Frau mit hellem Auto in Wald
Sarah Zapf Trabant Familie
Sarah Zapf
Mit 70 Kilometer pro Stunde an die Ostsee
Ein alter Trabi machte das Leben meiner Großeltern in der DDR um einiges leichter - trotz der ganzen Macken und Risiken beim Fahren. Mit dem Trabi war sogar ein Urlaub möglich. Mein Opa Joachim erzählt heute noch davon.
Julian Leitenstorfer
16.02.2023

Ein Auto in der DDR? Das war für viele ein Traum, oder mit jahrelanger Warterei verbunden. Die Familie meiner Mutter musste nicht lange warten. Sie kauften erst im Jahr 1976, als viele andere in der DDR schon längst ein Auto hatten, einen gebrauchten Trabi der 500er Reihe. Mit Felderfahrung, 28 Jahre auf dem Buckel und zwei Vorbesitzern.

Das gute Stück kostete 2800 DDR Mark, neu lag der Trabi damals bei etwa 3500 bis 8000 DDR Mark.

Den Kaufpreis zahlte meine Uroma Helene, weil mein Opa Joachim als evangelischer Pfarrer nur über ein bescheidenes Gehalt verfügte. Mit diesem Geld musste er die siebenköpfige Familie versorgen. Meine Oma Ingeborg, von uns aber immer nur Inge genannt, war für die Familie und die Gemeinde da, selbstredend ohne Gehalt. Deshalb hätte sich mein Opa in seinen kühnsten Träumen kein Auto leisten können.

Als Pfarrer war mein Opa für ein großes ländliches Gebiet im Erzgebirge zuständig. Er versorgte viele Außendörfer, die er ohne ein Fortbewegungsmittel nie hätte erreichen können. Sommer wie Winter, bei Regen und Schnee. Deshalb fuhr er viele Jahre eine schwarze RT, die heute mein Motorrad-affiner Cousin besitzt. Mit einem Leergewicht von nur 78 bis 109 Kilogramm war die RT recht leicht transportabel - aber damit auch mit gewissen Sicherheitsrisiken verbunden. Mit der RT hätte mein Opa leicht verunglücken können.

Nicht jeder konnte mit in den Urlaub fahren

Ein „Dach über dem Kopf“ beim Fahren - für meinen Opa war der alte Trabi eine enorme Verbesserung bei seinen vielen Gemeindediensten in kilometerweit entfernten Orten. Auch im Urlaub wurde das treue Gefährt für weite Strecken genutzt, trotz der mickrigen Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn. Auf der Rückbank des Trabis konnten drei Personen, mit Ach und Krach, sitzen. Bei fünf Kindern mussten also zwei Kinder immer zuhause bleiben, wenn meine Großeltern in den Urlaub gefahren sind. Trotzdem wollten sie den Kindern diese Auszeit in den Ferien irgendwie ermöglichen - wenn auch immer nur einem Teil. So wechselten sich meine Mutter und ihre vier Geschwister Jahr für Jahr ab. Meine Mutter hat sich ab und zu geschämt, wenn sie im Trabi mitfuhr. Andere konnten sich damals schon einen schickeren Wartburg oder einen komfortableren Lada, der "Mercedes des Ostens", leisten.

Im Trabi dagegen saß man hinten wie auf einem Hackstock. Ohne Gurte, denn die waren weder vorne noch hinten vorhanden. Auf der Fahrer- und Beifahrerseite gab es zumindest kleine Schiebefenster, die man mit der Hand verstellen konnte. Manchmal, so berichtet meine Mutter, sind dann auch die Blinker einfach ausgefallen. Dann hielt mein Opa oder meine Oma die Hand aus dem Fenster. Wenn der alte Trabi am Berg stand, lief auch schon mal das Öl einfach raus. Zudem war das Getriebe nicht synchronisiert, was bedeutete, dass man beim Schalten zwischen zwei Gängen kurz Zwischengas geben musste, damit der Motor wieder auf Touren lief und der Gang einrastete. Meine Mutter hat heute noch das Knattern vom Schalten im Ohr.

Besonderes Geschenk der Partnergemeinde bleibt in Erinnerung

Mit dem Trabi ging vieles für meine Familie leichter. Trotzdem war jede Fahrt ein Risiko, mit ständigem Bangen, dass alles gut geht und man sicher ankommt. Auf einer Fahrt an die Ostsee wurde meine Familie im Trabi von einem Polizisten angehalten - nicht etwa wegen einem Verkehrsdelikt, sondern weil das rechte Hinterrad nur noch ganz schräg am Auto hing. Der Dreieckslenker war gebrochen, bis auf den Jüngsten mussten alle aussteigen. So ging es im Schritttempo ganz langsam in die nächste Kleinstadt in die Werkstatt - der Jubel war groß, denn die Mechaniker hatten tatsächlich einen Dreieckslenker, bei der Materialknappheit in der DDR keine Selbstverständlichkeit. Für meinen Opa immer noch ein Geschenk Gottes, denn so konnte die Familie mit dem Auto nach Hause fahren.

Durch die kirchliche Partnergemeinde in Wahrenholz in Westdeutschland erhielt mein Opa dann sogar ein neueres Trabi Modell. Ein Geschäftsmann schenkte den 601er an meine Familie. Im Gegenzug gab es in der Partnergemeinde Interessenten für den alten Trabi, sodass dieser wenig später ebenso in den Westen verschenkt wurde - nicht etwa als Ausflugsmodell, sondern eher als Rarität aus der DDR, die man im Ort bestaunt hat. In Sachsen sehe ich heute immer noch vereinzelte Trabis über die Straßen tuckern, aber auch in München staune ich nicht schlecht, wenn ich neben einem perfekt hergerichteten Trabi in meinem vergleichsweise neuen Opel an der Kreuzung stehe. Vielleicht gibt es den alten Trabi meines Opas ja auch immer noch. 

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