Susanne Breit-Keßler Reis
Susanne Breit-Keßler
Ein Sack Reis
Die Lust auf sportliche Siege ist etwas anderes als der Kampf um Nahrung
03.11.2020

Volleyballer, Tennisspielerinnen und Fußballer sind oft hungrig. Sagen ihre Trainer oder Kommentatoren in den Medien. Das hat nichts mit Essen zu tun, denn die Damen und Herren werden gewiss bestens versorgt, vor allem, wenn sie Profis sind. Sie sind hungrig auf das ersehnte Olympia-Ticket, die neue Sandplatz-Saison oder den Titel in der Champions-League. Hungrig? Die sind begierig darauf, dabei zu sein, auf dem Treppchen zu stehen, wieder im Freien zu spielen und Trophäen in den Himmel zu stemmen. Das ist auch in Ordnung so. Wer wettkämpft will gewinnen. Aber hungrig sind die Sportlerinnen und Championiken nicht. Sie haben höchstens Appetit – so, wie ich auf Essen.

Hungrig und unterernährt sind die Menschen in mehr als 50 Ländern der Erde. Das sind derzeit 690 Millionen Kinder, Männer und Frauen. Zusätzlich sind 135 Millionen von einer akuten Ernährungskrise betroffen. COVID-19 wirkt wie ein Brandbeschleuniger: Armut und Hunger nehmen zu. Der Klimawandel tut ein Übriges, dass die Ärmsten der Armen noch mehr in Not geraten. Ich bin empfindlich, man könnte auch sagen, angefressen, wenn jemand mit dem Wort „hungrig“ spielt. Die vollkommen berechtigte Lust, zu spielen und zu gewinnen, hat nichts mit dem Elend derer zu tun, denen das Mindeste zum Leben fehlt.

Eine zart duftende Blume zum Essen

Das alles fällt mir ein im Angesicht eines kleinen Sacks voll Reis, den ich für meine Vorratswirtschaft bestellt habe. Fünf Kilo ist er schwer und kommt aus Thailand. Auch dort hungern Menschen, selbst wenn der Welthunger-Index nur „mäßige“ Unter- und Fehlernährung in dem wirtschaftlich recht erfolgreichen Land konstatiert. Wie das nach Corona sein wird, weiß keiner. Darf ich unseren zart nach Jasminblüten duftenden Reis mit dem Namen „Weiße Blume“ genießen? Ich lese nach. Er stammt aus der Ernte thailändischer Reisbauern, denen ein anständiger Preis bezahlt wird und die ihre nachhaltigen Anbaumethoden immer weiter verbessern. 

Anders als fair gehandelt und ökologisch produziert will ich nichts mehr kaufen, wenn es irgend geht. Und ich bin dankbar, dass das Welternährungsprogramm den Friedensnobelpreis 2020 erhalten hat. Ein wichtiges Zeichen. “Dies ist eine eindringliche Mahnung an die Welt, dass Frieden und Null-Hunger Hand in Hand gehen”, vermeldete die UN-Organisation dazu. Das schreibe ich mir ins Herz und auf die Einkaufsliste. Der alte Satz, der im Englischen und im Deutschen so oft ´rausgehauen wird - „das interessiert mich so viel, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt“ – den streiche ich. Mich interessiert jeder Sack Reis brennend. Vor allem, wenn er zum Leben und zum Frieden dient.

Vom Blog zum Buch:
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