Susanne Breit-Keßler Schokoload
Susanne Breit-Keßler
Eintopf am Waschtag
Kernseife und Würstchen haben spirituellen Charakter
22.09.2021

Waschtag. Ein echtes Ereignis in meiner Kindheit. Meine Mutter zog sich einen weißen, blitzsauberen und gebügelten Kittel an. Den hatte sie auch immer getragen, als sie Baby Susanne im heimischen Wohnzimmer in der Zinkbadewanne frisch machte. Sie behauptete, das sei zur Sicherheit, weil ich wie wildgeworden geplanscht hätte. Ausgeschlossen!  Da muss sie sich irren. Gewiss bin ich wie stets äußerst gesittet in den warmen Fluten gesessen. Jedenfalls trug meine Mutter das Babybade-Outfit auch am Waschbrett und sah sehr schick aus, wenn sie mit einer Art riesigem, durchlöcherten Kochlöffel im Zuber herumrührte.

Waschen war damals - anders als heute - eine Mordsarbeit. Es gab an dem Tag, an dem Kochwäsche, ein Kessel Buntes, Wurzelbürste, Wäschestampfer und Kernseife im Mittelpunkt standen, ganz einfaches Essen. Erbsen- und Kartoffelsuppe mit Würstchen zum Beispiel oder Eintopf mit sämtlichen verfügbaren Resten. Das alles konnte man am nächsten Tag auch noch essen, wenn gestärkt, gebügelt und gemangelt werden musste. Selbst wenn es wirklich viel körperliche Mühe für die Hausfrauen bedeutet hat, schienen mir die Tage etwas Besonderes. Sie hatten fast spirituellen Charakter.

Schokoschmiere und Erbsensuppe

Die Bekleidung wurde aus der Wohnung entfernt und in die Waschküche geschleppt. Nach der  Reinigung war alles blitzeblank und duftig, befreit vom Alltag und seinen Spuren. Man konnte gleichsam weiß und unschuldig von vorne beginnen. An das musste ich denken, als uns ein kreativer Hotelier mit einer Wäscheleine voll Schokolade im Zimmer willkommen hieß. Alle Sorten waren vertreten, garniert mit Früchten, Blüten, Nüssen und Mandeln. Am Boden des Kunstwerkes hatte er Schokodragees platziert - sie simulierten wohl die Erde. Alles essbar - nur Leine und Klammern nicht. Ich bin nicht so sehr für das Süße. Vor allem nicht in dieser Fülle.

Aber ich dachte wieder einmal dankbar an meine kleine, zarte Mutter, der keine Arbeit zu viel war, um unser Leben mit seinem mancherlei Durcheinander sauber und in Ordnung zu halten. Die Lust am Kampf gegen das Chaos habe ich ganz klar von ihr geerbt. Und manche Pingeligkeit auch. Denn es ist mir tatsächlich gelungen, das Weiße weiß sein zu lassen und auch auf Buntes keine Schokoschmiere zu verteilen. Ich muss den Dreck inzwischen ja längst selber rauskriegen - wenn auch mit Hilfe der Waschmaschine. Nur manchmal rubble ich hartnäckige Flecken mit der Hand und ordentlich Kernseife raus. Ja, das hat was Spirituelles. Ich glaube, ich mach‘ mal Erbsensuppe dazu.

 

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