Lufbruecke - Einbürgerung
Tahora Husaini
Meine Einbürgerung – eine qualvolle Erfahrung
Ich habe einen deutschen Pass. Endlich. Doch der Weg dahin war schrecklich und voller Scham. Und sehr, sehr weit weg von jeder Willkommenskultur
Tahora HusainiPrivat
09.05.2023

Zum gefühlten tausendsten Mal machte ich mich wieder einmal erschöpft und unmotiviert auf den Weg zum Bürgeramt. Dort erwartete mich eine Freundin mit einem fröhlichen Lächeln und einer Zuckertüte mit Kartoffelsalat und Sekt zum Feiern. Ich dagegen fühle Furcht und Beklemmung. Zu schlecht waren meine Erfahrungen in den letzten Jahren auf deutschen Ämtern.

Wir gingen in den ersten Stock und näherten uns dem Büro meines Sachbearbeiters. Als wir vor der Tür standen, schaute er er meine Freundin mit einer Mischung aus Überraschung und Verärgerung an, seine Augen waren voller Fragen, was wir hier wollten. Ich erklärte ihm, dass ich einen Termin hätte, aber er antwortete: „Ja, ich weiß, aber nur für Sie, nicht für Ihre Begleitung“.

Als ich erwähnte, dass sie eine Freundin sei, sagte der Beamte, dass wir vertrauliche Informationen besprechen würden. Trotz meiner mangelnden Besorgnis antwortete der Beamte wütend mit einem abweisenden „OK, was immer Sie wollen!“ Seine ganze Person drückte Widerwillen und Ablehnung aus. Mit jeder Geste schien er mir sagen zu wollen: "Was machen Sie eigentlich hier? Was wollen Sie überhaupt in Deutschland?"

Es gab kein freundliches Wort, nichts herzliches. Statt dessen: „Solange Sie in diesem Bezirk wohnen, bin ich zuständig und kann Ihnen bei jeder Straftat Ihre Einbürgerung entziehen.“ Er öffnete die Akte auf dem Tisch und schaute uns streng an. Er sagte, meine Unterlagen seien vollständig, warnte mich aber vor den Vorschriften. Sein Ton wurde bedrohlich, als er die Handlungen aufzählte, die zum Verlust meiner deutschen Staatsbürgerschaft führen könnten. Er betonte, dass ich zwar meine afghanische Staatsbürgerschaft nicht verlieren könne, dass aber das Begehen einer Straftat leicht zum Verlust meiner deutschen Staatsbürgerschaft führen könne. Während er jede Seite vorlas, warf er die Papiere in Richtung meiner Freundin, sodass wir beide immer unsicherer wurden. Wir tauschten Blicke aus und wussten nicht, ob wir etwas sagen oder sein einschüchterndes und demütigendes Verhalten ertragen sollten.

Im Laufe des Gesprächs fühlte ich mich in seiner Gegenwart immer kleiner. Mein Stuhl schien immer mehr zu schrumpfen, er dagegen erschien mir immer größer. Warum muss dieser Mann so hart, so unemphatisch sein? Was habe ich verbrochen, dass ich so behandelt werde?

Dann fragte ich noch, wo ich meinen Pass beantragen könne. Er antwortete mir, dass es schwierig sei, in nächster Zeit einen Termin zu bekommen. Als ich ihm von meinen Reiseplänen erzählte, fragte er mich neugierig, wohin ich denn wolle. Ich antwortete: „Jordanien“, worauf er mich fragte, warum ich dorthin wolle. Ich erzählte ihm, dass ich eine Freundin besuchen wolle. Er fand es ok.

Dann forderte er mich auf, ihm meine Aufenthaltsgenehmigung zu geben, die ich ihm sofort aushändigte. Ich bin mir nicht ganz sicher, warum ich ihn fragte, ob ich sie zurückbekommen würde, jedenfalls antwortete er mir mit einem verärgerten Blick, dass dieses Dokument nur für Ausländer bestimmt sei. „Sie sind doch jetzt Deutsche, also keine Ausländerin mehr. Nicht wahr?“ Dann fragte er, ob ich etwa immer noch Ausländerin sein wolle, als sei das etwas Schändliches oder Erbärmliches.

Als er meine Aufenthaltsgenehmigung zwischen seinen Fingern hielt und hin und her bewegte, kamen mir Erinnerungen an das lange und mühsame Verfahren in den Sinn. Ich war unzählige Treppen im Ausländerbehörde hinaufgestiegen, hatte meinen Arbeitgeber mehrmals angefleht, meinen Arbeitsvertrag zu verlängern, und hatte viele Male vor Frustration geweint.

Dieses Dokument zu bekommen, war für mich eine monumentale Leistung, vergleichbar mit der Besteigung von acht Bergen. Ich spürte eine Welle der Wut und das Bedürfnis, aufzustehen und ihn anzuschreien. Statt dessen ergriff ich das Wort und drückte meine Enttäuschung darüber aus, dass das Verfahren nicht positiver verlaufen war. Daraufhin teilte er mir mit, dass am 3. Oktober eine Feier für alle neu Eingebürgerten stattfinden würde und dass der Bezirksbürgermeister der Region bei der Zeremonie anwesend sein würde.

Als er mich fragte, ob ich den Herrn kenne, verneinte ich. Das schien ihn sehr zu verärgern und er bestand darauf, dass ich seinen Namen kennen müsse. Doch bevor er mit seiner Lektion fortfahren konnte, warf meine Freundin ein, dass sie hier geboren und aufgewachsen sei und dennoch nicht wisse, wer der Bezirksbürgermeister sei. Daraufhin beruhigte sich der Beamte und sprach weiter in einem normalen Ton.

Wut und Frustration wichen einem tiefen Gefühl der Scham. Als ich das Büro verließ, fühlte ich mich nicht glücklich. Das gesamte Verfahren zur Erlangung der Staatsbürgerschaft in diesem Land war eine einzige Qual. Bis zum letzten Moment musste ich ertragen, gedemütigt zu werden, weil ich eine Ausländerin war und jetzt Deutsche werden wollte. Ist das eine gute Willkommenskultur?

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