Salz- und Pfeffer-Streuer auf dem Tisch im Sonnenlicht
Cristina Pedreira/EyeEm/Getty Images
Mehr, mehr!
Mehr, mehr!

Susanne Breit-Keßler über Gewürzstürme

Manche kriegen einfach nicht genug von Salz und Pfeffer


27.07.2021

Ich führe an und für sich eine glückliche Ehe. Daraus mache ich, Sie wissen es, in diesem Blog keinen Hehl. Die Ehrlichkeit gebietet es jedoch, auch von krisenhaften Momenten in meiner Partnerschaft zu berichten. Dazu hole ich kurz aus. In einem Märchen von Theodor Storm schreit der kleine Häwelmann, der nicht schlafen kann, immer wieder „mehr, mehr“. Alles ist ihm zu fade: das Herumfahren im Kinderzimmer, die nächtliche Reise durch die Stadt und den Wald mit Hilfe des Mondes, die tour d´horizon bis zum Ende der Welt, zu den Sternen und über die Nase von Frau Luna – bis ihn schließlich die Sonne ins Meer wirft und er von seinem Traum frisch ausgeschlafen aufwacht.

Nun ist mein Mann sehr erwachsen, er rast nachts nicht herum und schreit auch nicht. Aber dieses „mehr, mehr“, das kenne ich in einer nahezu lautlosen Variante. Schrappschrapp, höre ich leise, sobald ich das Essen aufgetragen habe. Zuerst etwas heller, dann mehr so schroppschropp. Die Salz- und die Pfeffermühlen werden in Gang gesetzt.

Ohne zu probieren!

Mehr mehr! Und jetzt kommt das Krisenhafte daran: Ohne zu probieren! Ohne auch nur eine Gabel oder einen Löffel zum Mund geführt zu haben, würzt mein Gatte nach. In mein köstliches, mit viel Gespür gekräutertes und fein abgeschmecktes Essen bröselt er – wenigstens das – Fleur de Sel und selbst mitgebrachten Pfeffer aus Kambodscha in rauen Mengen drüber.

Mehr, mehr! Ein kleiner Neffe hat mich zwar mal als „Sisonne“ tituliert, weil er meinen Namen nicht richtig auszusprechen vermochte. Aber ich kann meinen Liebsten doch nicht ins Meer werfen wegen seiner Unsitte! Die Kellner im Restaurant sind auch keine Hilfe. Sie schauen nur verblüfft, wenn der Gatte nach den diversen Mühlen verlangt. „Kann nicht sein“, sagt ihr Gesicht. Aber sie bleiben stumm. Seit Jahren plane ich heimlich, das Essen einmal so zu versalzen, dass ihm die Mischung wirklich nicht bekommt. Aber mit Essen darf man weder spielen, so habe ich es gelernt, noch es unnütz vergeuden. Außerdem kriege ich es nicht hin, so echt gemein zu sein. Schon weil ich selber gut essen möchte.

Was also tun? Nichts. Der Mann hat richtig Pfeffer und er ist das Salz meines Lebens. Wozu etwas ändern?

Vom Blog zum Buch:
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"Prost Mahlzeit!".  Für gute Laune beim Kochen, mit vielen Rezepten, Kolumnen und Illustrationen. edition chrismon, 144 Seiten

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