Familie erst mit 54 Jahren Barbara zum Leben erwecken können, bzw. den Mut dazu gehabt. Wie Regina, die Schwiegertochter und Maria gelitten haben, kann ich trotzdem nur annähernd nachempfinden. Meine Hochachtung vor Maria und ihrer Familie, die bereit sind Regina anzunehmen - und besonders vor der Schwiegertochter, die letztendlich am meisten verloren hat, weil sie zu Regina gestanden ist. Ein Danke an chrismon für diese Themenwahl. Es ist und wird noch weiterhin notwendig bleiben, über Transsexuelle und Transvestiten zu sprechen, denn beide Gruppen, wobei der Übergang fließend ist, sind noch lange nicht in unserer Gesellschaft akzeptiert. Eine nachdenkliche und beeindruckte Barbara (Hans-Jürgen Laufer, Hattingen/Ruhr) grüßt Sie alle herzlich!
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Es erschreckt mich ein wenig, dass auch auf evanglischer Seite der Respekt vor Gottes Schöpfung manchen Menschen fehlt. Als gläubige, evangelische Christin glaube ich, dass Gott mich mit gutem Grund, so wie ich bin, als transidente Frau (männliche Genitalien, weibliches Gehirn) geschaffen hat. So wie andere zwischengeschlechtliche Menschen, die auch geboren werden und wenn sie viel Glück haben, auch in Deutschland unverstümmelt aufwachsen dürfen, sind wir alle Teil der Schöpfung! Echte, gläubige Christen sollten damit kein Problem haben. Zum Glück erfahren wir in vielen evangelischen Gemeinden Verständnis und Unterstützung.
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Ich kann Ihnen leider meinen wahren Namen nicht sagen. Im "Transtreff Forum" heiße ich Zonja. Zufällig bin ich auf Ihren Artikel gestoßen. Meine Hochachtung für Regina, ihre Mutter und – vor allen Dingen – für ihre Schwiegertochter. Und ein Dank an die Redaktion für die Bereitschaft, über diese Thematik zu schreiben. Selber ein Transgender bin ich sehr betroffen. Auch beruflich bedingt wage ich es erst seit 3 Jahren (als Ü60er) mir meine innere Frau einzugestehen. Die Jahrzehnte vorher habe ich privat gelebt wie ein geprügelter Hund: Voller Komplexe, völlig verängstigt und absolut sicher, als Transgender allein in der Welt zu stehen. Ich brauchte dafür und hatte dafür zum Glück immer genügend Kraft und Energie; aber sie wurde letztlich doch sehr knapp. Nur durch einen glücklichen Zufall erfuhr ich dann per Internet, dass es mit mir Hunderttausende Männer in allen Ländern und Kulturkreisen gibt, die - zumindest seelisch/gefühlsmäßig - zwischen den Geschlechtern stehen. Diese Sach-Informationen haben mich so selbstbewusst gemacht, dass ich mich vor zwei Monaten - nach …zig Ehejahren - meiner Frau offenbart habe. Ich musste es tun, denn sonst wäre ich gesundheitlich zusammengebrochen. Mit wer weiß was für Folgen. Jetzt nach dem Outing im allerkleinsten Kreis bin ich jedoch befreit, lebe allmählich wieder auf und entdecke meine ehemals beruflichen Naturwissenschaften im Rentenalter wieder als Hobby. Wir TG sind von unserem Gott so geschaffen worden, wie wir sind. Unsere Eigenheit ist so gut oder so schlecht wie bei anderen Nitmenschen ein Down-Syndrom, eine geistige Behinderung, eine Über-Intelligenz, eine zu große Nase oder eine völlige Unmusikalität: Kein Betroffener würde wegen einer solchen persönlichen Erschaffenheit von der Gesellschaft geächtet. Ein Transgender aber schon. Vornehmlich aus den Reihen der Christen und den Vertretern ihrer Amtskirchen. Als überzeugter Christ stört mich das ganz gewaltig bis hin zum Zorn. So, wie die oben erwähnten „Gruppen“, sind auch wir nicht krank im klassisch-medizinischen Sinn, - also nicht behandelbar und damit auch nicht "heilbar". Jeder informierter Mediziner, Psychologe etc. weiß das inzwischen. Nur der allergrößte Teil der sogenannten modernen, informierten Gesellschaft – selbstverliebt in seine eigene „Normalität“ und physische Gesundheit - kultiviert förmlich seine Uninformiertheit und Voreingenommenheit in dieser Sache. Von daher also ein ganz herzliches Dankeschön für jeden - also auch für Ihren - öffentlichen Beitrag, der die Informationsdefizite zum aktuellen Thema mindert. Jeder Beitrag kann im wahrsten Sinne des Wortes Menschenleben retten. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz ist jedes Outing von TG nämlich meist gleichbedeutend mit der Zerstörung der eigenen Lebensgrundlagen. Aber auch innerhalb der Reichen und Berühmten outet mann/frau sich vielfach erst auf Grund eines überraschenden Suizids. Beim Kleinen Mann – für die Presse eher nicht interessant - wird daraus meistens ein Akt von „Depression“ oder „Schwermut“ oder „unglücklicher Liebesbeziehung“ gemacht. also ein für die Hinterbliebenen „sauberer“ Tod. Letztere schweigen. Aus Scham. Zonja
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Es gab sie schon fiel, solcher vokalen Entgleisungen, aber in der „chrismon“? Die chrismon hat in der letzten Ausgabe einen Artikel über einen transsexuellen Menschen publiziert und es geschafft, schon in der Überschrift, die Würde von Menschen zu verletzen. Der Artikel ist im Ganzen respektvoll, ABER schon der Titel missfällt sehr. „Aus dem Sohn wird eine Tochter.“ Und weiter im Text: „Ich habe schon lang gemerkt, dass die Regina*, also damals der Richard*, unglücklich war. Er wohnte ...“ Dieses Vokabular empfindet manche_r Betroffene_r als eine Kerbe, in die es nicht nötig ist, hineinzuschlagen. Es ist schon so eine Sache mit der Akzeptanz von Geschlechtervielfalt? Es ist erschreckend, dass ich im Jahr 2011 einer deutschen Zeitschrift erklären muss, dass; “Aus dem Sohn wird eine Tochter“, was wohl impliziert (soll): „Wurde als Mann geboren“, ein Sammel- und Anprangerbegriffe der Gesellschaft, ja Schimpfworte ist, mit denen man gerade als Zeitschrift niemanden beschreibt. Dabei ist es doch wohl so; dass es noch am ehesten ein Licht (eine Sicht) auf den Vokabelbenutzer wirft. Es mag oberflächlich betrachtet erscheinen, als ginge es in Ihrem Bericht, um die echte Akzeptanz transsexueller Menschen, entpuppt sich aber bei näherer Betrachtung als transphober Wolf im Schafspelz. Die Autorin erzählen die außergewöhnliche Geschichte von Regina, die als Junge geboren wurde und dank Östrogenen und Operationen zur Frau wurde. „Sie wurde zur Frau.“ - „Frau wurde zur Frau.“ Der Denkfehler fußt auf der irrigen Meinung; dass transsexuelle Menschen ihr „Geschlecht ändern“. Ein Frage habe ich: „Warum darf eigentlich Transphobie immer als etwas Positives dargestellt werden?“ Ich möchte einmal kurz erklären, warum ich Vokabular im Artikel für transphob und ihrer Autorin als ziemlich "hintenrum" erachte und zeige, dass transsexuelle Menschen offiziell immer noch diskriminiert werden dürfen und das, dass Geschlecht eines transsexuellen Menschen für "widernatürlich" erklärt wird. „Gott macht (ja) keine Fehler!“ Da fragt sich; wer den (DENK)FEHLER begeht ... und transsexuelle Menschen als wider-natürlich erachtet? Jährlich werden weltweit etwa 130 Trans*menschen Opfer von sogenannten Hate-Crimes. Sie werden ermordet, weil es Menschen gibt, die der Auffassung sind, dass Transsexualität selbst gewollt ist, minderwertiges psychisch gestörtes Leben darstellt, die fielen Diskriminierungen, Beleidigungen und Körperverletzungen bleiben dabei Ungezählten und un-beachtet, selbst unter dem Mantel der Kirche. In den Abgründen vieler Köpfe, auch evangelischer Pastoren (ich weis es heißt Pfarrer), allesamt; studierte, hochgebildete Theo-logen, möchte ich erst garnicht anfangen zu wühlen. Transsexuellen werden einsam geboren, wachsen in Einsamkeit auf, zumeist ist es so; sobald sie sich zu ihrer Identität bekennen, werden sie vom Kindergarten an offen ausgeschlossen, die ersten ausschließen, sind alledrdings oft die eigenen Eltern und Familienangehörigen, gefolgt von Pastoren, Presbytern, Ärzten und Psychologen. Solange Zeitschriften, sogar die Chrismon, Respekt und Anstand missen lassen und transsexuelle Menschen (Frauen) despektierlich „Betiteln“, legitimieren sie genau solches Tun. Über DIE darf man sich ja lustig machen. Transsexuelle und Intersexuelle haben sich ihre „Wesensart“ nicht ausgesucht, es ist nämlich wissenschaftlich bewiesen; eine angeborene „Fehlbildung“ und Transsexuelle gehen einen beschwerlichen Weg in einer Gesellschaft, die sie ausgrenzt, verspottet, verprügelt oder im schlimmsten Fall tötet. Trans-Inter-Menschen gehen diesen Weg nicht aus Spaß sondern folgen einem unvorstellbaren Leidensdruck. CRISMON ist wie alle anderen Medien –Meinungsmacher-- dass muss ich Journalisten ja hoffentlich nicht extra erklären, seien Sie bitte in Zukunft nicht Nährboden für weitere Miss-verständnisse, Misstrauen, Ausgrenzung, Ignoranz, Hass und Gewalt. Redaktionelle Ignoranz SORGFALT: Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. (Deutscher Pressekodex – Ziffer 2) Journalisten sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gebildete Leute, die gründliches Recherchieren gelernt haben MÜSSEN. Deswegen muss man davon ausgehen, dass in der CRISMON-Redaktion wenig Respekt vor transsexuellen Menschen herrscht, oder ist es eher so, dass man auf Kosten von Randgruppen gern mal “leserwillige Artikel” schreibt, egal wie sehr man Betroffenen verletzt? Gibt es auch Zensur in CISMON? -Wenn nein- dann würde es mich sehr freuen, wenn Sie Stellung nehmen könnten und noch viel mehr würde es mich freuen, wenn Sie mir Grund zur Hoffnung geben könnten, dass so entwürdigende Sätze in Zukunft nicht mehr bei Ihnen zu lesen sind. Sie schreiben so schön in Ihrer „Selbstdarstellung: „Chrismon ist das Biblischste, was der deutsche Protestantismus zu bieten hat: Wie das dicke Buch erzählen wir authentische Geschichten. Ohne missionarisch zu sein ...“ ... AHA ... ... wie war das noch; Gott schreibt keine Fehler in sein (dickes) Buch! ... die Frage bleibt; ... wie viele Interpretationsfehler seiner Decksbesatzung unterlaufen?. Liebe Grüße Alexandra Galle

Guten Tag, ich bin auf diese Seite gestossen, weil wir selbst betroffene Eltern sind. Zunächst einmal bin ich sehr froh und total positiv überrascht, dass eine christliche Zeitschrift so offen und wertschätzend mit dem Thema umgeht. Daher finde ich die Kritik von Frau Galle absolut ungerechtfertigt und ihre Einstellung sehr selbstgerecht. Chrismon ist die bisher einzige christliche Zeitschrift, die so sachlich und vorurteilsfrei berichtet. Frau Galle, Sie fordern Toleranz, das heisst aber auch, tolerant gegenüber Meinungen und Gefühlen zu sein, die nicht den eigenen entsprechen. Haben Sie auch nur den Bruchteil einer Sekunde darüber nachgedacht, wie sich Eltern fühlen?? Sie haben einen Sohn oder eine Tochter bekommen, nach der Geschlechtsangleichung gibt es diesen Menschen, wie sie ihn / sie Jahre oder Jahrzehnte gekannt und geliebt haben so nicht mehr. Glauben Sie mir: Es fühlt sich wirklich so an: Das kleine Mädchen, das Sie hatten, gibt es nicht mehr, es entwickelt sich zum Mann. Das ist anders, als wenn ein Junge zum Mann wird, bei der Transition geht ein Teil verloren. Ich liebe unser Kind, wie es ist, ich weine aber auch fast jede Nacht um unsere verlorene Tochter. Für mich ist ein Kind gestorben und ich habe ein weiteres bekommen. Dies liebe ich nicht weniger, trotzdem habe ich ein Recht zu trauern. Dieses Recht wollen Transgender - Kinder ihren Eltern nehmen, indem der Geburtsname und alles , was an das Leben "davor" erinnert, nicht mehr sein darf, Fotos zerrissen werden usw. Das ist grausam. Gleichzeitig wird man überrollt von Aktivitäten, die erschreckend wirken. Wir hatten eine hübsche, kerngesunde Tochter. Die hat nun keine Brüste mehr und eine stärkere Körperbehaarung als so mancher Mann. Die "Verstümmelung" eines gesunden Körpers tut mir heute noch unsagbar weh. Und ich mache mir Sorgen um Nebenwirkungen der lebenslagen (!!) Hormonbehandlung. Unser einst fröhliches Mädchen ist nun ein ernster, verschlossener junger Mann. In mir reift immer mehr die Erkenntnis, dass wir womöglich einen furchtbaren Fehler gemacht haben, als wir das alles zugelassen haben. Ich glaube, dass der Denkansatz falsch ist, ein Mensch müsse 100% Frau oder 100% Mann sein. Wer sich dem weiblichen Geschlecht nicht zugehörig fühlt, muss zwangsläufig männlich sein und wird dazu gemacht. Medizinisch ist ja alles möglich. Aber auch richtig?? Es gab und gibt Kulturen, die mehrere Geschlechter kennen. Man kennt viele "Zwischenstadien" Warum darf ein Mädchen nicht burschikos sein und männliche Züge haben oder ein Mann feminine Wesensarten?

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Ich kann die Angst und Unsicherheit hier sehr gut nachvollziehen. Ich habe selbst mit meiner bisexuellen Veranlagung zu kämpfen und weiss wie innerlich zerrissen man im Spannungsfeld zwischen Glauben und vermittelten Werten (Familie, Zusammenhalt, Gemeinde) und seinen sexuellen Wünschen ist. Bei mir ist es so, dass ich abwägen musste zwischen dem was ich verloren hätte, wenn ich mich dafür entschieden hätte als homosexueller Mann eine offene Beziehung einzugehen. Es ist so, dass ich mir sehnlichst eine Familie und eigene, leibliche Kinder wünsche. Auch fand und finde ich Frauen begehrenswert. All dies, die Pespektive auf eine eigene Familie sowie vielleicht auch einen Gutteil meiner Freunde hätte ich damit verloren. So habe ich mich entschieden, meine heterosexuelle Seite auszuleben. Mit der anderen Seite werde ich immer umgehen müssen, aber der Preis wäre zu hoch und die Lebensweise mit einem schwulen Partner entspräche zwar einem Teil meiner sexuellen Bedürfnisse, aber nicht meinen Werten und Zielen im Leben. Es war alles in allem ein schmerzhafter, psychisch aufreibender Häutungs- und Abwägeprozess. Im Falle von Richard/Regina ist es sicherlich ähnlich gewesen, wobei er sich eben anders entschieden hat. Die Reaktion der Kirchgemeinde hätte sicherlich differenzierter ausfallen können. Offene Ablehnung finde ich, hat immer etwas unchristliches, es sollte der Versuch des Gesprächs, des gegenseitigen Verstehens gemacht werden.
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Martin (nicht überprüft) schrieb am 30. August 2011 um 10:42: "und weiss wie innerlich zerrissen man im Spannungsfeld zwischen Glauben und vermittelten Werten (Familie, Zusammenhalt, Gemeinde) und seinen sexuellen Wünschen ist." ----------------------- Könnte das nicht ein kleiner Hinweis darauf sein, besser den Glauben samt seinen vermittelten Werten auf den Mond zu schießen, statt sich in einem Spannungsfeld aufzureiben?
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Lieber Martin, ich möchte sie darauf hinweisen; dass Transsexualität nichts mit Wunsch zu tun hat und schon garnicht mit sexuellen Fantasien oder Wünschen, dies belegen im übrigen unzählige wissenschaftliche Abhandlungen. Transsexuealität ist eine angeborene unterschiedlich im Mutterleib (sechster bis zwölfter Schwangerschaftswoche) Entwickelten Gehirns zu den konträren sich entwickelten primären Geschlechtsmerkmalen. Ist deswegen auch nicht an-erziebar oder weg-therapierbar! Deswegen kann auch nicht von schuld oder unschuld gesprochen werden. Liebe Grüße Alexandra Galle
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Von ganzem Herzen bedanke ich mich über den Artikel über den Lebensweg von Regina!
Ich gehöre der Neuapostolischen Kirche an;dort kenne ich auch einige transsexuelle Frauen.
Gerade die Älteren unter ihnen haben geheiratet und Kinder.
Es ist ein sehr schwerer Weg;insbesondere auf dem Land und wenn man in einer streng religiösen Familie aufwächst.
Gott sieht das Herz an,dieses wurde ich in der Kirche gelehrt;so sollte es auch unter den Menschen sein,so wie Jesus die Menschen,welche ausgestoßen waren nicht verachtet hat!
Die Seele,die eigene Individualität ist das Wichtige;das ein Mensch glücklich sein darf;
Gott ließ es zu,das es Menschen gibt,bei denen das körperliche Geschlecht nicht mit dem Gehirn,
der Gefühlswelt überstimmt.
Aber er hat dies mit Sicherheit nicht nach dem Motto gemacht:"So,die Regina,der gebe ich mal einen männlichen Körper und ein weibliches Gehirn,die soll gucken wie sie damit klarkommt"
Gott ist die Liebe und er möchte sicher,das Menschen glücklich sind und kein Leben in Einsamkeit und Verachtung leben;geschweige denn im Selbsthass.
Ich wünsche allen viel Kraft und das jeder Ja zum Leben sagt.Lieber Operationen als im Suizid diese Erde verlassen!

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Wie Sie sicher wissen gibt es im internet mehrere Foren für TV und TS. Ein sehr seriöses ist 'transtreff'. http://www.transtreff.de/forum/medien-tipps/radio-b%C3%BCcher-zeitschriften-aktuelle-pressemeldungen/outing-auf-dem-dorf

Ich begehe hier keine Indiskretion, denn der link verweist auf den öffenlichen Teil des Forums. Nicht verraten werde ich natürlich, wer sich hinter diesen Menschen verbirgt. Die Öffentlichkeit wäre mehr als überrascht. Das aber nur so am Rande.
Nochmals ein ganz aufrichtiges Danke an Sie alle in der Redaktion. Kann ich davon ausgehen, dass Maria und Regina von den Reaktionen erfahren? Besondere Grüße an diese und an die Schwiegertochter!

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Als transsexuelle Frau habe ich jahrelang versucht, gegen mein Innerstes anzugehen und anzukämpfen. Wenn Menschen behaupten, man könne Transsexualität erfolgreich "therapieren" (d.h. "umpolen"), dann halte ich das für eine unseriöse und sehr gefährliche Aussage, weil:
* diese Form der "Therapie" m.W. in keinster Weise wissenschaftlich seriös und durch evidenzbasierte Studien zu untermauern ist
* diese reperativen Therapien Menschen in den Suizid treiben, wie man es bei David Reimer nachlesen kann (die Mutter sprach von ihm als Opfer eines wenn „katastrophalen Experiments“ (Umpolungstherapie): https://de.wikipedia.org/wiki/David_Reimer).
Deshalb braucht es:
* mehr Forschung und seriöse Studien (vgl. www.trans-health.info)
* mehr Reflexion über den Umgang mit Bibeltexten, die viele hundert Jahre vor unserer Zeit entstanden sind und die wir in vielen anderen Punkten eben auch nicht wörtlich nehmen (Gott sei Dank gibt es inzwischen Medikamente gegen Lepra und man muss niemanden in eine Leprakolonie stecken, wie das zur Zeit Jesu noch üblich war: http://www.predigten.de/predigt.php3?predigt=13321).
* Bildungsarbeit zum Thema "Transsexualität" (auf die verschiedenen Begriffe gehe ich in meinem Blog näher ein: https://aufwind2012.wordpress.com/worterbuch/)
Ich wünsche den Eltern sowie denjenigen, die transsexuell sind, dass die Gesellschaft immer mehr über die Hintergründe lernt und mehr Verständnis für eine Geschlechtsangleichung aufbringt.

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