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Auf weichen weißen Kissen
Nein, ich hatte den Laptop nicht mit im Bett. Wenn man schon mal krank ist!
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
17.05.2021

Ich war die vergangenen Tage krank. Nein, nicht Corona, ein ganz normaler grippaler Infekt. Ist selten geworden, ich weiß, aber mein Sohn hatte ihn eingeschleppt, und es erwischte mich just an dem Tag, an dem ich verreisen wollte. Zu Freunden, die „Genesene“ an Covid 19 waren. Wir hätten wunderbar regelkonform zusammen sein können. Nun aber verbrachte ich das lange Frühlingswochenende im Bett, schnupfend, schwitzend, hustend, und müde, so müde…

"Krankgeschrieben" heißt ein Gedicht meiner Lieblingsdichterin Mascha Kaleko. „Man liegt im Bett mit einer Halskompresse  / Erschöpft und blaß ist man herauf geschwankt.“ So beginnt es und enthüllt Vers für Vers den Charme solcher Krankentage zuhause. Wenn man nicht ernsthaft erkrankt ist, kann das durchaus etwas Festliches, Sonntägliches haben: „Man fühlt sich wohl auf weichen, weißen Kissen./ - Von Zeit zu Zeit tut irgendwo was weh -/ Und diese Schmerzen streicheln das Gewissen/ Heut einmal seine Pflicht nicht tun zu müssen.“

Tunneltage

Krankentage sind Tunneltage. Die Welt verengt sich auf ein Zimmer, die sonstige Aufgabenfülle auf diese eine: wieder gesund zu werden. Währenddessen filtern die Gardinen das Sonnenlicht. Die Wahrnehmung verschwimmt. In der Kindheit gehörten solche Pausen zum Leben, Erwachsene lassen sich selten darauf ein. Aber bei den eigenen Kindern durfte ich wieder Zaungast sein. 
Klar, am Anfang war es immer furchtbar stressig. Wenn ein Kind blass und appetitlos am Tisch saß und von sich aus ins Bett ging, wussten wir Eltern Bescheid und begannen zu verhandeln. "Ich habe diese wichtige Besprechung morgen. Kannst du zuhause bleiben?“ „Nein, XY fehlt, da muss ich hin.“ Wenn ich diejenige war, die es traf, ratterte es in mir noch etwas weiter. „Vielleicht kann ich das Interview telefonisch führen und schreiben, wenn er schläft.“

Irgendwann aber hatte ich überall abgesagt und war da. Richtig da. Und es war, als fiele eine Last von meinen Schultern ab. Das Kind lag den ersten Tag meist hochfiebrig im Bett und schlief überwiegend. Tee und Zwiebelsäckchen, Geschichten erzählen und das verschwitzte Köpfchen halten. Kissen beziehen und Zimmer durchlüften. Es klingt vielleicht komisch, aber ich mochte diese Tage. Diese klaren Aufgaben. Diese Konzentration auf einen Menschen in seiner Bedürftigkeit. Wer krank ist, ist dünnhäutig. Braucht Schutz und Zuwendung.  

Frische Bettwäsche

Okay, ich gebe zu, diese innige Hingabe bröckelte schon in den nächsten Tagen. Wenn das Fieber sank, das Kind wieder länger wach war, und nicht mehr ganz so zufrieden war in seinem Bettchen. Spielen wollte. Sich langweilte. Das war dann die eigentliche Herausforderung... Wie auch immer: Ziel des Pflegeprozesses ist die größtmögliche Selbständigkeit des Patienten oder der Patientin. Irgendwann wurde das Kind also wieder in die Schule oder Kindergarten geschickt. Und auch ich sitze seit heute morgen wieder am Schreibtisch. Als Genesene sozusagen - ob ich diesen Witz mal demnächst anbringe?

Am Ende solcher Krankentage steht immer: Fenster weit auf. Raus aus dem Tunnel! Und mit der Bettdecke das kleine leise Bedauern rausschütteln, dass diese Tage nun vorbei sind. Mascha Kaleko schreibt dazu: Man "wird gesund mit leisem Widerstreben, / Als wär man in die Kindheit heimgereist."

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